Investmentfonds.de
29.01.2019:
LFDE Macroscope: Zurückhaltung in Frankfurt
Köln, den 29.01.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer, und Enguerrand Artaz,
Fondsmanager La Financière de L`Echiquier
Zurückhaltung in Frankfurt
Die Erwartungen an die erste Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) in
diesem Jahr waren nicht sehr hoch, auch wenn mancher Anleger auf moderatere Töne
von EZB-Präsident Mario Draghi sowie mögliche Hinweise auf einen neuen Termin für
die erste Zinsanhebung gehofft hatte. Bei diesem zweiten Punkt erfüllte sich der
Wunsch der Märkte nicht, denn die Strategie bleibt unverändert:
Auslaufende Anleihen werden auch nach der ersten Zinsanhebung, die nicht vor dem
nächsten Sommer erfolgen wird, wieder angelegt.
Hinsichtlich der Wirtschaftslage war die Position des EZB-Präsidenten jedoch
zurückhaltender. Die EZB reagiert auf die Risiken, denen die Konjunktur
ausgesetzt ist, äußerst empfindlich und geht eher von Abwärtsrisiken aus.
Mario Draghi verwies auf die fortwährende Unsicherheit im Zusammenhang mit den
geopolitischen Risiken und dem Protektionismus, die die Stimmung drücken.
Überdies erwähnte er die enttäuschenden aktuellen Konjunkturindikatoren und die
Verlangsamung des Welthandels.Zudem sprach er die Anfälligkeit einiger
Schwellenländer (allen voran China, auch wenn er sich hinsichtlich der
Wirksamkeit möglicher Anreizmaßnahmen zuversichtlich zeigte) und die Volatilität
an den Finanzmärkten an.
Auch wenn die EZB ihre Wachstumsvorhersagen bisher nicht korrigiert hat, könnte
dies auf der MärzSitzung laut Ankündigung von François Villeroy de Galhau, dem
Gouverneur der Banque de France und Mitglied des EZB-Rates, geschehen. Er sagte
darüber hinaus, dass sich die EZB je nach Aktivität und Konjunkturlage die
erforderliche Zeit nehmen werde. Diese Äußerungen sind trotz der Abkopplung der
Geldpolitik letztlich sehr nahe an den jüngsten Aussagen der US-amerikanischen
Fed.
Diese demonstrative Zurückhaltung der EZB fiel in eine Woche, die voll war von
beunruhigenden Konjunkturdaten. Der IWF korrigierte kürzlich seine
Wachstumsprognosen für das laufende Jahr für die Weltwirtschaft von 3,7 % auf
3,5 % und für die Eurozone von 1,9 % auf 1,6 % nach unten. Die vorläufigen
Einkaufsmanagerindizes für die Eurozone enttäuschten im Januar erneut. Der
zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex fiel auf 50,7, während ein leichter
Anstieg auf 51,4 erwartet worden war. Der IFO-Index, der das Vertrauen der
deutschen Unternehmenschefs in die Konjunkturperspektiven misst, erreichte mit
94,2 den tiefsten Wert seit Ende 2012.
Dieses düstere Bild ist jedoch differenziert zu betrachten.
Zwei Dinge könnten dem Konjunkturzyklus in Europa neues Leben einhauchen:
Einerseits deutet der zurückhaltende Ton von Mario Draghi auf dauerhaft lockere
finanzielle Bedingungen hin. Die insgesamt weniger als die US-Unternehmen
verschuldeten europäischen Unternehmen könnten zum Ausbau ihrer Fertigungs-
kapazitäten neue Schulden für Investitionsprogramme aufnehmen.
Andererseits wird das französische Konjunkturprogramm die Kaufkraft der
konsumfreudigsten Haushalte steigern. Weitere Länder könnten diesem Beispiel
folgen, was eine wichtige Stütze darstellen könnte. Diesbezüglich rief
Mario Draghi die Regierungen der Eurozone abermals zur Umsetzung derartiger
Programme auf, damit die geldpolitischen Maßnahmen von den haushaltspolitischen
Maßnahmen abgelöst werden. Ob die Proteste auf Frankreichs Straßen die Führer
Europas letztlich dazu bewegen werden, den Empfehlungen der EZB zu folgen?
Quelle: Investmentfonds.de
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