Investmentfonds.de
05.06.2020:
J.P. Morgan Asset Management: Das Ende der Zentralbankunabhängigkeit
Köln, den 05.06.2020 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan
Asset Management in Frankfurt
Das Ende der Zentralbankunabhängigkeit
Investoren müssen mit vielen Jahren der Niedrigzinspolitik rechnen
Inflationsgefahr nicht aus den Augen verlieren
Aktien und alternative Anlagen als Lösung für Anleger
Frankfurt, 4. Juni 2020 - Derzeit erleben wir weltweit die größte Fiskalexpansion
seit dem Zweiten Weltkrieg. Aufgrund der hohen Staatsverschuldung und des
kurzfristigen Liquiditätsbedarfs kann diese in vielen Ländern nur mit Hilfe der
Notenbanken finanziert werden. Und so setzt sich mit den Maßnahmen angesichts
der COVID-19-Pandemie eine Entwicklung fort, die in der Finanzkrise begonnen hat:
"Der Grundsatz der strikten Unabhängigkeit der Zentralbank, die unabhängig von
politischem Einfluss ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen sucht, weicht in
zunehmenden Maße der Einschätzung bei Ökonomen und Entscheidungsträgern, dass
eine Koordination zwischen Fiskal- und Geldpolitik erstrebenswert ist - besonders
im Krisenfall", erläutert Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan
Asset Management in Frankfurt. Der Experte betont, dass sich damit die
Zentralbanken de facto dem Primat der Fiskalpolitik unterwerfen. "Für Anleger
habe dies weitreichende Folgen, da die Zentralbanken auf Jahre quasi gezwungen
sein werden, die Zinsen tief zu halten."
Fehlender Anreiz, Niedrigzinspolitik zu beenden
Befürworter dieser Entwicklung der Zentralbankpolitik führen ins Felde, dass im
Krisen- oder Rezessionsfall mit Hilfe von Niedrigzins und Gelddrucken auch höher
verschuldete Staaten in der Lage sind, dank expansiver Fiskalpolitik negative
soziale Folgen für den Arbeitsmarkt zu mindern und mit Investitionsprogrammen
die wegbrechende privatwirtschaftliche Nachfrage zu kompensieren. Im Idealfall
geben positive Multiplikatoreffekte und ein zügiges Überwinden der Krise den
Staaten und den Zentralbanken dann die Möglichkeit, die expansive Politik in den
Folgejahren zurückzufahren. "Leider funktioniert das in der Realität aus mehreren
Gründen nicht", stellt Tilmann Galler fest. Erstens fehle der Anreiz für eine
Konsolidierungspolitik. Anleihenkäufe führten zu einem Außerkraftsetzen des
marktbasierten Zinses und damit zu massiven Fehlanreizen für Staat, Unternehmen
und Investoren. "Warum sollten politische Entscheidungsträger nach der Krise
schwächeres Wachstum und ihre Wiederwahl riskieren, wenn es aufgrund der
Niedrigzinspolitik keine Belohnung durch niedrigere Finanzierungskosten gibt?",
sagt Galler. Bei Unternehmen führten üppige Liquidität und anhaltend attraktive
Finanzierungskosten zu risikoreicherem Verhalten und geringerer Rentabilität,
während Anleger in Risikoinvestments gedrängt würden. Das führe zu einer
wachsenden Instabilität im Wirtschaftssystem, was wiederum den geldpolitischen
Spielraum der Notenbanken einschränke."Bisher sind alle Versuche der Notenbanken
gescheitert, Leitzinsen und Bilanzen zu normalisieren. Die Notenbanken sind in
der Vergangenheit den Sirenengesängen der Neo-Keynesianischen Wirtschaftspolitik
erlegen und sind jetzt Gefangene ihrer eigenen Politik", führt Tilmann Galler an.
[...]
Inflationsgefahr in der Zukunft
Die Auswirkungen durch die gewaltigen Rettungspakete in Europa, Japan und den USA,
die durch eine nicht minder gewaltige Summe von rund 7,5 Billionen US-Dollar an
Zentralbankgeld finanziert werden, dürften in vielerlei Hinsicht weitreichend
sein. Der Anteil des Staates an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung wird als
Folge der Krise weiter zunehmen, was dem wachsenden Bedürfnis staatlicher Fürsorge
und Umverteilung in Teilen der Bevölkerung nicht entgegensteht. Aufgrund fehlender
privatwirtschaftlicher Nachfrage wegen der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen werden die
negativen Folgen des Anwerfens der digitalen Druckerpresse für die Wirtschaft
nach Ansicht von Tilmann Galler vorerst kaum sichtbar. "Die Risiken lauern vielmehr
in der Zukunft, sobald das Virus besiegt sein wird und die aufgestaute privatwirt-
schaftliche Nachfrage zu einer kräftigen Erholung der Konjunktur führt. Sollten in
diesem Fall die Konsolidierungsversuche der Notenbanken wie in den vergangenen
Jahren scheitern und die Politik der Versuchung weiterer zentralbankfinanzierter
Fiskalgeschenke nicht widerstehen können, droht die Gefahr von Inflation und
eventuell sogar Hyperinflation", analysiert Galler.
Staatsanleihen werden länger nicht für Kapitalerhalt sorgen können
Anleger müssen sich aufgrund der enormen finanziellen Lasten der COVID-Krise auf
eine lange Phase der finanziellen Repression einstellen. Die Zentralbanken werden
nach Ansicht von Tilmann Galler auf Jahre quasi gezwungen sein, die Zinsen tief
zu halten, um den fiskalischen Spielraum der Staaten sicherzustellen. "Die Renditen
von Staatsanleihen dürften deshalb nicht in der Lage sein, den langfristigen realen
Kapitalerhalt zu sichern. Den besten Schutz gegen Inflationsrisiken und die besten
langfristigen Ertragsaussichten bieten nach unserer Einschätzung weiterhin reale
Vermögenswerte wie Aktien und alternative Anlagen", erklärt der Marktexperte.
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Quelle: Investmentfonds.de
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