Investmentfonds.de
12.09.2019:
LFDE Monthly News September 2019 - Das Maß aller Dinge
Köln, den 12.09.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE -
La Financière de l'Echiquier
Unter dem Schutz von drei Glasglocken wird im Internationalen Büro für Maß und
Gewicht im Parc de Saint-Cloud bei Paris ein gerade einmal pflaumengroßer Zylinder
aus Platin und Iridium aufbewahrt, der bis zum vergangenen Frühjahr als internationale
Messeinheit für ein Kilogramm galt.
Der 1889 angefertigte PIK - Prototype International du Kilogramme - genannt "Le Grand K"
(deutsch: Ur-Kilo) - war eine der letzten physischen Basiseinheiten zur Festlegung einer
Maßeinheit. Bei seinen seltenen Überprüfungen - lediglich drei seit dem 19. Jahrhundert -
wurde ein sehr geringer Masseverlust im Vergleich zu den sechs anderen vermeintlich
identisch hergestellten Ur-Kilo-Einheiten festgestellt. Damit war das Schicksal des
Ur-Kilos besiegelt. Im Mai dieses Jahres wurde von der internationalen
Wissenschaftsgemeinschaft ein neues Kilogramm festgelegt, das auf der Planckschen Konstante,
benannt nach Max Planck, einem der Väter der Quantenphysik, beruht. Dieses Wirkungsquantum
wird durch ein kleines "h" dargestellt und besitzt eine unglaubliche Präzision.
Genauigkeit ist eine selbstverständliche Grundlage der Meteorologie und der Wissenschaft,
dagegen erreichen Wirtschafts- und Finanzdaten nur sehr selten eine derartige Präzision.
Bisweilen genügen einige unvorhergesehene Ausreißer bei Wirtschaftsdaten, um Bewegungen
an den Finanzmärkten auszulösen, die mit Gewinnen oder Verlusten in Höhe von mehreren
100 Milliarden US-Dollar zu Buche schlagen.
Der offizielle Rückgang des deutschen Wirtschaftswachstums um 0,1 Prozent im zweiten
Quartal 2019 hat Zweifel am deutschen Wachstumsmodell aufgeworfen, dem offenbar die Luft
ausgegangen ist. Tatsache ist, dass Deutschland als drittgrößtes Exportland der Welt
durch den von der US-Regierung angezettelten Handelskrieg in Mitleidenschaft gezogen wird.
Wenn aber die BIP-Entwicklung auch im dritten Quartal negativ verläuft, würde dies
den offiziellen Eintritt Deutschlands in eine Rezession bedeuten. Dabei verzeichnete
das Land im ersten Quartal 2019 eine Arbeitslosenquote von 5 Prozent und einen
Haushaltsüberschuss von 45 Milliarden Euro.
Auch wenn die Rechnungslegungsstandards und gesetzlichen Vorschriften einen sicheren
Rahmen für Anleger schaffen, könnten sie auf dem falschen Fuß erwischt werden, falls sie
sich ausschließlich auf die veröffentlichten Zahlen verlassen. Lässt man
Bilanzmanipulationen, die in der Geschichte der Finanzmärkte nicht selten sind, einmal
außer Acht, ist der Fokus der Märkte auf die Geschäftszahlen der Unternehmen zuweilen
übertrieben. Dafür lassen sich zahlreichen Beispiele anführen. Vor knapp einem Jahr
legte die Sartorius AG, die Muttergesellschaft von Sartorius Stedim Biotech - einem
Spezialisten für Messtechnik, unter anderem von Feinwaagen (welche Ironie!) für die
Pharmaindustrie und Biotechnologieunternehmen - eine leicht korrigierte Guidance für die
Geschäftsentwicklung bis zum Jahresende vor. Die Sanktion des Marktes kam prompt:
Der Aktienkurs von Sartorius brach um mehr als 30 Prozent ein und zog auch die
französische Tochtergesellschaft mit in den Abgrund. Mutterund Tochtergesellschaft
verzeichnen seit Jahresbeginn Kurszuwächse von 60 Prozent und haben damit die übertriebene,
durch nur wenige Dezimalstellen ausgelöste, Marktreaktion mehr als aufgeholt.
Abgesehen von den bloßen Zahlen sind die gründliche Kenntnis der Unternehmen, ihrer
Märkte und ihrer Kunden sowie Treffen mit dem Management ausschlaggebend für unseren
Investmentprozess und Portfolioaufbau.
Schließen möchten wir mit einem anderen geflügelten Wort, in leicht abgewandelter Form:
Zahlen sind gute Diener, aber manchmal schlechte Herren.
Quelle: Investmentfonds.de
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