Investmentfonds.de
30.10.2018:
T. Rowe Price: Wahlen in Brasilien - Die Aussichten für Aktien sind gut
Köln, den 30.10.2018 (Investmentfonds.de) -
Verena Wachnitz, Portfoliomanagerin der Latin America
Equity Strategy bei T. Rowe Price
Wie erwartet hat der konservative Kandidat Jair Bolsonaro (PSL) die zweite
Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahlen mit 55% der gültigen Stimmen
gewonnen. Der Kandidat der PT (Arbeiterpartei), Fernando Haddad, kam auf 45%.
Bolsonaros wirtschaftspolitische Agenda ist sehr marktfreundlich - Senkung und
Vereinfachung von Steuern, Privatisierung von Staatsunternehmen, Reform des
Rentensystems. Bolsonaro hat auf diesem Gebiet wenig vorzuweisen, dafür aber
den in Chicago ausgebildeten Paulo Guedes zum Leiter seines Finanzteams
(und zum künftigen Finanzminister) ernannt. Er ist offenbar bereit, diesem
liberalen Ökonomen die Verantwortung für die wirtschaftspolitische Agenda zu
überlassen, während er selbst sich auf die Fragen der öffentlichen Ordnung,
sein wichtiges Wahlkampfthema, konzentrieren will.
Ob die Präsidentschaft von Bolsonaro zum Erfolg wird, hängt vermutlich weniger
von seinem eigenen Reformwillen ab, sondern vor allem von seiner Fähigkeit,
Reformen durchzusetzen. Diese Frage ist in der Tat von hoher Brisanz, denn seine
Partei verfügt nur über 10% bzw. 5% der Sitze in Unterhaus und Senat. Wenn er
Erfolg haben will, muss Bolsonaro eine Koalition mit Brasiliens zahlreichen
Parteien der Mitte eingehen. Diese haben zwar grundsätzliches Interesse an
einer Regierungsbeteiligung, Bolsonaro wird ihnen aber in verschiedenen
Sachfragen entgegenkommen müssen. Ob er hierzu bereit ist, bleibt abzuwarten.
Erste Hinweise werden seine Kandidaten für die Sprecher der beiden Häuser
liefern - wenn er auf eigenen Parteikollegen besteht, wird es für ihn
schwieriger, im Kongress etwas zu bewegen.
Günstig ist, dass die alte Regierung unter Temer schon nennenswerte
Reformfortschritte erzielt hat - so etwa Ausgabenobergrenzen,
Arbeitsmarktreform, die Beseitigung einiger Steuervorteile und eine Reform der
staatlich kontrollierten Unternehmen (einschließlich einer deutlichen Senkung
der subventionierten Kredite). Die komplette Umsetzung von Bolsonaros
Reformagenda würde den Märkten enormen Auftrieb verleihen, ist nach meiner
Einschätzung aber nicht erforderlich für eine weiterhin gute Marktentwicklung.
Die Beibehaltung der Ausgabenobergrenze in Kombination mit einer leicht
verwässerten Rentenreform wäre machbar und könnte die Stimmung in der
Wirtschaft verbessern sowie die konjunkturelle Erholung stützen.
Stärkeres Wirtschaftswachstum zusammen mit (wegen der weiterhin nicht an der
Kapazitätsgrenze arbeitenden Wirtschaft) geringer Inflation und niedrigen
Zinsen sollte ein positives Umfeld für höhere Unternehmensgewinne schaffen.
Besonders gilt dies für stark inlandsorientierte Unternehmen in der
Finanzbranche und im Konsumsektor. Im Vergleich mit den langfristigen
historischen Durchschnitten sind die Bewertungen bei zyklusbedingt nach wie
vor niedrigen Unternehmensgewinnen immer noch attraktiv. Die Aussichten für
Aktien sind also gut.
Risiken für den brasilianischen Markt sehe ich vor allem in einer
Nichtumsetzung der Rentenreform bis Ende 2019 und einem Einbruch des
chinesischen Wachstums (oder einer globalen Rezession).
Quelle: Investmentfonds.de
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