Investmentfonds.de
06.06.2019:
J.P. Morgan AM: Im Handelskonflikt hat der Konsument den Schaden
Köln, den 06.06.2019 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Executive Director, CEFA/CFA bei
J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt
Eskalationsfaktoren von beiden Seiten - USA und China
Kampf um die globale Führungsrolle im Technologiesektor
Anleger sollten auf ausgewogene Portfolios achten
Der Handelskonflikt zwischen den USA und China hat eine neue Eskalationsstufe
erreicht und neben den Kapitalmärkten nun auch die Rohstoffmärkte erreicht:
Die Rhetorik der Kontrahenten verschärft sich und China überlegt zusätzlich zu
den Vergeltungszöllen, den Export von "seltenen Erden" als "wichtige strategische
Ressource" zu begrenzen. Auslöser der aktuellen neuen Welle des Konflikts war die
Ankündigung der US-Regierung, den Zoll auf chinesische Waren im Wert von
200 Milliarden US-Dollar von 10 Prozent auf 25 Prozent anzuheben - was zum 10. Mai
erfolgt ist. Darüber hinaus wurde angedroht, alle verbliebenen Importe in Kürze mit
einem 25-prozentigen Zoll zu belegen. Schon heute zeigt sich: "Im Gegensatz zur
Behauptung aus Washington sind es nicht die Chinesen, die die höheren Zölle bezahlen,
sondern die Konsumenten und Unternehmen", unterstreicht Tilmann Galler, globaler
Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Die globalen Aktienmärkte
haben seit dem Scheitern der Handelsgespräche mit Kursverlusten reagiert, während
die Renditen von US-Staatsanleihen auf den niedrigsten Stand seit 2017 gefallen sind.
Viele befürchten nun, dass der Konflikt noch länger andauern wird und die Fed
gezwungen sein wird, die Zinsen noch in diesem Jahr zu senken.
Führungsrolle der USA im Tech-Sektor in Gefahr
Eine Ursache für die zunehmende Eskalation im Handelskonflikt liegt nach Ansicht von
Tilmann Galler vor allem darin, dass China mit allen Mitteln den Sprung zum
Hochtechnologieführer und zur Cyber-Großmacht schaffen möchte. Neben dem Einkauf von
Technologie-Know-how aus dem Ausland soll die partielle Abschottung des heimischen
Hochtechnologiesektors gegen ausländische Konkurrenz die Entstehung nationaler
Champions ermöglichen. "Auch 18 Jahre nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation
WTO hat China sein Versprechen nicht eingelöst, einen freien Handel ohne
Diskriminierung und Barrieren sowie die Förderung eines fairen Wettbewerbs zu
gewährleisten. Auch beim Schutz des geistigen Eigentums, erzwungenem Technologietransfer
und Software-Piraterie liegt China im internationalen Vergleich noch immer im unteren
Drittel. Gleichzeitig hat sich seit dem WTO-Beitritt das Exportvolumen Chinas
verzehnfacht", analysiert Tilmann Galler. Der Erfolg von Unternehmen wie Alibaba, Baidu,
Tencent und Huawei scheine Peking in seiner Politik zu bestätigen. "Für die USA jedoch
ist diese Strategie ein Frontalangriff auf ihre Führungsrolle im Technologiesektor",
sagt Galler.
Negative Folgen für das weltweite Wirtschaftswachstum
Für das Wirtschaftswachstum in der Welt hat die neue konfrontative Handelspolitik der
USA nach Ansicht von Tilmann Galler negative Folgen. "Zwar ist der unmittelbare
Schaden, der von den Zöllen ausgeht, relativ moderat. Die Zweitrundeneffekte für die
Wirtschaft sind jedoch viel gravierender", erklärt Galler. Mit der Einführung der
ersten US-Zölle im vergangenen Jahr hat sich demnach die Stimmung im verarbeitenden
Gewerbe weltweit erheblich verschlechtert. Das Volumen des Warenverkehrs im Welthandel
ist im Februar 2019 erstmalig seit der Finanzkrise wieder gefallen und die wachsende
Unsicherheit über die zukünftige Nachfrage führt zu einer Investitionszurückhaltung.
Im Fall einer weiteren Eskalation, die auch die Automobil-Importe beträfe, würde der
effektive Zollsatz der USA auf den höchsten Stand seit 1946 steigen. In diesem Szenario
könnte sich das globale Wachstum zwischen 0,4 und 0,6 Prozent abschwächen. Das hätte
auch negative Folgen für die Unternehmensgewinne. Die aktuellen Konsenserwartungen von
10 Prozent Gewinnwachstum für das nächste Jahr wären in diesem Fall illusorisch.
Den Schaden hat der Konsument
Eine weitere Folge von Zöllen ist das Ansteigen der Inflation. Die Rechnung der
steigenden Preise hätten nach Ansicht von Tilmann Galler somit die Konsumenten und
Unternehmen zu bezahlen, nicht die Chinesen. Ein gutes Beispiel sei die Auswirkung
der Zölle auf den US-Waschmaschinenmarkt. Der Absatz günstiger Importware fiel um
31 Prozent, wodurch sich die Preise um durchschnittlich 12 Prozent erhöht haben.
Die Amerikaner mussten deshalb 2018 schätzungsweise 1,2 Milliarden US-Dollar mehr für
ihre Wachmaschinen ausgeben als im Vorjahr. "Doch auch für die Unternehmen ist ein
Handelskrieg keine gute Nachricht. Erstens führen steigende Inputpreise zu höheren
Kosten und zweitens mindern Vergeltungsmaßnahmen der Handelspartner die Umsätze aus
dem Ausland", erläutert Galler.
Die Aktienmärkte haben lange auf eine zumindest partielle Einigung zwischen Washington
und Peking gehofft. "Die Voraussetzung dafür wäre, dass erstens China bereit ist, einen
fundamentalen Wechsel in seiner Wirtschaftspolitik zu vollziehen und zweitens die
Vereinigten Staaten zukünftig einen moderateren Kurs bei den politischen Maßnahmen und
in der Rhetorik gegenüber China einschlagen", erklärt Galler. "Nach unserer Einschätzung
stehen die Chancen dafür bei etwas über 50 Prozent. Für Investoren ergibt sich
entsprechend eine sehr binäre Situation, weshalb wir zurzeit eine ausgewogene Mischung
zwischen risikoreichen Investments und defensiven Anlagen für sinnvoll erachten,"
so Gallers Fazit.
Quelle: Investmentfonds.de
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