Investmentfonds.de
01.10.2019:
LFDE Macroscope: Aus Liebe zum Risiko? Sparen und Negativzinsen
Köln, den 01.10.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE
La Financière de l'Echiquier
Mittlerweile werden Anleihen in aller Welt größtenteils mit negativer Rendite
gehandelt. Dies war noch vor 5 Jahren bei kaum einer Anleihe der Fall. Nun werden
Tag für Tag die Folgen einer Geldpolitik mit dauerhaft negativen Zinssätze immer
stärker spürbar und verleiten die Sparer oder Kapitalnehmer, ihre Vorstellungen
aus der "Welt davor" zu überdenken.
In den vergangenen Wochen gab es zuhauf symptomatische Beispiele für die
Auswirkungen dieser radikalen geldpolitischen Entscheidungen auf die französischen
und europäischen Sparer:
So kündigten im September mehrere in Frankreich beheimatete Banken für Girokonten
vermögender Privatkunden einen Negativzins an. Hiermit wird ein Tabu gebrochen, denn
erstmals in der französischen Geschichte können für "reines" Bargeld Gebühren erhoben
werden. In Deutschland kündigte die Sparkasse München, die fünftgrößte Sparkasse
des Landes, ebenfalls einen Negativzins für Einlagen ab 100.000 Euro an. Diese Gebühren
für Girokonten könnten in Europa durchaus Schule machen.
Die Versicherer folgten der Entwicklung in der vergangenen Woche auf dem Fuße.
In Frankreich sorgte Generali - und kurz danach auch die Allianz - mit der Aussage für
Wirbel, dass "die Herrschaft des EuroFonds zu Ende geht". Der Versicherer bekräftigt,
dass er unter den aktuellen Marktbedingungen nicht mehr imstande sei, ein Finanzprodukt
mit derart großzügigen Konditionen, d. h. Liquidität, Garantiekapital und jährlichem
Sperrklinken-Effekt bei den Erträgen, anzubieten, und dies auch noch mit Steuervorteilen
bei den Erträgen und bei Übertragungen.
Hauptgrund für diese aus wirtschaftlicher Sicht radikale Entscheidung ist ebenfalls die
dauerhaft negative Rendite eines Großteils der sichersten Anleihen und deren Folgen für
das Insolvenzrisiko der Versicherer im Rahmen der Solvency-II-Richtlinie. Falls diese
Situation von Dauer sein wird, werden die Versicherer einfach nicht mehr in der Lage sein,
das Kapital zu garantieren oder eine garantierte Rendite auf die traditionellen Euro-Fonds
auszuschütten. Dies ist der Grund, warum die Sparer mit allen Mitteln von den
traditionellen Euro-Fonds abgebracht werden sollen und warum die vorgeschlagenen
Alternativen - Immobilien, aktienbasierte Euro-Fonds, finanzielle Rechnungseinheiten oder
auch Private Equity - zwei Dinge gemeinsam haben: Sie sollen das Bilanzrisiko des
Versicherers verringern und dem Sparer die Aussicht auf eine langfristige Rendite bieten,
die nicht null oder negativ ist.
Letztlich wird hierdurch das von der Europäischen Zentralbank durch die Festsetzung
negativer Zinssätze angestrebte Ziel umgesetzt: Die EZB zwingt die verschiedenen
Wirtschaftsakteure, sei es durch Verschuldung oder sei es durch Investitionen, ein höheres
Risiko einzugehen, um die Inflation anzufachen und das Wachstum zu stützen. Denn anstatt
über den Kauf von Schuldverschreibungen die Akteure zu finanzieren, die als am sichersten
gelten (wie z. B. Staaten), werden die Ersparnisse auf diese Weise hin zu Akteuren und
Anlagen gelenkt, die zwar riskanter, jedoch möglicherweise förderlicher für
das Wachstum sind und auch höhere Erträge abwerfen. Der Sparer muss nun - wenn schon nicht
aus Liebe zum Risiko, dann zumindest aus Eigeninteresse - das Risiko hinnehmen, falls er
die Möglichkeit einer auf Dauer über der Inflation liegenden Rendite haben möchte.
Tut er dies nicht, ist die Entwertung seines Kapitals sicher.
Quelle: Investmentfonds.de
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