Investmentfonds.de
05.11.2019:
LFDE Macroscope: Der eingebildete Kranke
Köln, den 05.11.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE
La Financière de l'Echiquier
Die am vergangenen Mittwoch für das dritte Quartal in den USA veröffentlichten
BIP-Daten zeigen ein weiterhin solides Wachstum von annualisiert +1,9 Prozent.
Diese Zahl lag deutlich über dem Konsens von +1,6 Prozent, der somit eine starke
Verlangsamung gegenüber den 2 Prozent des Vorquartals erwartet hatte.
Die Konsumnachfrage, der Motor der US-Wirtschaft, bleibt weiterhin kraftvoll.
Die Staatsausgaben stützen das Wachstum auf Kosten eines hohen Defizits.
Allerdings belastet das besorgniserregende Kräftemessen im Handelskonflikt
zwischen Peking und Washington das Vertrauen der Unternehmen: Diese fahren ihre
Investitionsprogramme zurück, weil es im internationalen Handel, der unter dem
diplomatischen Schlingerkurs leidet, an Transparenz fehlt. In Summe lässt sich
der Zustand des BIP mit dem Bild eines Patienten vergleichen, der bei guter
Gesundheit ist, jedoch Stimmungsschwankungen aufweist.
Im Anschluss an die BIP-Veröffentlichung gab die US-Notenbank Fed die Ergebnisse
ihrer OktoberSitzung bekannt: Nach der dritten Leitzinssenkung um 0,25 Prozent in
nur drei Monaten nehmen die US-Währungshüter nun in Anbetracht der wirtschaftlichen
und politischen Entwicklungen eine abwartende Haltung ein.
Ohne Impulse von außen wird die Reihe der gerade vorgenommenen Zinssenkungen nur
eine "Phase" in der Zyklusmitte und nicht einen "Zyklus" von Zinssenkungen zur
Bekämpfung einer Rezession darstellen. Die Fed übernimmt demnach wieder die
Kontrolle über die Märkte und über Donald Trump, ihre Laus im Pelz, dessen
Erwartungen hinsichtlich einer deutlich lockereren Geldpolitik für die kommenden
Monate unrealistisch erscheinen.
Bei genauerer Betrachtung bleibt nur die Feststellung, dass die Fed ihr
dreigeteiltes Mandat in jeder Hinsicht erfüllt und sie vorerst wenige Gründe hat,
noch mehr zu unternehmen. Ihr erstes Ziel besteht darin, auf Vollbeschäftigung
hinzuwirken. Das Ziel scheint erreicht, denn die Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent
der Erwerbsbevölkerung kann kaum noch unterschritten werden.
Das zweite Ziel ist die Erreichung einer Preisstabilität rund um den
Inflationszielwert von 2 Prozent. Auch dieses Ziel ist erreicht, denn die
Inflationsstatistiken weisen in diese Richtung.
Das dritte Ziel lautet, die langfristigen Zinssätze auf einem moderaten Niveau zu
halten. Bei einem 10-jährigen Zinssatz von fast 1,8 Prozent und einer Inflation
von rund 2 Prozent liegt der langfristige reale Zinssatz quasi bei null oder ist
sogar negativ. Dies gewährleistet für die Wirtschaftsakteure lockere finanzielle
Bedingungen.
Beim Blick auf die Erwartungen des Marktes hinsichtlich des Zinspfades der Fed
stellt man jedoch mit Verwunderung fest, dass bereits für nächsten März mit einer
weiteren Zinssenkung gerechnet wird. Dies widerspricht den von der Zentralbank
vermittelten Signalen, die mit ihrem "wait and see" eigentlich eine abwartende
Haltung eingenommen hat. "Warum weitere Medikamente verabreichen, wenn es
keine sichtbaren Symptome gibt?", muss sich Doktor Powell hier fragen.
Vielleicht, weil der Patient ein Hypochonder ist?
Quelle: Investmentfonds.de
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