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21.07.2011:
Börsen-Zeitung: Gipfel-Allerlei, Kommentar von Bernd Wittkowski zu den märktebeeinflussenden Politiker-Äußerungen anläßlich des Euro-Sondergipfels
Frankfurt (ots) - Das europäische Gegacker hat am Donnerstag einen
sondergipfelgerechten vorläufigen Höhepunkt erreicht. Politiker sind
da ja ganz unbeschwert. Etwa der Chef der Eurogruppe, Luxemburgs
Premier Jean-Claude Juncker, der an keinem Mikrofon vorbeigehen kann,
ohne einen Spruch aufzusagen. Da wurden, noch bevor die Staats- und
Regierungschefs Platz genommen hatten, mit ein paar locker
dahingesprochenen Sätzen über die Möglichkeit eines vorübergehenden
Zahlungsausfalls Griechenlands oder mit der Prognose, dass es keine
Einigung über Eurolandanleihen geben werde, mal eben der Euro auf ein
Tagestief gedrückt und im weltweiten Devisenhandel etliche Milliarden
bewegt. Logischerweise reagierte auch der Aktienmarkt. Von
"Kursrelevanz" scheinen Politiker noch nie etwas gehört zu haben.
Auf Gegacker läuft auch manche Äußerung hinaus, die in jüngster
Zeit führende Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Besten
gegeben haben. Gerade noch die harte Linie beim Thema Beteiligung
privater Gläubiger am neuen Hilfspaket für Athen bekräftigt - und
dann doch wieder umgefallen. Am Ende werden sich natürlich trotzdem
wieder alle als Gewinner fühlen, auch die EZB.
Dass sich die Beteiligten ihren jeweiligen Beitrag bzw. den
geleisteten Verzicht auf ursprüngliche - politische wie finanzielle -
Forderungen gerne schönrechnen werden, gilt für das ganze höchst
komplexe Paket, das in Brüssel geschnürt wurde und am Abend in seinen
Bestandteilen, vor allem aber in seinen konkreten Auswirkungen und
Kosten noch recht unüberschaubar war. Vielleicht soll das so sein,
dann kann jeder seiner Klientel die eigene Version von den jeweiligen
Vorteilen erzählen: die Politiker den Bürgern, die Banken ihren
Aktionären usw. Enthalten ist in dem Paket jedenfalls ein Allerlei
von Maßnahmen. Von allen möglichen Lösungen, die seit Monaten
diskutiert wurden, fehlen im Wesentlichen nur der Euro-Austritt
Griechenlands, der ohnehin eher keine realistische Option war, und
eine neue Bankensondersteuer. Dagegen waren zu fortgeschrittener
Gipfelstunde fast alle sonstigen "Tabus" der einen oder anderen Seite
vergessen: Umschuldung, offizielle Zahlungsunfähigkeit, Anleihekäufe
des Rettungsfonds EFSF auf dem Sekundärmarkt - nichts scheint
unmöglich.
So unklar viele Details am Abend noch waren, eines ist
unübersehbar: Die europäische Schulden- und Transferunion nimmt immer
deutlicher Gestalt an. Das ist freilich schon deshalb kein Wunder,
weil in Brüssel zwar die Banken mit am Tisch saßen - aber nicht die
Steuerzahler.
(Börsen-Zeitung, 22.7.2011)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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