Investmentfonds.de
15.07.2019:
Vontobel: Die brasilianische Rallye ist noch lange nicht vorbei
Köln, den 15.07.2019 (Investmentfonds.de) -
Thierry Larose, Senior Portfoliomanager, Vontobel Asset Management
Die brasilianischen Märkte sind im Aufschwung, nachdem ein Schlüssel-Gesetz
zur Rentenreform kurz vor der Winterpause des Kongresses eine große Hürde
genommen hat - und dies mit grösserer Mehrheit als erwartet
Der brasilianische Real hat gegenüber dem US-Dollar noch einiges an
Aufwertungspotenzial, da seine Erholung bisher durch lokale Investoren ausgebremst
wurde, die durch Long-Positionen in US-Dollar ihre lokalen Anleihen- und
Aktienpositionen absichern wollen
Brasilianische Kurzfristzinsen könnten weiter fallen
Lange Zinsen (nominal und real) haben jetzt ein faires Niveau erreicht
Zu Beginn des Jahres ging der brasilianische Real (BRL) auf Talfahrt, bevor er
in der zweiten Maihälfte zu einer Rallye ansetzte, um alle vorherigen Verluste
wieder wettzumachen. Die Anleger, die den Dip gekauft haben, können jetzt einige
Gewinne verzeichnen. Zwischen dem 20. Mai und dem 11. Juli hat der BRL gegenüber
dem US-Dollar (USD) (inkl. Carry) rund 10 Prozent und lokale Anleihen und Aktien
14 bzw. 25 Prozent zugelegt (inkl. 10 Prozent FX-Aufwertung). Es ist zwar nie
eine schlechte Idee, ein paar Chips vom Tisch zu nehmen, aber wir glauben, dass
die Rallye noch einiges an Schwung aufnimmt.
Die Hauptgründe für die Euphorie
Trotz der angeschlagenen Wirtschaft des skandalanfälligen Landes feiern die
Anleger die lang ersehnte Rentenreform, die am 10. Juli im Parlament ihre wichtigste
Hürde genommen hat. Dies hat die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Gesetzesentwurf
auch die Zustimmung des Senats erhält, was den Weg für erhebliche staatliche
Einsparungen und eine Verbesserung der Schuldenquote des Landes ebnen würde. Die
Märkte stiegen aufgrund dieser Nachricht aus zwei Gründen. Zum einen war der Zeitpunkt
ideal, da der Gesetzesentwurf kurz vor der Parlamentspause Anfang nächster Woche
verabschiedet wurde. Zum anderen wurden staatliche Einsparungen in Höhe von
800-900 Milliarden Reaís durchgewunken. Dieser Betrag ist viel höher, als es Analysten
erwartet hatten. Diese hatten vor allem befürchtet, dass der Gesetzesentwurf
schlussendlich verwässert wird und jeglichen reformativen Elan verliert. Mittlerweile
hat der Marktoptimismus so weit zugenommen, dass für andere wesentliche Reformen
wie die Steuerreform und die Liberalisierungsagenda ähnlich positive Ergebnisse erwartet
werden. Dieser Durchbruch bei der Rentenreform erlaubt es der Zentralbank endlich,
einen geldpolitischen Lockerungszyklus mit Zinssenkungen von rund 100 Basispunkten
(Bp) bis Ende des Jahres einzuleiten, um der Wirtschaft einen Schub zu geben. Mit der
Aussicht, dass Brasilien wieder auf den Wachstumspfad zurückkehrt, initiierten lokale
Investoren die Rallye, was wieder internationale Investoren anzieht, die nun vermehrt
an die brasilianischen Märkte zurückkehren.
Die Rallye nutzen
Die brasilianische Rallye ist noch lange nicht vorbei. Anleger, die dem Reiz, jetzt
Gewinne einzustreichen widerstehen können, tun gut daran, noch etwas länger dabei zu
bleiben. Brasilien ist eines der wenigen Schwellenländer, dessen wachstumsfördernde
Reformagenda noch anhält und das das Potenzial hat, mehr Crossover-Investoren, die in
brasilianische Vermögenswerte investieren könnten, zu gewinnen. Der BRL verfügt nach
wie vor über ein erhebliches Aufwärtspotenzial. Einerseits dank der gesunden
Zahlungsbilanz des Landes und unterstützender Terms of Trade. Andererseits, weil
lokale Investoren seine Aufwertung bisher behindert haben, indem sie in
Long-Dollar-Positionen drängten, um ihre LongAktien- und Anleihenpositionen in BRL bis
zu einem gewissen Grad abzusichern. Das vordere Ende der lokalen Zinskurve scheint nach
wie vor attraktiv zu sein, da wir erwarten, dass der SELIC-Zinssatz im ersten Quartal
des nächsten Jahres 5 Prozent erreichen könnte, was 150 Basispunkte unter dem
aktuellen Niveau und 50 Basispunkte unter dem Level liegt, das der Markt derzeit für
das Ende des Lockerungszyklus einpreist. Gleichzeitig sieht das lange Ende der
nominalen Kurve fair aus, und wir erwarten nicht, dass es sich weiter absenkt, zumal
die 10-Jahres-Rendite unter ihre mexikanischen, indonesischen und russischen Äquivalente
mit Investment-Grade-Rating gefallen ist. Die Realzinsen (NTN-B inflationsgebundene
Anleihen) haben sich erholt und auch ein faires Preisniveau erreicht, nachdem sie sich
unter ihren mexikanischen Kollegen (Udibonos) stabilisiert haben. Darüber hinaus
dürften die Langfristzinsen (sowohl nominal als auch real) angesichts des lokalen
Rebalancing zwischen Anleihen und Aktien kaum fallen, da Mittelbewegungen bei sinkenden
kurzfristigen Zinsen eher Aktien begünstigen.
Vorsicht vor politischen Fallen
Die Marktstimmung ist zwar positiv, allerdings könnte jeder Verlust von politischem
Kapital der Rallye ein abruptes Ende bereiten. Die Kommunikation der Regierung mag sich
verbessert haben, ist aber immer noch mit ideologischer Rhetorik durchsetzt, die die
Bevölkerung weiterhin polarisiert. Eines der schwächsten Glieder der Regierung ist der
legendäre Justizminister Sérgio Moro, der im Mittelpunkt eines Skandals um seine Rolle
in der so genannten "Operation Car Wash" steht, die 2016 zur Amtsenthebung von
Dilma Rousseff und im vergangenen Jahr zur Inhaftierung des ehemaligen Präsidenten Lula
führte. Moro ist zwar nicht direkt an der wirtschafltichen Reformagenda beteiligt, wird
aber von den Partisanen von Präsident Bolsonaro verehrt, sodass ein Rücktritt, auch wenn
unwahrscheinlich, verheerende politische Folgen haben könnte. Bisher war die Strategie
der Regierung, die Anschuldigungen als Fake News abzutun. Jedoch ist unklar, was Plan B
wäre, falls sich die Anschuldigungen als fundiert erweisen sollten. Schließlich bleiben
Streitigkeiten zwischen Regierungsfraktionen ein wesentliches Risiko, da Präsident
Bolsonaro dazu neigt, ausgewählte Teile seiner Wählerschaft, die im Nationalkongress durch
die konservativen Interessengruppen von Bauern, Evangelikalen und Pro-Gun-Gesetzgebern
vertreten sind, systematisch zu schützen. Daher besteht die Gefahr, dass der Rest seiner
Wählerschaft das Gefühl bekommt, auf der Strecke zu bleiben, was zu Unruhen führen könnte,
da die Regierung keine formelle Mehrheit im Kongress hat. Dies würde der Agenda der
Wirtschaftsreformen schweren Schaden zufügen und internationale Investoren abschrecken.
Quelle: Investmentfonds.de
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