Investmentfonds.de
10.03.2020:
M&G Investments: Die EZB vor ihrer Bewährungsprobe
Köln, den 10.03.2020 (Investmentfonds.de) -
Wolfgang Bauer, Fondsmanager im Anleiheteam von M&G-Investments
Es sind, gelinde gesagt, stürmische Zeiten an den Anleihemärkten.
Der 9. März wird wohl in die Geschichte schwarzer Börsentage eingehen.
Abzulesen ist die Stimmung auch am neuen Allzeittief der Rendite für
10-jährige deutsche Bundesanleihen, die auf unter -0,8% fiel. Nun richten
sich aller Augen auf die EZB vor ihrer geldpolitischen Sitzung am Donnerstag.
Wolfgang Bauer, Fondsmanager im Anleiheteam von M&G-Investments, analysiert
die Handlungsoptionen der Zentralbank und die Frage, ob sie einen erneuten
Whatever-it-takes-Moment wie zur Beruhigung der Eurokrise 2012 herbeiführen kann:
"Meiner Ansicht nach stehen der EZB in dieser Woche im Wesentlichen drei Optionen
zur Verfügung:
Wirkungsvoll, aber riskant: Die "Big Bazooka"
Es wäre der Versuch, den Effekt von Mario Draghis legendärer Aussage
"Whatever it takes" zu wiederholen und eine sofortige Beruhigung der Märkte zu
erreichen. In diesem Szenario handelt die EZB mutig: Die Zinssätze werden um
mindestens 25 Basispunkte gesenkt, was den Einlagenzins auf -0,75% und damit auf
den Leitzins der Schweizer Nationalbank bringen würde. Das Ankaufvolumen wird auf
mehr als 80 Milliarden Euro monatlich erhöht, vielleicht auf 100 Milliarden Euro.
Und um den Investoren zu signalisieren, dass die EZB über noch mehr Feuerkraft
verfügt, werden darüber hinaus die Regeln des Ankaufprogramms geändert. Das kann
zum Beispiel bedeuten, dass die EZB ihren Fokus stärker auf italienische
Staatsanleihen richtet - ein politisch sicher höchst umstrittener Schritt, aber
möglicherweise gerechtfertigt, da Italien derzeit am stärksten vom Ausbruch des
Coronavirus betroffen ist. Darüber hinaus könnte sich die EZB entscheiden, auch
Bankanleihen in das Kaufprogramm aufzunehmen, die zwar gut ein Drittel der
europäischen Unternehmensanleihemarktes ausmachen, aber bisher von den
Notenbankmaßnahmen ausgeschlossen sind. Für die Banken, die unter noch
niedrigeren Zinsen besonders leiden, wäre dies eine willkommene Unterstützung.
Diese Bazooka-Strategie ist jedoch nicht ohne Risiko. Wenn es klappt, wird
Christine Lagarde sofort zum Superstar der Zentralbanker. Wenn nicht, kann der
Schlag leicht nach hinten losgehen, könnten die Finanzmärkte und die Realwirtschaft
weiter einbrechen und alle wüssten, dass die EZB am Ende ihrer Kräfte ist.
Wahrscheinlich, aber nur halbherzig: Maßvolle Reaktion
Das wahrscheinlichste Szenario ist gleichzeitig das am wenigsten wünschenswerte.
Die EZB könnte die Zinsen moderat - möglicherweise um 10 Basispunkte - senken,
was den Einlagenzins auf -0,6% bringen würde. Die Nettokäufe könnten gleichzeitig
auf 60 oder 80 Milliarden Euro pro Monat steigen, was zwar eine Vervielfachung des
aktuellen Niveaus von 20 Milliarden Euro wäre, aber dieselbe Größenordnung wie
bereits in den Jahren 2015 bis 2017 bedeutet. Die Gefahr solch maßvoller Schritte
liegt allerdings darin, dass sie einerseits nicht ausreichen, um die Krisenstimmung
zu beruhigen und den Märkten wieder Vertrauen einzuflößen - und dass die EZB
andererseits einen Teil ihrer Kapazitäten aufbraucht und einer möglichen weiteren
Verschlechterung der Wirtschaftslage nichts mehr entgegenzusetzen hat.
Gut begründet, aber unwahrscheinlich: Business as usual
In diesem Szenario würde die EZB zwar die erhöhten Risiken für die Wirtschaft
anerkennen, ihren aktuellen geldpolitischen Kurs jedoch unverändert lassen und
darauf verweisen, dass die Verantwortung für die Bewältigung der Viruskrise in
erster Linie bei der Politik liegt. Der Einlagensatz würde somit weiter bei -0,5%
liegen und das Nettoankaufsvolumen im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) wie
bisher monatlich 20 Milliarden Euro betragen. Angesichts der hohen Erwartungen ist
dies jedoch aus meiner Sicht kein sehr wahrscheinliches Ergebnis, denn allein die
Vermeidung der mit Spannung erwarteten Zinssenkung könnte weitere Turbulenzen auslösen.
Und wenn die EZB als gefühlt einzige Zentralbank keine Maßnahmen ergreift, würde der
Euro noch weiter aufwerten - und das wäre ein starker Gegenwind für die export-
orientierte europäische Wirtschaft.
Ich gehe davon aus, dass die EZB am Donnerstag aktiv wird, um die Märkte zu beruhigen
und gleichzeitig den Aufwärtsdruck auf den Euro abzumildern. Aber Christine Lagarde
ist nicht zu beneiden. Und im Moment ist es riskant, auf ein bestimmtes geldpolitisches
Ergebnis zu wetten."
Quelle: Investmentfonds.de
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