Investmentfonds.de
10.07.2019:
LFDE Macroscope: Ist bei den Renditen die Talsohle erreicht?
Köln, den 10.07.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei
LFDE-La Financière de l'Echiquier
Vergangene Woche gab es ein Zeichen, das Bände spricht: Die Rendite für
10-jährige Bundesanleihen sank vergangenen Donnerstag im Laufe des Handelstages
unter den von der Europäischen Zentralbank (EZB) festgelegten Einlagesatz von
-0,40 Prozent. Das bedeutet, dass es für Banken nun teurer ist, vom deutschen
Staat begebene Anleihen zu halten, als ihre liquiden Mittel bei der EZB zu
hinterlegen. Dies spiegelt zunächst eine reale Verknappung von AAA-gerateten
Vermögenswerten wider, zeigt jedoch vor allem die Erwartungen der Anleger auf
immer niedrigere Zinsen. Nun, da die 10-jährigen Bundesanleihen bei fast -0,40
Prozent rentieren und das US-Pendant erstmals seit 2016 unter die Marke von
2 Prozent gesunken ist, stellt sich die Frage, ob die Renditen noch weiter
abrutschen können.
In den USA ist dies durchaus möglich, denn die Rendite für 10-jährige Anleihen
liegt noch deutlich über ihren historischen Tiefs (1,36 % Mitte 2016).
Der Leitzins der US-Notenbank lag damals jedoch zwischen 0,25 und 0,50 Prozent.
Heute liegt er hingegen zwischen 2,25 und 2,50 Prozent. Selbst wenn das von den
Märkten erwartete Szenario eintritt und die Fed die Zinssätze in diesem Jahr wie
erwartet bis zu dreimal senkt, wird dies den Leitzins lediglich auf eine
Bandbreite von 1,50 bis 1,75 Prozent absenken. Wenn man zudem frühere Zeiträume
heranzieht, in denen die Zehnjahresrendite wie heute deutlich unter den Leitzins
der Fed abgesackt ist (1989 und 2001), wird man feststellen, dass sich die
Zehnjahresrendite stabilisiert hat, als die Zentralbank mit der Senkung ihrer
Zinssätze begann.
Kurzfristig könnten die Renditen auf US-Langläufer daher noch weiter sinken.
In den aktuellen Ständen sind die nächsten Maßnahmen der Fed jedoch bereits zu
großen Teilen vorweggenommen. Mit Blick auf die Vergangenheit ist es wahrscheinlich,
dass sie nicht viel weiter sinken werden, sobald der Gouverneursrat die erste
Zinssenkung vorgenommen hat.
Für Europa ist die Analyse deutlich komplexer, vor allem weil die Situation völlig
neuartig ist: Die Renditen liegen in Europa auf historischen Tiefs, und das Abrutschen
der 10-jährigen Bundesanleihe unter den Einlagesatz der EZB ist eine Premiere.
Mit der Ernennung der als Verfechterin einer lockeren Geldpolitik geltenden
Christine Lagarde zur Nachfolgerin von Mario Draghi scheint klar, dass die EZB
ihren Einlagesatz in den nächsten Monaten senken wird. Eine Annahme, die durch
mehrere Erklärungen und Aussagen von EZB-Mitgliedern gestützt wird.
Während die gesamtwirtschaftliche Lage nach wie vor mau ist und die
Inflationserwartungen wieder sinken, besteht Unsicherheit eher im Hinblick auf
den Zeitpunkt (Ende Juli oder im Herbst) und den Umfang (10 oder 20 Basispunkte) als
auf die eigentliche Durchführung dieses Schritts. Der Schritt selbst dürfte an
Maßnahmen geknüpft werden, die die nachteiligen Folgen der Negativzinsen auf die
Bankenbranche eindämmen sollen. Zudem wird von Woche zu Woche das Szenario
wahrscheinlicher, dass die EZB ihre Wertpapierkaufprogramme wiederaufnehmen wird,
auch wenn dies noch etwas auf sich warten lassen dürfte. Auch wenn in den aktuellen
Niveaus, wie etwa in den USA, die nächsten geldpolitischen Entscheidungen zu einem
großen Teil eingepreist sind, ist es wahrscheinlich, dass die Renditen in der Eurozone
weiter sinken werden. Die 10-jährige Bundesanleihe könnte beispielsweise mit der
10-jährigen Anleihe der Schweiz gleichziehen (-0,65 %).
Obwohl ein gutes Stück des Weges bereits zurückgelegt ist, besitzen Staatsanleihen
der Kernländer in einem Portfolio weiterhin Potenzial. Interessant erscheint zwecks
Diversifizierung dennoch eine Betrachtung der europäischen Peripherieländer
(insbesondere Italiens), wo es weiterhin ein Potenzial zur Verringerung des Spread
(Renditeabstand zu den Kernländern) gibt. Gleiches gilt für Schwellenländeranleihen,
deren Carry nach wie vor deutlich positiv ist und die von den Zinssenkungen der Fed
und der EZB sowie einer wahrscheinlichen Dollar-Abschwächung profitieren dürften.
Quelle: Investmentfonds.de
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