Investmentfonds.de
10.03.2020:
Ölpreis: Wenn Hedging an Grenzen stößt
Köln, den 10.03.2020 (Investmentfonds.de) -
John Roe, Head of Multi-Asset Funds,
Legal & General Investment Management (LGIM)
Saudi-Arabien flutet den Markt, kann diese Strategie aber unter Umständen nicht
lange durchhalten, der US-Dollar hat das Zeug zum sicheren Hafen und klassische
Hedging-Strategien dürften sich aktuell als wenig effektiv erweisen, sagt
John Roe, Head of Multi-Asset Funds, Legal & General Investment Management (LGIM)
"Seit dem historischen Abkommen im November 2016 hat die OPEC+ die Märkte
unterstützt, und anfangs sah es nach einem Gemeinschaftsprojekt aus. In jüngster
Zeit jedoch schultert Saudi-Arabien die Aufgabe weitgehend alleine, weil Russland
und andere lieber ihre Gewinne maximieren. Wegen der hohen Preiselastizität des
Angebots muss Saudi-Arabien immer noch aggressiv kürzen. In der Spieltheorie könnte
man sagen, dass das Nash-Gleichgewicht den Saudis keine andere Wahl lässt. Doch
wenn sie anderen Ländern glaubwürdig mit Nachteilen drohen können, dann könnte es
auf längere Sicht für sie auszahlen, jetzt die Produktion zu erhöhen und andere auf
Linie zu zwingen. Es geht darum, glaubwürdig rücksichtslos zu sein.
Ölflut: Gewinner und Verlierer
Eine langfristige Preissenkung ist unhaltbar, da der IWF den fiskalischen Break-even
Saudi-Arabiens bei über 85 US-Dollar schätzt und die Saudis wegen der Dollarbindung
Ihrer Währung nicht abwerten können, um den Schlag abzuschwächen. Die Frage ist also,
ob sie genug Druck auf andere ausüben können, bevor sie gezwungen sind, selbst die
Strategie zu wechseln. Es ist jedenfalls unwahrscheinlich, dass Russland die
Auswirkungen stark zu spüren bekommt: Hier liegt der fiskalische Break-even eher bei
50 US-Dollar, und ein großer Teil der Produktionskosten fällt in lokaler Währung an.
Das fängt die Schwäche im Rohöl teilweise auf. Andere Mitglieder der OPEC+ sowie
Nicht-OPEC-Länder sind in einer schwierigeren Position, auch US-Schieferöl.
Letztendlich wird dies wahrscheinlich den Preisverfall beschleunigen und Abweichler
auf Linie zwingen, da die Einbußen zu schmerzvoll sein dürften. Der wahre Gewinner
könnte Russland sein. Es würde von einer durch die Volatilität verursachten
Angebotsverknappung profitieren, aber die unmittelbaren finanziellen Auswirkungen des
saudischen Experiments sind deutlich begrenzter. Längerfristig stärkt es die
Realeinkommen, drückt die Inflation, stützt den Verbrauch und hebt so die Auswirkungen
des Coronavirus zum Teil wieder auf. Indem es Inflationsängste zurückdrängt, erhöht es
außerdem den Spielrauf der Notenbanken für kräftige Zinssenkungen.
Staatsanleihen: Jede Woche eine neue Angst
Seit 1990 sind die US-Zehnjahresrenditen nur dreimal um mehr als 30 Basispunkte an
einem Tag gefallen: alle drei Fälle in den Wirren der Finanzkrise. Der Markt startete
auf vergleichbaren Niveaus als Reaktion auf die Virus-Eskalation und den Ölschock #
vom Wochenende. Der jüngste Rückgang wurde mit einer Abflachung der Kurve in
Verbindung gebracht, im Gegensatz zur Dynamik letzte Woche, in der das Short-End den
Ausschlag gab. Davor herrschte die Meinung vor, der Markt nehme die Kürzungen der
Federal Reserve vorweg. Heute gehen die Märkte vom Rückgang der Inflationserwartung
und einem Wiedereinstieg in das quantitative Easing aus.
Dollar: Die Fed hat Spielraum
Was bedeutet das also für den breiten Markt? Der US-Dollar wurde hart getroffen,
da die US-Geldpolitik die Preise wieder die Nulllinie ansteuert. Der Markt glaubt der
Fed zwar weiterhin, dass es keine negativen Zinsen geben wird - aber wenn die Dinge
eskalieren, wird auch die Fed schnell unter Druck geraten, weitere QE-Maßnahmen und
andere unkonventionelle Schritte zu prüfen. Der Dollar könnte sich durchaus erholen,
wenn sich die Bedingungen verschlechtern; im Moment wird er zwar für den raschen
Zinsrückgang abgestraft, aber mit ihren erfolgreichen Zinserhöhungen hat sich die Fed
in letzter Zeit mehr Munition verschafft als viele andere Zentralbanken, und das
könnte den Dollar sogar zu einem sicheren Hafen machen.
Unternehmensanleihen: Zwischen Hedging und Herdentrieb
Credit hat sich dem Druck endlich gebeugt, der European iTraxx Crossover verzeichnet
heute seinen bislang größten Tagesausschlag. Der Ausverkauf ist auch eine Warnung
gegen den Herdentrieb: Gold, das liebste Hedging-Instrument der meisten Anleger,
ist in den letzten zwei Wochen um weniger als ein Prozent gestiegen. Jeder ist auf der
Jagd nach Absicherung, und als Manager müssen wir rein und raus sein, bevor die breite
Masse ankommt. Sonst riskieren wir enttäuschende Hedging-Erfolge, selbst wenn sich die
schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sollten."
Quelle: Investmentfonds.de
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