Investmentfonds.de
27.03.2019:
T. Rowe Price: Countdown zum Brexit - Mögliche Szenarien und ihre Auswirkungen
Köln, den 27.03.2019 (Investmentfonds.de) -
Quentin Fitzsimmons, Fixed Income Portfolio Manager bei T. Rowe Price
und in Großbritannien ansässiger Brexit-Experte
Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) ist
weiterhin für den 29. März terminiert. Unklar ist indes, ob es dazu kommen wird
und unter welchen Umständen. Quentin Fitzsimmons, Fixed Income Portfolio Manager
bei T. Rowe Price und in Großbritannien ansässiger Brexit-Experte, gibt einen
Überblick über den aktuellen Stand der Dinge.
Was hat sich in den vergangenen zwei Wochen verändert? Zunächst wurde
Premierministerin Mays Austrittsabkommen zum zweiten Mal mit deutlicher Mehrheit
abgelehnt. "Die Parlamentarier waren von den neuen rechtlichen Zusagen zum
Backstop, die May mit der EU ausgehandelt hatte, nicht überzeugt", erläutert der
Portfolio Manager. Das Parlament habe dann zwar einen No Deal-Brexit unter allen
Umständen ausgeschlossen. "Die Abstimmung ist jedoch nicht bindend, und nach
derzeit geltendem Recht könnte Großbritannien noch immer ohne einen Deal
austreten", betont Fitzsimmons.
Schlussendlich habe in einer dramatischen Intervention Unterhaussprecher John
Bercow unterstrichen, dass May ihren Deal nicht zu einer dritten Abstimmung
vorlegen könne, sofern der Antrag im Wesentlichen der gleiche sei.
"Die Aussichten für Theresa Mays Deal mit der EU haben sich damit deutlich
verschlechtert", sagt Fitzsimmons. Um das Austrittsabkommen erneut den
Abgeordneten vorlegen zu können, müsse die Regierung einen Weg finden, ihn
wesentlich zu verändern. "Das wird innerhalb des Zeitrahmens schwierig umzusetzen
sein", prognostiziert der Experte. Dadurch sei die Wahrscheinlichkeit sowohl einer
Verlängerung von Artikel 50 als auch eines No Deal-Brexit gestiegen. "Jedoch
müssten einer Verlängerung alle 27 Staats- und Regierungschefs der EU zustimmen,
es ist aber nicht klar, ob sie das tun werden", sagt Fitzsimmons.
Er sieht damit momentan vier Szenarien:
No Deal-Brexit am 29. März
"Sollte die EU einer Verlängerung von Artikel 50 nicht zustimmen oder nur zu
Bedingungen, die London für unakzeptabel hält, und zugleich May nicht in der
Lage ist, ihren Deal dem Unterhaus erneut vorzulegen, scheidet Großbritannien
sehr wahrscheinlich am 29. März ohne Deal aus der EU aus", beschreibt Fitzsimmons
das Szenario. Das bedeute, das Königreich verlasse die EU ohne geltende
Übergangsregelungen sowie ohne Übergangszeitraum. Ein No Deal-Brexit treffe die
Kreditmärkte, schaffe aber auch Investitionsmöglichkeiten bei Unternehmensanleihen,
deren Bewertungen weit unter ihre Fundamentalqualität gefallen seien.
Hinsichtlich des Aktienmarktes argumentiert der Portfolio Manager, dass
Investoren britischer Aktientitel entweder nach greifbaren Anzeichen Ausschau
halten, ob, wann und unter welchen Umständen der Brexit eintreten würde; oder
nach einem Schock, der starken Nachlass und damit Investitionsmöglichkeiten
bringe. "Momentan jedoch haben sie weder das eine noch das andere. Für
Aktienanleger bleibt also nur, abzuwarten", so der Experte. Die umfangreichen
Pfund Sterling-Zukäufe deuteten zudem auf eine weitverbreitete Überzeugung hin,
dass die Währung wahrscheinlich aufgewertet werde. "Sollte es in letzter Minute
zu einem No Deal-Brexit kommen oder zu einer Verlängerung von Artikel 50, was
nicht in die erhoffte Erholungsphase mündet, könnte diese Position jedoch
verwundbar sein", so Fitzsimmons. - Eintrittswahrscheinlichkeit: 50%-
Verlängerung von Artikel 50
Die britische Regierung erreicht eine Verlängerung von Artikel 50, um mit mehr
Zeit einen Deal durch das Parlament billigen zu lassen. "Sollte der Deal vom
Parlament abgesegnet werden, wird Großbritannien die EU um eine kurze technische
Verlängerung des Artikel 50 bitten", so Fitzsimmons. In diesem Fall sei es sehr
wahrscheinlich, dass eine Bitte um Verlängerung durch die EU gewährt werden würde.
Könne die Regierung Mays Deal jedoch nicht erneut dem Parlament vorlegen oder
eine Mehrheit dafür gewinnen, werde sie voraussichtlich um eine lange Verlängerung
von Artikel 50 bitten. "Daran könnten vonseiten der EU jedoch Bedingungen
geknüpft sein - beispielsweise ein weiteres Referendum oder Parlamentswahlen, um
die politische Pattsituation im Land zu lösen", gibt der Experte zu bedenken.
Unternehmen, die als Vorsichtsmaßnahme Bestände an Pfund Sterling aufgebaut haben,
könnten nach einer Verlängerung von Artikel 50 diese abbauen. Das würde in einem
langsameren Wachstum resultieren. - Eintrittswahrscheinlichkeit: 40% -
Austritt mit Mays Deal und einer Patronatserklärung zum Backstop
Das Parlament stimmt letztlich einer modifizierten Version des Deals zu, welchen
die britische Regierung mit der EU ausgehandelt hat. Großbritannien verlässt den
Block dann am 29. März. -Eintrittswahrscheinlichkeit: 10% -
Vorgezogene Neuwahlen
Premierministerin May entscheidet sich, vorgezogene Parlamentswahlen einzuberufen,
um die Mehrheit der regierenden konservativen Partei auszubauen und so eine
Durchsetzung des Deals zu vereinfachen. "Allerdings ist die Zeit für dieses
Szenario mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelaufen", erklärt
Fitzsimmons. - Eintrittswahrscheinlichkeit: 0% -
Quelle: Investmentfonds.de
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