Investmentfonds.de
25.09.2019:
LFDE Macroscope: Werden die Staaten den Zentralbanken folgen?
Köln, den 25.09.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer und Clément Inbona,
Fondsmanager La Financière de l'Echiquier
Aktien auf Höhenflug, Anleger im Stimmungstief:
Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären?
Geopolitische Spannungen, Sorgen um das weltweite Wachstum, eine Rezession im
verarbeitenden Gewerbe und quasi stagnierende Unternehmensgewinne in diesem Jahr:
An Gründen für Pessimismus an den Aktienmärkten mangelt es nicht. Dennoch liegen
die Indizes in den USA und Europa auf ihren historischen Höchstständen (oder fast),
wenn man die ausgeschütteten Dividenden mit einbezieht:
Der S&P 500 liegt nur 0,3 Prozent unter seinem Spitzenwert vom 26. Juni dieses
Jahres, während der Euro Stoxx 50 so hoch steht, wie niemals zuvor. Auf den ersten
Blick könnte die offensichtliche Diskrepanz zwischen Realwirtschaft und
Aktienbewertungen überraschend erscheinen. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch
gute Gründe, das Glas eher halb voll als halb leer zu sehen.
Zuallererst sind da die geldpolitischen Bedingungen, die in den vergangenen Monaten
deutlich gelockert wurden. Jüngstes Beispiel? Die Sitzung des Gouverneursrats der Fed
in der Vorwoche, der binnen zwei Monaten zum zweiten Mal eine Senkung des Leitzinses
um 25 Basispunkte beschloss und weitere Zinssenkungen nicht ausschloss. Dieser gemeinhin
erwartete Beschluss wirkte sich kaum auf die Märkte aus. Dennoch war dies etwas völlig
Neues: Obwohl die Inflation ihren Zielwert fast erreicht hat, die Arbeitslosenrate so
niedrig wie nie ist und das Wachstum ein ordentliches Tempo aufweist, senkt die
wichtigste Zentralbank der Welt ihre Zinssätze! Wird die Zukunft diese Entscheidung
rechtfertigen? Oder wird die Geschichte sie verurteilen?
Ungeachtet dessen verfolgen nahezu alle Zentralbanken weltweit eine lockere Geldpolitik.
Die Zinssätze sind sehr niedrig, und das weltweite Wachstum liegt auf durchschnittlichem
Niveau, wenngleich es leicht nach unten korrigiert wurde. Eigentlich ist dieses Umfeld
für Aktien ideal. Zudem wird unter dem Druck der Zentralbanken, der internationalen
Institutionen und der Bürger der Ruf nach staatlichen Konjunkturmaßnahmen immer lauter.
Angesichts der zunehmenden Ungleichheiten, der durch den Klimawandel bedingten
Herausforderungen und der teilweise maroden Infrastruktur ist der Druck auf die
Regierungen sehr stark. Einige aktuelle Maßnahmen veranschaulichen den sich vollziehenden
Wandel gut. In Frankreich beispielsweise drängten die Proteste der Gelbwesten Präsident
Macron im vergangenen Dezember, Maßnahmen zu ergreifen, die das Haushaltsdefizit
vergrößerten. Ein auffälliges Beispiel aus jüngster Zeit ist Deutschland: Das Land
kündigte soeben ein Ausgabenprogramm über 50 Milliarden Euro bis 2025 zur Reduzierung
der CO2-Emissionen an. In Berlin wird derzeit heftig über die Lockerung der
haushaltspolitischen Fesseln debattiert. In den USA wird der um seine Wiederwahl
kämpfende US-Präsident wohl eine weitere Steuerentlastung oder ein Ausgabenprogramm
vorbereiten, um vor allem die Verteuerung bestimmter Importgüter aus China abzufedern,
die von den durch ebendiesen Präsidenten neu verhängten Zöllen betroffen sind.
Zudem macht der Rückgang der Zinssätze und der Kreditspreads die Rendite von Aktien noch
attraktiver. Denn die Kombination aus Dividenden und Aktienrückkäufen bietet ein deutlich
höheres Ausschüttungs- und Renditepotenzial als bei den meisten Staats- und auch
Unternehmensanleihen. Aktien bleiben somit trotz der Befürchtungen der Anleger und der
diesem Anlagetyp innewohnenden Risiken weiterhin attraktiv. "Sei gierig, wenn andere
ängstlich sind", sagte schon Warren Buffet.
Quelle: Investmentfonds.de
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