Investmentfonds.de
08.04.2019:
J.P. Morgan AM: Fürsorgliche Notenbanken erfreuen die Märkte
Köln, den 08.04.2019 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, globaler Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management
* Zentralbanken scheinen immer wieder auch kapitalmarktabhängig zu agieren
* Nebenwirkungen wie Vermögenspreisblasen und steigende Rentenlücke drohen
* Anleger sollten möglichst breit gestreut investieren
Die US-Zentralbank Federal Reserve hat die Phase der Zinserhöhungen vorerst beendet.
Der US-Leitzins liegt derzeit zwischen 2,25 und 2,5 Prozent; angesichts der
aktuellen Inflation von zwei Prozent ergibt dies einen realen Leitzins nur knapp über
der Nulllinie. In Europa hat die EZB trotz fünfjähriger Wachstumsphase in der
Eurozone gar nicht erst mit Zinserhöhungen begonnen und der reale Leitzins ist mit
minus einem Prozent tief negativ. Nach Ansicht von Tilmann Galler, globaler
Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, ist diese anhaltende
Niedrigzinssituation trotz langjähriger Wachstumsphasen bemerkenswert.
"Die jüngsten Ergebnisse der Notenbanksitzungen in den USA und in Europa legen nahe,
dass es das Phänomen der überfürsorglichen Helikopter-Eltern auch auf den
Kapitalmärkten gibt. Doch es ist an der Zeit, dass die Notenbanken ihren
Beschützerinstinkt für die Wirtschaft und die Märkte mäßigen, sodass die Wirtschaft
wieder lernt, auf eigenen Füßen zu stehen", betont Galler. Andernfalls drohen
langfristig die Ungleichgewichte und Risiken überhandzunehmen.
Verdacht: Zentralbanken agieren kapitalmarktabhängig
Als Begründungen für die anhaltende Niedrigzinspolitik nennen die Notenbanken dies-
und jenseits des Atlantiks laut Galler vor allem Wachstumssorgen, zu niedrige
Inflation und politische Risiken wie Handelskonflikte, Brexit sowie Streit um die
Fiskalpolitik. Wann immer sich die makroökonomischen Daten veränderten, würde die
Geldpolitik entsprechend angepasst, um Schaden von der Wirtschaft abzuwenden.
"Jedoch sind die Zentralbanken immer wieder auch zur Stelle, wenn es an den
Finanzmärkten kracht. Das nährt den Verdacht, dass sie eben auch kapitalmarktabhängig
agieren", erklärt Galler. Der Erfolg scheint den Notenbankern bisher Recht zu geben:
Die US-Wirtschaft ist auf dem Weg zur längsten Expansionsphase der letzten hundert
Jahre, der Euro ist nicht auseinandergebrochen und die Börsen haben sich prächtig
entwickelt.
Gravierende Nebenwirkungen: Vermögenspreisblasen, Ungleichverteilung von
Vermögen, falsche Anreize
Die Geldpolitik der Notenbanken führt nach Meinung von Tilmann Galler allerdings zu
gravierenden Nebenwirkungen. Zum einen befeuerten anhaltend niedrige Realzinsen
Vermögenspreisblasen auf breiter Basis: Immobilien, Anleihen und Aktien befinden
sich im historischen Vergleich auf erhöhten Bewertungsniveaus. Demgegenüber führt
traditionelles Sparen zu einem kontinuierlichen realen Vermögensverlust.
Insbesondere einkommensschwächere Schichten der Gesellschaft würden dadurch getroffen,
die in der Regel weniger reale Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien besitzen.
"Die Ungleichverteilung der Vermögen in der Gesellschaft nimmt durch die
Niedrigzinspolitik zu. Auch beim Thema Altersvorsorge steigt aufgrund niedrigerer
Ertragsaussichten das Risiko einer wachsenden Rentenlücke", sagt Tilmann Galler.
Als größte Gefahr sieht Tilmann Galler das Setzen falscher Anreize durch die
Niedrigzinspolitik. Für Unternehmen sei es verlockend, eine höhere Rentabilität und
riskante Akquisitionen durch mehr Schulden zu finanzieren. Die Verschuldung der
Nichtfinanzunternehmen in Relation zum BIP ist demnach weltweit seit der Finanzkrise
angestiegen. Auch die Finanzminister nützten die Geldpolitik zunehmend, um die
Ersparnis der Zinszahlungen für zusätzliche Wohltaten bei der Wählerschaft auszugeben.
Geldpolitisches Perpetuum Mobile ist eine Illusion - Anleger sollten auf
breite Streuung setzen
Vertreter der "Modernen Geldtheorie" behaupten sogar, dass mehr Verschuldung kein
Problem sei. Erstens wegen des niedrigen Zinsaufwands und zweitens weil im Fall der
Fälle die Notenbank die Finanzierung durch Gelddrucken übernehmen könne. Nach Ansicht
von Tilmann Galler funktioniere die Symbiose zwischen Finanzministerium und Notenbank
nur dann, wenn die staatlich induzierte Nachfragesteigerung nicht inflationär sei.
Bisher wäre das aufgrund von drei deflationären Kräften der Fall: Globalisierung der
Produktion, Welthandel und steigende Ungleichheit der Einkommen. "Der fortgeschrittene
Stand dieser Entwicklungen und die jüngsten Weichenstellungen in der Politik deuten
darauf hin, dass diese deflationären Kräfte zukünftig schwächer werden und damit die
Inflationsgefahren steigen", erklärt Tilmann Galler. Das neue geldpolitische Perpetuum
Mobile werde damit zu einer Illusion. Wann die Notenbanken ihren Beschützerinstinkt für
die Wirtschaft aufgeben dürften, sei jedoch nicht absehbar. "Den Anlegern bleibt derzeit
nichts anderes übrig, als den Anteil ihrer Vermögensanlagen mit negativer Realrendite so
gering wie möglich zu halten - sprich "sichere Anlagehäfen" zu meiden - und das damit
verbundene höhere Risiko durch eine breite und globale Diversifikation zu mindern",
empfiehlt Tilmann Galler.
Quelle: Investmentfonds.de
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