Investmentfonds.de
16.05.2019:
Märkte mit Mumm - Globale Konjunktur: positives erstes Quartal 2019, verhaltene Aussichten
Köln, den 16.05.2019 (Investmentfonds.de) -
Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel
Anfang April gab es zunächst einige Entspannungssignale. Vor allem in China wurde die
schon länger erkennbare wirtschaftliche Belebung durch die Veröffentlichung des mit
6,4% stärker als erwartet ausgefallenen Wachstums des Bruttoinlandsproduktes (BIP)
für das erste Quartal bestätigt. Auch der überraschend deutliche Anstieg der
Industrieproduktion im März (+8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) belegte, dass ein
abruptes Abbrechen der chinesischen Wirtschaftsdynamik (hard landing) vorerst
vermieden werden konnte. Die April-Daten zur Industrieproduktion zeigten jedoch ein
schwächeres Wachstum von nur noch 5,4 Prozent - abgesehen von März 2016 der niedrigste
Wert seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009. Unter den Erwartungen lagen im April
auch die Wachstumsraten der Anlageinvestitionen und der Einzelhandelsumsätze (+6,1 bzw.
+7,2 Prozent jeweils im Vergleich zum Vorjahr).
Das US-BIP übertraf mit einem Wachstum in Höhe von 3,2% im ersten Quartal ebenfalls
die Erwartungen. Auch der April-Arbeitsmarktbericht fiel mit 263.000 neu geschaffenen
Stellen außerhalb der Landwirtschaft und einer auf 3,6 Prozent gesunkenen
Arbeitslosenquote unerwartet positiv aus. Trotzdem ist davon auszugehen, dass das
US-Wachstum in den folgenden Quartalen schwächer ausfallen wird, da die Dynamik zuletzt
vor allem auf sinkenden Importen, steigenden öffentlichen Ausgaben (v.a. für Rüstung)
und einem deutlichen Lageraufbau basierte. Entsprechend enttäuschten sowohl die
Einzelhandelsumsätze als auch die Industrieproduktion mit Rückgängen um 0,5 bzw. 0,2
Prozent im April die Erwartungen. Zusammen mit konjunkturellen Warnsignalen, wie der
weiterhin flachen Zinsstruktur, dem niedrigen Geldmengenwachstum und der nachlassenden
Dynamik des privaten Konsums erhöht sich der Druck auf US-Präsident Trump, zeitnah
konkrete Ergebnisse im laufenden Handelskonflikt mit China zu erreichen.
br>
Die Hoffnung auf einen Deal zwischen China und den USA beim letzten Aufeinandertreffen
der Verhandlungspartner in Washington ist jedoch geplatzt. Dass in der Folge beide
Seiten sogar die gegenseitigen Handelsbeschränkungen erhöhten, zeigt die besondere
Schwierigkeit dieses Prozesses: es geht um mehr als nur Zölle. Vielmehr stehen
Technologieführerschaften, offene Marktzugänge, der Schutz geistigen Eigentums,
staatliche Unterstützung von Unternehmen und schließlich die anstehende Neuordnung der
globalen wirtschaftlichen Rangordnung auf dem Spiel. Mit einer Teil-Einigung dürfte
nunmehr frühestens am Rande des G20-Gipfels in Osaka Ende Juni zu rechnen sein.
Übergeordnet war die wirtschaftliche Dynamik im ersten Quartal auch in Deutschland
und der Eurozone mit einem BIP-Wachstum in Höhe von jeweils 0,4 Prozent positiv.
Vor allem der ausgelastete Arbeitsmarkt und damit der Konsum stützten die wirtschaftliche
Entwicklung hierzulande. Die letzten ifo-Geschäftsklimaindizes belegten jedoch eine
Zweiteilung: im Verarbeitenden Gewerbe sinken die Erwartungskomponenten der Unternehmen
immer weiter, während sie im Handel, im Bau und bei den Dienstleistungen anhaltend hoch
sind. Getrübt bleibt die Stimmung in der deutschen Industrie zusätzlich durch wiederholte
Androhungen möglicher Strafzölle für europäische Autoexporte durch die US-Regierung.
Die Bundesregierung revidierte folgerichtig auch ihre Wachstumsprognose für das Gesamtjahr
2019 auf nur noch 0,5 Prozent nach unten.
Die weiteren globalen Konjunkturperspektiven bleiben gemischt. Eine Verlangsamung des
Wachstums in der Volksrepublik China ist angesichts des mittlerweile erreichten höheren
Wohlstandsniveaus der chinesischen Bevölkerung normal. Auch der von der Regierung
vorangetriebene Umbau der Volkswirtschaft von der rein exportorientierten Massenproduktion
auf mehr Binnennachfrage und technologisch hochwertige Produkte lässt die Wachstumsraten
sinken. Dieser strukturelle Bremseffekt sollte jedoch im Sinne der globalen
Wirtschaftsdynamik nicht zu schnell verlaufen, denn China trägt aktuell ca. ein Drittel
zum weltweiten Wirtschaftswachstum bei. Gerade exportorientierte Staaten wie Deutschland
und viele Schwellenländer sind von einer weiter stark wachsenden chinesischen
Volkswirtschaft abhängig.
Zusätzlich belasten global der Handelskonflikt und die zunehmenden Spannungen im Nahen
Osten sowie in Europa der verlängerte Brexit-Prozess. Positiv wirkt demgegenüber derzeit
nahezu ausschließlich die überwiegend expansive Ausrichtung vieler Notenbanken.
Vor diesem Hintergrund ist eine weitere Konsolidierung an den internationalen Aktienmärkten
in den kommenden Monaten wahrscheinlich. Angesichts des schon heute kaum vorhandenen
Inflationsdrucks werden Eurozinsen auf den niedrigen Niveaus verharren.
Quelle: Investmentfonds.de
|