Investmentfonds.de
04.12.2018:
LFDE Macroscope: Jerome Powell - kleine Worte, große Wirkung
Köln, den 04.12.2018 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, CIO bei La Financière de l´Echiquier
Viele Marktteilnehmer hatten die letzten Äußerungen von Jerome Powell, dem Chef
der US-Notenbank Fed, so verstanden, dass die Fed eine Kehrtwende vollziehe und
die US-Leitzinsen möglicherweise nicht in der erwarteten Weise weiter steigen
werden. Eine Interpretation, die nach Einschätzung von Olivier de Berranger,
Chief Investment Officer bei LFDE - La Financière de l`Echiquier, zu weit geht.
Seiner Einschätzung nach waren Powells letzten Äußerungen "nur eine Bestätigung
dafür, dass die Fed bereit ist, das Tempo der Normalisierung notfalls zu
verlangsamen". Prinzipiell werde sich die Fed weiterhin eng an den
Konjunkturdaten orientieren "und die Mitglieder des Offenmarktausschusses FOMC
werden bei ihren künftigen Entscheidungen Flexibilität an den Tag legen", meint
de Berranger. "Im Jahr 2019 ist alles möglich", resümiert der CIO.
Als gesichert könne nur gelten, dass die Zentralbanken weiterhin ihren
Bilanzabbau vorantreiben werden und die weltweite Liquidität zurückgehen wird,
so de Berranger.
Beim Geschehen an den Märkten kommt es bisweilen nur auf Worte und ihre Bedeutung
an. Auf seiner Pressekonferenz am 8.November 2018 sagte der Chef der US-Notenbank
Federal Reserve (Fed), Jerome Powell, dass die Zinssätze „wahrscheinlich noch
weit von neutral(*1) entfernt sind". Eine Aussage, die der eher restriktiven
Haltung der Fed und ihrem geldpolitischen Straffungsprogramm entspricht,
das bis zu drei Zinsanhebungen für 2019 vorsah. Vor einigen Tagen erklärte
Powell anlässlich einer Konferenz im Economic Club of New York jedoch, dass die
Zinssätze "knapp unterhalb" der geschätzten Spanne des neutralen Zinsniveaus
lägen und dass "die wirtschaftlichen Auswirkungen der allmählichen Zinserhöhungen
unsicher sind". Diese von den Märkten als sehr akkommodierend
empfundenen Äußerungen führten zu einem starken Anstieg bei US-Aktien.
Tatsächlich vermitteln diese beiden Sätze den Eindruck, dass ein großer Wechsel
in der Rhetorik der Fed stattfindet. Die grundlegende Botschaft hat sich jedoch
nicht völlig geändert: Im Jahr 2019 ist alles möglich. Die Geldpolitik der Fed
bleibt an die Entwicklung der Konjunkturdaten gebunden, und die Mitglieder des
Offenmarktausschusses FOMC werden bei ihren künftigen Entscheidungen
Flexibilität an den Tag legen. Dies bestätigten auch die Protokolle der letzten
Fed-Sitzung, die einen Tag nach der Rede Powells im Economic Club
veröffentlicht wurden. Seine Äußerungen sind allenfalls nur eine
Bestätigung dafür, dass die Fed bereit ist, das Tempo der Normalisierung
notfalls zu verlangsamen, was einige Anleger möglicherweise bezweifelt
haben. Zwar wurde ein Großteil des Weges bereits zurückgelegt, und
Powell wollte zweifellos seine Aussagen vom Oktober und November
weiter differenzieren, die an den Märkten als sehr restriktiv und als
Stressfaktoren wahrgenommen wurden.
Daraus jedoch eine größere Kehrtwende beim Fed-Kurs abzulesen, ist vermutlich
übertrieben.
Einerseits müssen die Konjunkturdaten und allen voran die Inflationszahlen
diesen Trend bestätigen. Sicherlich gehen die letzten Veröffentlichungen mit
einer Kerninflation (core CPI) und einer an den Ausgaben der privaten
Haushalte gemessenen Verbraucherpreisinflation (core PCE), die nicht nur
unter den Erwartungen für Oktober lagen, sondern auch gegenüber September
zurückgingen, in diese Richtung. Der Arbeitsmarktbericht vom Freitag muss
aufmerksam geprüft werden,denn eine Beschleunigung der Lohninflation dürfte
den akkommodierenden Aussagen von Powell entgegenstehen. Andererseits ist es für
den Fall, dass die Fed letztlich das Tempo ihrer Zinsanhebungen verlangsamen
könnte, ausgeschlossen,dass sie ihren Bilanzabbau bremst. Der Rückgang der
weltweiten Liquidität als Hauptfolge der auslaufenden Lockerungsmaßnahmen
der Zentralbanken bleibt demnach auf der Tagesordnung weit oben.
Angesichts der jüngsten Daten ist eine restriktivere Haltung der Fed
nicht gerechtfertigt,und wahrscheinlich war dies die Botschaft, die ihr
Vorsitzender vermitteln wollte. Aber auch eine viel größere Flexibilität
ist derzeit durch nichts gerechtfertigt.
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*1 Neutraler Zinssatz: generell eher als geschätzte Zinsspanne und nicht als
fester Zinssatz angegeben; es handelt sich um den Zinssatz, der für die
Konjunktur theoretisch weder stimulierend noch restriktiv ist und der das
Ziel der Zentralbank darstellt,wenn die Inflation über ihrem Zielwert liegt
und die Wirtschaft Vollbeschäftigung aufweist.
Quelle: Investmentfonds.de
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