Investmentfonds.de
20.09.2019:
Märkte mit Mumm: Wirtschaftliche Eintrübung und fallende Zinsen - der Euro dürfte schwach bleiben
Köln, den 20.09.2019 (Investmentfonds.de) -
Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel
Die sogenannte Kaufkraftparität des Euro im Vergleich zum US-Dollar liegt derzeit
bei ca. 1,36 EUR/USD. Bei diesem Wechselkurs wären die Preise für einen definierten
Warenkorb auf beiden Seiten des Atlantiks gleich. Die dazugehörige volkswirtschaftliche
Theorie besagt, dass sich die nominalen Wechselkurse zweier Währungen langfristig
um dieses Niveau herum bewegen bzw. trotz zwischenzeitlicher Schwankungen immer
wieder dorthin zurückkehren sollten. Und tatsächlich befindet die Kaufkraftparität
bei langfristiger Betrachtung des Wechselkurses in etwa auf dem Mittelwert. Während die
Notierungen zwischen 0,83 (Oktober 2010) und 1,60 EUR/USD (Juli 2008) teilweise heftig
schwankten, stieg die Kaufkraftparität in diesem Zeitraum von ca. 1,15 EUR/USD auf das
heutige Niveau stetig an.
Noch am Jahresanfang sah es so aus, als könnte die Gemeinschaftswährung gegenüber der
US-Währung aufholen, vor allem nachdem die US-Notenbank Fed im Zuge eines geldpolitischen
Schwenks im Verlauf des ersten Halbjahres Leitzinssenkungen in Aussicht gestellt hatte.
Diese hätten die seit Jahren steigende Zinsdifferenz zwischen den beiden Währungsräumen
umkehren können und somit den US-Dollar für Anleger weniger attraktiv gemacht. Abflüsse
aus dem Dollarraum und damit eine sinkende Nachfrage hätten die US-Währung abwerten lassen.
Diese Hoffnungen wurden in den letzten Wochen jedoch durch drei wesentliche Entwicklungen
gedämpft:
1. Die Europäische Zentralbank EZB nahm vor dem Hintergrund der zunehmenden
wirtschaftlichen Abkühlung im Euroraum sowie des fehlenden Inflationsdrucks
ebenfalls einen wieder expansiveren geldpolitischen Kurs auf. Mit der erneuten
Absenkung des Einlagenzinses für Banken auf -0,5 Prozent p.a. und der zeitlich
unbegrenzten Neuauflage eines Wertpapierkaufprogramms ab November übertraf sie
die Erwartungen vieler Beobachter. Zudem kündigte sie an, den expansiven Kurs erst
zu revidieren, wenn das Inflationsziel von nahe 2 Prozent nachhaltig erreicht ist.
Angesichts der derzeitigen Inflationsrate im Euroraum in Höhe von nur 1 Prozent
besteht dafür jedoch auf absehbare Zeit keinerlei Veranlassung.
2. Die US-Wirtschaft wächst weiterhin sehr dynamisch. Zwar haben sich einige
Stimmungsindikatoren im Unternehmenssektor (v.a. die ISM-Einkaufsmanagerindizes)
in den letzten Monaten eingetrübt, allerdings stiegen im August sowohl die
Produktion in der Industrie (+0,6 Prozent) und im Verarbeitenden Gewerbe
(+0,5 Prozent) als auch die Kapazitätsauslastung deutlich an. Der für die
US-Volkswirtschaft wichtige private Konsum befindet sich unterstützt durch den
nahezu voll ausgelasteten Arbeitsmarkt weiterhin auf hohem Niveau. Anders als in
der Eurozone stieg die Kernrate der Inflation - also ohne die schwankungsanfälligen
Komponenten Energie und Nahrungsmittel - zuletzt recht deutlich auf 2,4 Prozent.
Für die Notenbank besteht somit derzeit die Gefahr, durch einen zu expansiven Kurs
die Inflation noch weiter anzufeuern - auch wenn US-Präsident Trump das ganz anders sieht.
3. Die geopolitischen Risikofaktoren haben in den letzten Monaten eher zu- als
abgenommen. Im Handelskonflikt zwischen China und den USA gab es bisher noch keine
konkreten Ergebnisse. Mit den Europäern wurde das Thema bisher kaum weiter erörtert.
Der Brexit droht weiterhin ungeregelt abzulaufen. Hinzu kam kürzlich die Gefahr einer
weiteren Eskalation im Nahen Osten. Alle Aspekte tragen dazu bei, die ohnehin
schwächelnde globale Konjunktur weiter zu dämpfen. In derlei unsicheren Zeiten sind die
sicheren Häfen der Kapitalanlage gefragt, neben Bundesanleihen, dem Schweizer Franken
oder Gold gehört dazu auch der US-Dollar.
Sinkende Zinsen in der Eurozone und in vielen anderen Staaten, ein vergleichsweise
höheres Zinsniveau in den USA sowie der Wunsch vieler Kapitalanleger nach Absicherung
dürften den US-Dollar in den kommenden Monaten weiterhin unterstützen. Der Euro hingegen
bleibt vorerst in seinem seit Anfang 2018 bestehenden Abwärtstrend gefangen. Notierungen
unterhalb der Marke von 1,10 EUR/USD könnten die Abwärtsspirale noch einmal verstärken.
Quelle: Investmentfonds.de
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