Investmentfonds.de
03.06.2019:
Vontobel: Handelsstreit zwischen den USA und China - Kraftprobe oder offener Schlagabtausch?
Köln, den 03.06.2019 (Investmentfonds.de) -
Roger Merz, Head of mtx Portfolio Management bei Vontobel Asset Management
Der Handelskonflikt zwischen den USA und China stellt auch weiterhin den
größten Risikofaktor für Schwellenländeraktien dar
Die handelspolitische Auseinandersetzung kann voraussichtlich noch Monate
oder sogar Jahre anhalten
Bewegen sich Washington und Peking auf einen ernsthaften Handelskrieg zu oder
treten sie bei einer gewaltfreien Kraftprobe gegeneinander an? Wir denken, dass
Letzteres der Fall ist, und raten vorerst dazu, Ruhe zu bewahren. Zwar schwächeln
chinesische Aktien; ihre derzeitigen Bewertungen sind jedoch nicht unattraktiv.
Der Zeitpunkt ist deshalb günstig, einen genaueren Blick auf die aktuelle Situation
zu werfen.
Als Bottom-up-Anleger betrachten wir das Geschehen gerne aus nächster Nähe.
Auch wenn es Turbulenzen gibt: Solange diese keine spürbaren Auswirkungen auf die
Unternehmen haben, die wir im Blick haben, sind wir nicht allzu besorgt. Trotz der
Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA und China bleibt unser Portfolio
asiatischer Aktien vorerst unverändert, und dies gilt auch für chinesische Titel.
Wir glauben, dass es derzeit keinen Grund gibt, Risiken abzubauen oder die Gewichtung
von Schwellenländerunternehmen zu verringern. Obwohl die beiden Großmächte ihre
Position im Ring bereits eingenommen haben, ist unserer Auffassung nach eine
handelspolitische Lösung immer noch möglich. Wann sich diese eröffnen wird, ist
allerdings ungewiss.
Die Handelsspannungen sind auch weiterhin der größte Risikofaktor für
Schwellenländeraktien. Wahrscheinlich waren die Anleger mit Blick auf die Ergebnisse
der Verhandlungen zwischen den USA und China zu Beginn des Jahres etwas zu optimistisch.
Dieser Optimismus beflügelte die Finanzmärkte trotz kontinuierlicher Abwärtskorrekturen
der Gewinne je Aktie - Analysten haben jedoch ihre Ergebnisprognosen seit Jahresbeginn
um zehn Prozent gesenkt.
Verliert Peking zuerst die Nerven?
Bei jeder Kraftprobe geht es darum, die Nerven zu bewahren. Auf den ersten Blick
befindet sich Washington in einer guten Position, um maximalen Druck auf seinen
chinesichen Rivalen auszuüben. Als weltweit führende Verbrauchernation sitzen die USA
am längeren Hebel und können Strafsteuern auf chinesische Importe im Wert von Hunderten
Milliarden US-Dollar erheben, die sie bislang nicht ins Visier genommen haben
(siehe Grafik). Es bleibt abzuwarten, ob Peking bei diesem Spiel die Nerven behalten
wird. China könnte einen direkten Treffer vermeiden, indem das Land beispielsweise
zusätzliche und effektivere Schritte zur Ankurbelung seiner Wirtschaft einleitet.
So hat erst kürzlich die chinesische Zentralbank ihre Geldpolitik gelockert. Jetzt
könnten die Behörden zudem damit beginnen, Liquidität für das Bankensystem
bereitzustellen, die Infrastrukturausgaben zu erhöhen und den privaten Konsum anzukurbeln.
Weiterhin gehen wir davon aus, dass die Handelsspannungen voraussichtlich noch Monate
oder sogar Jahre anhalten werden. Unserer Ansicht nach wird der Einfluss auf die
Fundamentaldaten der Unternehmen zunehmen, je länger die handelspolitische Unsicherheit
anhält. Fakt ist jedoch auch, dass beide Parteien letztlich eine Einigung brauchen, um
ihre innenpolitischen Angelegenheiten, wie das nachlassende Wirtschaftswachstum in China
oder die Präsidentschaftswahlen in den USA, bewältigen zu können. Darüber hinaus würden
die Aktienmärkte darunter leiden, wenn der Streit außer Kontrolle geriete - ein Szenario,
das beide Parteien belasten würde.
Ein Abwarten und Beobachten der Entwicklung kann zwar eine Strategie für Anleger
darstellen, jedoch nicht auf lange Sicht. Letztendlich werden die Anleger eine
Entscheidung treffen müssen. So könnten sie den Blick auf die Bewertungen richten.
Die chinesischen Aktienkurse sind zuletzt so stark gefallen, dass die Bewertungen an
Attraktivität gewinnen und das Abwärtsrisiko begrenzt erscheint - die Gefahr eines
offenen Handelskriegs ausgenommen.
Schwerpunkt auf Qualitätsaktien - Erkennen von Anlagemöglichkeiten
Doch was bedeutet dies nun für uns? Wir halten an unserer Anlagestrategie fest und
konzentrieren uns auf Unternehmen mit unternehmensspezifischen Ertragsimpulsen und einer
begrenzten Anfälligkeit gegenüber der makroökonomischen Entwicklung. Wie in den
vergangenen Jahren konzentrieren wir uns auf führende Unternehmen, die voraussichtlich
die Rendite auf das investierte Kapital (ROIC) steigern werden und deren Bewertungen wir
als attraktiv einschätzen. Die jüngste Korrektur der Schwellenmarktaktien könnte zudem
eine Gelegenheit darstellen, wieder hochwertige Titel ins Visier zu nehmen. Dies könnte
eine solide Strategie sein, um eine Verstrickung in den Konflikt zwischen den USA und
China zu vermeiden.
Quelle: Investmentfonds.de
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