Investmentfonds.de
18.06.2020:
J.P. Morgan AM: Nettoeffekt der geldpolitischen Lockerung könnte negativ sein
Köln, den 18.06.2020 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management
Corona-Krise hat weitere globale Lockerung der Geldpolitik
in Gang gesetzt
Grenzen geldpolitischer Anreize: Negative Effekte könnten
überwiegen
Die Dosis macht das Gift und entscheidet, ob das Wachstum
letztendlich gefördert oder ausgebremst wird
Frankfurt, 17. Juni 2020 - Während der Coronakrise setzten die Zentralbanken
einmal wieder zahlreiche konventionelle und unkonventionelle monetäre Anreize:
Ziel dieser Maßnahmen war und ist, die Stabilisierung der Märkte zu erreichen
und die Gesamtnachfrage anzuregen. Und so wichtig diese Unterstützung "im Auge
des Sturms" war, könnte sie nach Ansicht der Experten von J.P. Morgan Asset
Management jedoch langfristig einen negativen Nettoeffekt haben. Im Rahmen des
langfristigen Kapitalmarktausblicks (Long-Term Capital Market Assumptions -
kurz LTCMA), für den J.P. Morgan Asset Management seit 24 Jahren die Expertise
der rund 50 globalen Investment- und Strategieteams bündelt und einen Blick über
einen Anlagehorizont von zehn bis 15 Jahren in die Zukunft wirft, untersuchten
die Experten unter anderem die Auswirkungen geldpolitischer Anreize.
Dafür wurden sechs allgemeine Mechanismen berücksichtigt, mit denen niedrigere
Zinsen die Nachfrage innerhalb der Wirtschaft beeinflussen. "Unsere Analyse zeigt,
dass langfristig der Preis-, Vermögens- und Währungseffekt durch die geld-
politischen Anreize überwiegend positiv ausfällt, während der Einkommens-,
Vertrauens- und Erwartungseffekt überwiegend negativ ausfällt", erklärt Tilmann
Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Die anhaltende
Lockerung der Geldpolitik dürfte laut der Analyse im kommenden Jahrzehnt zu
einem langsamen Wachstum und langfristig niedrigen Realzinsen beitragen. Nach
Ansicht von Tilmann Galler ist es deshalb nicht unwahrscheinlich, dass die
weitreichenden geldpolitischen Lockerungen, die nun die Bilanzen der Zentralbanken
weiter aufblähen, die Weltwirtschaft nicht stärken, sondern langfristig noch
weiter schwächen werden.
Positive Seiten der Niedrigzinspolitik: Preis-, Vermögens- und
Währungseffekte
Bei der Analyse wurden sechs allgemeinen Transmissionsmechanismen untersucht,
mit denen niedrigere Zinsen die Nachfrage innerhalb der Wirtschaft beeinflussen.
Positiv wirkt beispielsweise der Preiseffekt. Demnach führen niedrigere Zinsen
zu günstigeren Krediten. Und dass sich Sparen weniger lohnt, weil Spareinlagen
unattraktiver werden, fördert Investitionen. Darüber hinaus gibt es einen
Vermögenseffekt, da niedrigere Zinsen die Anlagekurse und damit die Vermögens-
entwicklung beflügeln, was den Konsum stärkt. Nicht zuletzt kann ein
Währungseffekt erfolgen, wenn niedrigere Zinsen zur Abwertung einer
Währung führen könnten. Dadurch steigen die Exporte und die Importe werden
reduziert.
"Die positive Wirkung dieser Effekte hat aus unserer Sicht zuletzt abgenommen.
In den USA zum Beispiel hat das verarbeitende Gewerbe an Bedeutung verloren, da
der Beschäftigungsanteil seit den 1950er-Jahren von über 30 Prozent auf weniger
als 9 Prozent gesunken ist. Deshalb tragen niedrigere Zinsen heute weniger zur
Steigerung der Investitionsausgaben bei als früher", erklärt Galler.
Bei einem sehr niedrigen Ausgangsniveau der Zinsen würden andere Faktoren wie
Abschlagszahlungen und Bonitätsbewertungen zudem an Bedeutung gewinnen, um ein
Hypothekendarlehen zu erhalten. Folglich könnten niedrigere Zinsen den Immobilien-
sektor weniger stimulieren als erhofft. Auch der Vermögenseffekt habe mit der
Zeit an Einfluss verloren. Grund sei die zunehmende Vermögenskonzentration in
den oberen Einkommensschichten, in denen unverhoffte Aktienmarktgewinne seltener
ausgegeben werden. Eine Lockerung der Federal Reserve (Fed) könne weiterhin der
Exportwirtschaft zugutekommen, indem der Dollarkurs fällt, was aber nicht
funktioniere, wenn andere Zentralbanken die gleiche Strategie anwenden.
Negative Seiten der Niedrigzinspolitik: Einkommens-, Vertrauens- und
Erwartungseffekte
Nachteilig wirkt sich laut der Langfristanalyse wiederum ein negativer
Einkommenseffekt aus. Die niedrigeren Zinsen schmälern die Erträge der
Sparer deutlich - und zwar potenziell stärker als sich die Kreditkosten
reduzieren. Hinzu kämen psychologische Einflüsse. Dazu gehöre der
Vertrauenseffekt, wonach die Verbraucher und Unternehmen besorgt sind,
wenn eine Zentralbank gezwungen ist, die Zinsen zu senken, um die Wirtschaft zu
stützen. Beim Erwartungseffekt gehen Kreditnehmer davon aus, dass heutige
Zinssenkungen einen weiteren Rückgang der Zinsen nach sich ziehen werden, sodass
sie auf noch niedrigere Zinsen warten, bevor sie einen Kredit aufnehmen.
"Durch die immer noch stark vorherrschenden verzinslichen Vermögenswerte von
Privathaushalten in Form von Spareinlagen, Tagesgeldern und kaum verzinsten
Staatsanleihen, die 50 Prozent höher sind als die verzinslichen Verbindlichkeiten,
erhöht sich der negative Effekt niedrigerer Zinsen auf die Sparer", betont
Tilmann Galler. "Auch der psychologische Effekt einer geldpolitischen Lockerung
ist nicht zu vernachlässigen, denn die Verbraucher sind durch Zinssenkungen
verunsichert. Wenn sie eine Rezession befürchten, ist nicht zu erwarten, dass
sie große Ausgaben tätigen oder gar Kredite aufnehmen", betont Galler.
Das Fazit der Langzeitbetrachtung ist daher auch verhalten und die Experten
warnen, dass der Nettoeffekt einer weiteren geldpolitischen Lockerung durchaus
negativ ausfallen könnte. "Die Dosis macht wie immer das Gift. Wenn die Zentral-
banken ihre Maßnahmen zu lange laufen lassen, werden sie auf Dauer entweder
ineffektiv oder sogar kontraproduktiv. Dies führt langfristig zu einem langsamen
Wachstum und anhaltend niedrigen Realzinsen", analysiert Galler.
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Quelle: Investmentfonds.de
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