Investmentfonds.de
07.03.2019:
T. Rowe Price: Vorbereiten für eine populistische Zukunft
Köln, den 07.03.2019 (Investmentfonds.de) -
Nikolaj Schmidt, Chief International Economist bei T. Rowe Price
* Die Finanzmärkte stehen am Anfang einer Ära des Populismus
* Ökonomie des Populismus stellt Herausforderung für Unabhängigkeit der
Zentralbanken, Corporate Governance und Eigentumsrechte dar
* Populistische Rahmenbedingungen werden für Europa zunehmend problematisch
Das Wiederaufleben des Populismus hat unvermittelt die globale Politik in den
vergangenen Jahren umgewälzt. Was das aber für Wirtschaftswachstum und
Finanzanlagen bedeutet, muss sich noch herausstellen. "Obwohl die Märkte schnell
auf einzelne Ereignisse reagieren, haben sie noch nicht verstanden, wie sich der
Populismus langfristig auf die Weltwirtschaft auswirken könnte", warnt
Nikolaj Schmidt, Chief International Economist bei T. Rowe Price.
Investoren stelle das vor die Herausforderung, die Ökonomie des Populismus zu
verstehen, um ihre Portfolien in den kommenden Jahren effektiv zu gestalten.
Populismus als Strukturphänomen
Die Ära des Populismus stehe wahrscheinlich erst am Anfang. "Die Frustrationen
der Wähler werden nicht so bald verschwinden", so Schmidt. Der World Inequality
Report 2018 zeige, dass sowohl die Einkommens- als auch die Vermögensungleichheit
fast überall seit 1980 gestiegen sei. Der Anstieg der Ungleichheit habe sich als
fruchtbarer Boden für den Populismus erwiesen: "Populisten behaupten, dass das
System die Eliten reicher gemacht habe, während Normalbürgern das Geld aus den
Taschen gezogen werde", sagt der Ökonom. "Sie argumentieren, dass der einzige Weg
zur Wiederherstellung von Fairness im System eine von politischen Führern
implementierte, interventionistische Umverteilungspolitik im Namen der Vielen
sei", fasst er das populistische Narrativ zusammen. Das wirtschaftliche
Schlüsselziel von Links- wie Rechtspopulisten sei daher Umverteilung. Diese
Argumente resonierten momentan und würden zu einem tiefgreifenden Politikwandel
führen, der sich für viele weitere Jahre auf die Weltwirtschaft auswirken werde.
"Die Märkte tuen sich schwer, die Langlebigkeit dieses Phänomens vollständig zu
erfassen", gibt Schmidt zu bedenken.
Wirtschaftliche Risiken der Ökonomie des Populismus
"In der Vergangenheit haben populistische Regime eine sehr lockere
Haushaltsführung mit einer Politik verbunden, die direkt die Unabhängigkeit der
Zentralbank, Corporate Governance und Eigentumsrechte herausfordern",
argumentiert Schmidt. Daraus erwachsen mehrere Risiken. Nummer Eins: "Der Druck
auf die Zentralbanken, eine akkommodative Geldpolitik zu verfolgen, führt
üblicherweise zu höheren Inflationserwartungen, steileren Zinskurven, niedrigeren
Realrenditen und Währungsverfall", betont Schmidt. Zweitens reduziere das
Drängen nach einer Einkommensumverteilung sowie höheren Löhnen die Ertragsmargen.
Zusammen mit steigender makroökonomischer Unsicherheit fordere das die
Aktienbewertungen heraus. "Man kann davon ausgehen, dass die Credit Spreads
sowohl für Staats- als auch Unternehmensanleihen ausdehnen, sobald Regierungen
vor dem Hintergrund eines begrenzten fiskalischen Spielraums haushaltspolitisch
expandieren", unterstreicht der Experte. Das Anfangsstadium dieses Politikprofils
könne bereits in US-Präsident Trumps defizitfinanzierten Steuerkürzungen und der
Auseinandersetzung der regierenden populistischen Koalition in Italien mit der EU
erahnt werden. "Es ist besorgniserregend, dass die meisten populistischen
Regierungen, die diese fiskalische Expansion unternehmen, keinen
Haushaltsspielraum dafür haben", mahnt Schmidt.
Folgen für Investoren
Was können Anleger davon erwarten? Aus Schmidts Sicht ist es ein Fehler zu denken,
dass das mögliche Scheitern populistischer Politiker zu einem frühen Niedergang
populistischer Politik führe. "Die Forderungen des Medianwählers nach mehr
Gleichheit und sozialer Mobilität werden so lange nicht zum Schweigen gebracht
werden, bis sie erfüllt sind", zeigt sich der Ökonom überzeugt. Selbst wenn die
erste an die Macht gewählte populistische Regierung daran scheitere, diese
Forderungen zu erfüllen, würden die Wähler eher einen anderen populistischen
Kandidaten wählen als einen Vertreter der etablierten Parteien. "Deshalb sollten
die Marktteilnehmer die Wahl Donald Trumps in den USA, Andrés Manuel López Obradors
in Mexiko oder der Fünf Sterne-Bewegung in Italien nicht als isolierte
Ereignisse betrachten. Vielmehr stellen sie wahrscheinlich nur die ersten einer
Reihe weiterer solcher Wahlsiege dar", unterstreicht der Experte. Zudem würden
amtierende Politiker der etablierten Parteien wahrscheinlich ihre Haltungen
verändern, um die populistische Bedrohung zu adressieren. "Die Volksparteien
werden zu der Feststellung kommen, dass Mitte-Rechts-Parteien weiter nach rechts,
Mitte-Links-Parteien weiter nach links rücken müssen", so der Ökonom. Auf diese
Weise könnten die populistischen Bewegungen einen beträchtlichen Einfluss über
die Politik ausüben, ohne selbst an die Macht zu kommen.
Für die Eurozone würden diese politischen Rahmenbedingungen zunehmend
problematisch: "In Nordeuropa betrachten Rechtspopulisten ihre südeuropäischen
Nachbarn als ,Unterschichtsländer', die durch die nordeuropäischen Steuerzahler
subventioniert werden müssten. Dagegen verfolgen in Südeuropa Linkspopulisten
einen Narrativ, der das Establishment zu einer traditionellen Umverteilung von
Reich zu Arm in Form von Schuldenerlassen drängt", sagt Schmidt. Der wachsende
Rückhalt für populistische Parteien sowohl in Nord- als auch Südeuropa werde die
politischen Bruchstellen weiter unter Druck setzen. "Bestenfalls entpuppt sich
dieser politische Kontext als einer, der den Status Quo erhält", sagt Schmidt.
"Sollte sich herausstellen, dass die populistischen Bewegungen ein strukturelles
Phänomen sind, werden Investoren noch viele Jahre mit den tiefgreifenden
Auswirkungen auf Nationalökonomien und Finanzmärkte fertig werden müssen",
blickt Schmidt in die Zukunft. "In diesem Fall wird aktives Management
wahrscheinlich die effektivste Strategie sein, um die kommende Ära zu navigieren.
Dazu gehört eine starke Betonung eines tiefgehenden Researchs, Vor-Ort-Wissens
und die Fähigkeit, Anlagepositionen schnell zu ändern", resümiert der Ökonom.
Quelle: Investmentfonds.de
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