Investmentfonds.de
26.02.2019:
LFDE Macroscope: Große Unterschiede bei den Einkaufsmanagerindizes
Köln, den 26.02.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger,` Chief Investment Officer bei
LFDE - La Financière de l`Echiquier
Seien es Äußerungen von Peter Praet, dem Chefökonomen der Europäischen
Zentralbank EZB, der die Worte von Benoît Cœuré über die Einführung neuer
längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte für Banken (GLRG) bekräftigte, oder die
Protokolle der letzten Fed-Sitzung; seien es schlechte Auftragszahlen für
dauerhafte Wirtschaftsgüter in den USA oder weiterhin schwache IFO- und
ZEWUmfragen in Europa; seien es Hoffnungen und Unsicherheit kurz vor einem
Treffen zwischen Trump und dem chinesischen Vize-Premierminister - stets ist es
das gleiche Dreigespann, das für Schlagzeilen und Bewegung an den Märkten sorgt:
der moderatere Kurs der Zentralbanken, die Sorgen um das weltweite Wachstum und
die Handelsgespräche zwischen China und den USA.
Vor diesem unveränderten Hintergrund zeigte uns die vergangene Woche mit den
vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für Februar ein interessantes Phänomen. In
den USA wie in Deutschland und der Eurozone enttäuschten die Zahlen für das
verarbeitende Gewerbe mit einer Verschlechterung, während die Zahlen für den
Dienstleistungssektor sich erholten und die Konsenserwartungen übertrafen. Diese
Entkopplung zwischen dem Vertrauen in den Industriesektor und den Tertiärsektor
ist nicht außergewöhnlich, wirft jedoch Fragen auf. Was die Finanzmärkte
anbelangt, ist der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe noch vor
dem Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor einer der am meisten
beachteten Indikatoren. Dies lässt sich beispielsweise bei Betrachtung des
Bloomberg-Relevanzindikators feststellen. Dieser misst die potenziellen
Auswirkungen der Konjunkturzahlen auf die Märkte und ist für das verarbeitende
Gewerbe generell höher als für den Tertiärsektor.
Was das Gewicht in der Wirtschaft betrifft, entfällt dennoch der Löwenanteil auf
Dienstleistungen. Sie machen rund 60 Prozent der Weltwirtschaft aus, ein Wert,
der in den Industrieländern noch höher ist (69 % in Deutschland, 80 % in den USA).
Da die Schwellenländer, allen voran China, zudem eine Umwandlung ihres
Wirtschaftsmodells vollziehen, wird dieser Anteil auf jeden Fall noch steigen.
"Nichts Neues", werden Sie sagen. Dieses Phänomen der Tertiärisierung der
Wirtschaft ist fast hundert Jahre alt, denn der Tertiärsektor überholte den
Landwirtschafts- und den Industriesektor in den Industrienationen bereits in den
1930er Jahren.
Warum also besteht die Dominanz des Industriesektors bei der Wirtschaftsanalyse
fort? Der Hauptgrund besteht darin, dass sich der Tertiärsektor nachgelagert zum
verarbeitenden Gewerbe entwickelte und das Aktivitätsniveau im Dienstleistungs-
bereich unmittelbar von jenem im Industriesektor abhängt. Die Industrieaktivität,
die der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe
misst, gilt daher als guter Frühindikator für die Aktivität im Dienstleistungs-
sektor. Aber trifft diese Abhängigkeit des Tertiärsektors vom verarbeitenden
Gewerbe überhaupt noch zu? Je mehr sich in den reifen Volkswirtschaften die auf
Unternehmen und Personen ausgerichteten Dienstleistungen entwickeln, je mehr
sich die Art des Konsums verändert und je weiter die Digitalisierung
voranschreitet, desto weniger offensichtlich ist dies.
Richtet man den Blick vor allem auf die Einkaufsmanagerindizes für den
Dienstleistungssektor, bietet sich bei den Veröffentlichungen der vergangenen
Woche, und breiter gefasst bei Betrachtung der Weltwirtschaft, ein anderes Bild.
Obwohl auch die Zahlen für den Tertiärsektor eine Wachstumsverlangsamung
bestätigen, liegen sie mehrheitlich nach wie vor deutlich über der Schwelle
von 50 (d. h. der Grenze zwischen Expansion und Kontraktion der Wirtschafts-
aktivität). Ihre Pendants für das verarbeitende Gewerbe berühren oder
unterschreiten diese Schwelle. Ein Zeichen dafür, dass es dem Großteil der
Wirtschaft gar nicht so schlecht geht. Eine gute, doch leider kaum beachtete
Nachricht!
Quelle: Investmentfonds.de
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