Investmentfonds.de
16.04.2019:
LFDE Macroscope: Warten ist das Gebot der Stunde
Köln, den 16.04.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, CIO bei LFDE - La Financière de l´Echiquier
Warten ist das Gebot der Stunde
Nach einem fulminanten Monatsanfang schlossen die Aktienmärkte die vergangene Woche
nahezu unverändert - eine Woche, die vor allem von einem Wort geprägt war: abwarten.
Abwarten insbesondere in der Brexit-Frage. Trotz der Skepsis Frankreichs
beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, dem Vereinigten
Königreich eine flexible Verschiebung des Brexit-Termins zu gewähren. Während der
Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, eine Verschiebung um bis zu zwölf
Monate vorgeschlagen hatte, einigte man sich schließlich auf eine Frist von höchstens
sechs Monaten, d. h. bis zum 31. Oktober 2019. Die einzige von der EU verlangte
Gegenleistung ist die Teilnahme des Vereinigten Königreichs an der Europawahl.
Somit bleiben drei Szenarien: eine Annahme des im letzten November vereinbarten
Abkommens ohne Neuverhandlung, ein Rücktritt von Artikel 50 und somit der
Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU oder ein harter Brexit am 31. Oktober.
Diese Verschiebung, die nach Donald Tusks Vorschlag aus der Vorwoche erwartet worden
war, verhindert zwar, sich von Stichtag zu Stichtag zu hangeln, erlaubt jedoch auch
keine deutlichen Fortschritte.
Abwarten auch seitens der EZB. Nach der letzten Sitzung der Zentralbank am
Mittwoch zeigte ihr Präsident eine verbale Zurückhaltung, die fast einer Stilübung
gleichkam. Während die Anleger auf nähere Erläuterungen zu den neuen längerfristigen
Refinanzierungsgeschäften für Banken (TLTRO 3) gehofft hatten, begnügte sich Mario
Draghi hinsichtlich ihrer Modalitäten mit einem Verweis auf die nächste Sitzung.
Zudem sagte er, dass diese von der Entwicklung der Kreditvergabe im Privatsektor
und den Wirtschaftsaussichten abhängen. Nichts Neues also. Auch die in der Presse
zuvor diskutierte Maßnahme zum Ausgleich der unheilvollen Auswirkungen der
Negativzinsen auf den Bankensektor wurde nicht weiter erörtert. Mario Draghi setzte
sogar alles daran, das Wort „Tiering“ nicht auszusprechen, das für die Möglichkeit
steht, die Banken von der Zahlung eines Zinssatzes von 0,40 Prozent pro Jahr an die
EZB auf einen Teil ihrer überschüssigen Liquidität zu befreien. Wie er selbst
bekräftigte, stand bei dieser Sitzung demnach die Analyse der Wirtschaftsaussichten
im Mittelpunkt, und nicht irgendeine zu treffende Entscheidung. Mit anderen Worten
hält die EZB eine Konjunkturerholung im zweiten Quartal für möglich und bleibt geduldig,
bevor sie einen noch lockereren Kurs einschlägt.
Abwarten schließlich auch seitens der Märkte. Die Woche geizte aus
gesamtwirtschaftlicher Sicht, bei der (Geo-)Politik und bei den Zentralbanken nicht mit
Nachrichten. Allerdings gibt die Berichtssaison der Unternehmen, die am Freitag mit den
Ergebnismeldungen der US-Banken JP Morgan und Wells Fargo begann, Anlass zu einer
gewissen Vorsicht. Einerseits wurden die Erwartungen für den Gewinn je Aktie in den
vergangenen Wochen deutlich nach unten korrigiert. Andererseits versuchen die Anleger,
in den Berichten der US-Banken, die den Reigen der Ergebnismeldungen für das erste
Quartal eröffnen, Hinweise auf Rezessionsgefahren in den USA und insbesondere auf
Risiken bei den Kreditausfallquoten (vor allem im Konsumsektor) zu erkennen.
Ein generelles, doch wenig überraschendes Abwarten also, während fast alle großen
Aktienindizes weltweit seit Jahresbeginn zweistellige Zuwächse verzeichnen.
Quelle: Investmentfonds.de
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