Investmentfonds.de
05.11.2020:
J.P. Morgan AM: Die Entwicklung der Corona-Pandemie
Köln, den 05.11.2020 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan
Asset Management in Frankfurt
Die Entwicklung der Corona-Pandemie wird
die Märkte stärker beeinflussen als die
US-Präsidentschaft
USA: Zukünftige Fiskalpolitik hat Einfluss
auf konjunkturelle Entwicklung
Covid-19: Erholung bleibt unvollständig trotz
Rekordzahlen beim BIP-Wachstum
Folgerungen für die Kapitalanlage:
Balance halten
Frankfurt, 5. November 2020 - Auch wenn die
US-Wahl weiterhin die Schlagzeilen bestimmt,
da sich noch kein klarer Sieger durchgesetzt
hat und es möglicherweise noch ein längeres
juristisches Nachspiel gibt: Nach Ansicht von
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P.
Morgan Asset Management in Frankfurt, ist die
Tatsache, wer der nächste US-Präsident wird,
nicht der wichtigste Faktor, der die Kapitalmärkte
in den nächsten Wochen und Monaten bestimmen wird.
Die wieder stark angezogene Covid-19-Pandemie,
von der aktuell vor allem Europa betroffen ist,
dürfte in den nächsten Monaten das Geschehen an
den Märkten sehr viel intensiver beeinflussen als
die US-Präsidentschaft, so Galler bei der
Vorstellung des "Guide to the Markets" für
das 4. Quartal 2020.
USA: Zukünftige Fiskalpolitik hat Einfluss
auf konjunkturelle Entwicklung
Mit Blick auf die USA wird es nach Meinung von
Tilmann Galler weitaus entscheidender sein, wie
sich die Mehrheitsverhältnisse in den beiden
Kongresskammern, dem Senat und dem
Repräsentantenhaus, in Zukunft gestalten. Dort
sieht es nach aktuellem Stand nach einer Bestätigung
der bisherigen Mehrheiten aus: Die Demokraten dürften
weiterhin über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus
verfügen, die Republikaner hingegen im Senat. Daraus
könnten sich durchaus Folgerungen aus wirtschaftlicher
Sicht ergeben: "Ein republikanisches Übergewicht im
Senat macht es unwahrscheinlich, dass es zu den von
den Demokraten vorgeschlagenen Steuererhöhungen kommt,
um das große Konjunkturprogramm zumindest in Teilen zu
refinanzieren", sagt Tilmann Galler.
Die Konjunkturrisiken könnten in dieser Konstellation
durch geringere fiskalische Unterstützung größer werden,
insbesondere wenn sich die Pandemie wieder verschärfen
sollte.
Einzig auf dem Feld der Regulierung des
Technologiesektors scheint es eine gewisse
überparteiliche Nähe zu geben: Noch gebe es zwar keinen
Konsens zwischen den Parteien, wie eine stärkere
Tech-Regulierung aussehen könnte, doch die enorme
Marktmacht von Unternehmen wie Google, Apple, Facebook,
Microsoft und Amazon wird in beiden US-Parteien zunehmend
kritisch gesehen. "Die Outperformance der US-Tech-Werte
hat in diesem Zusammenhang zuletzt etwas nachgelassen.
In den nächsten Jahren dürften sich in diesem Bereich
Veränderungen ergeben, die man als Investor im Blick
behalten sollte", analysiert der Marktexperte.
Covid-19: Erholung bleibt unvollständig trotz
Rekordzahlen beim BIP-Wachstum
Angesichts des inzwischen wieder dramatischen Anstiegs
der Covid-19-Infektionszahlen, insbesondere in Europa,
sieht Tilmann Galler weiterhin große Risiken für
Wirtschaft und Kapitalmärkte. Zwar habe es zuletzt
im 3. Quartal Rekordzahlen beim BIP-Wachstum gegeben,
doch die Wirtschaft ist immer noch weit entfernt von
der Normalität und dem Trendwachstumspfad der Zeit vor
COVID-19. Gleichwohl seien unterschiedliche Tendenzen
mit Blick auf das Wachstum einzelner Sektoren zu
beobachten. Während beispielsweise die Dienstleistungs-
branche das Wachstum vor der Pandemie maßgeblich getragen
hat, ist dieser Wirtschaftssektor jetzt besonders stark
betroffen durch die Maßnahmen der Pandemiebekämpfung.
Durch den neuerlichen Anstieg der Infektionen trübt sich
das Sentiment nun stärker ein. Dies ist auch in den USA
zu registrieren: "Ende Juli sind in den USA einige
massive Unterstützungsmaßnahmen für die Privathaushalte
ausgelaufen. Dies dürfte zu bremsenden Effekten beim
Konsum und in der Folge auch im Dienstleistungssegment
führen", stellt Tilmann Galler fest.
Auf der anderen Seite sieht der Experte vor allem im
verarbeitenden Gewerbe ein positives Momentum: "In den
Krisenmonaten wurden Lagerbestände sukzessive abgebaut.
Beim Blick auf das Verhältnis von Auftragseingängen zu
Lagerbeständen zeigt sich, dass die Nachfrage das Angebot
inzwischen um einiges übertrifft." Auch deshalb bleibt
das Umfeld der Unternehmensinvestitionen nach Analyse von
Tilmann Galler vorerst freundlich.
Bei Betrachtung der unterschiedlichen Regionen zeigt sich,
dass gerade in den asiatischen Ländern eine sehr viel
nachhaltigere Erholung stattgefunden hat - weil dort die
Pandemie deutlich besser in den Griff bekommen wurde als
etwa hierzulande. In China habe inzwischen ein neuer,
eigener Zyklus begonnen, losgelöst vom Rest der Welt.
Niedrigzinsumfeld wird auf Jahre andauern -
Inflationsrisiken kaum existent
Die Zentralbanken weltweit haben im Zuge der fiskal-
politischen Maßnahmen die Zinsen auf Rekordtiefstände
gesenkt. "Die Markterwartungen deuten sogar auf eine noch
leichte weitere Absenkung der Zinssätze hin", erklärt
Tilmann Galler. Die Zeit der Niedrigzinsen dürfte nach
Einschätzung des Experten somit noch viele Jahre andauern.
Denn gleichzeitig drohten aufgrund der negativen Folgen
der Pandemie auf die privatwirtschaftliche Nachfrage
vorerst keine Inflationsrisiken, was die Notenbanken auf
den Plan rufen würde. "Zusätzlich führt die Einführung
eines durchschnittlichen Inflationsziels von zwei Prozent
der Fed zu einer reaktiven anstelle einer proaktiven
Geldpolitik", beschreibt Galler die Situation.
Folgerungen für die Kapitalanlage: Balance halten
Tilmann Galler sieht im Aktienbereich derzeit vor allem
zwei große Gewinner der Krise: US-Wachstumswerte sowie
chinesische Aktien, darunter insbesondere Online-
Unternehmen wie Tencent oder Alibaba. Auf der anderen
Seite hinkten beispielsweise Value-Werte sowie die
Eurozone, Japan und UK als regionale Märkte hinterher.
Damit sich die Performance-Lücke zu den Tech- und
Wachstumswerten schließt, müsste nach Meinung von
Tilmann Galler ein wesentlicher Punkt erfüllt sein:
"Erst wenn die Covid-19-Krise als überstanden angesehen
werden kann, dürfte sich das Aufholpotenzial in den bislang
zurückgefallenen Segmenten entfalten." Es könne sein, dass
es schon in den nächsten Wochen positive Nachrichten
hinsichtlich eines Impfstoffes gebe - doch es könne auch
noch deutlich länger dauern. "Aufgrund dieser Ungewissheit
und dem quasi binären Risiko kommt es auf eine gute
Balance bei den Investmentstilen an. Die Entwicklungen sind
weiterhin sehr dynamisch, so dass eine Ausgeglichenheit
zwischen Growth und Value sinnvoll ist", erklärt Galler.
Auf der Anleihenseite seien Staatsanleihen längst keine
Alternative mehr. "90 Prozent der Staatsanleihen bieten
eine Verzinsung von unter einem Prozent. Damit ist es fast
unmöglich, einen positiven realen Ertrag über der
Inflationsrate zu erwirtschaften“, stellt der Experte fest.
Die Jagd nach Risikoprämien werde in Zukunft noch stärker
zunehmen. Gleichwohl sieht Tilmann Galler in einigen
Anleihensegmenten noch Chancen, wie etwa im
High-Yield-Bereich oder bei Anleihen aus Schwellenländern.
Insbesondere chinesische Staatsanleihen sieht Tilmann Galler
als attraktiv an, da sie neben Renditechancen auch eine
geringe Korrelation zu Aktien aufweisen.
Auch im Bereich der "Green Bonds", also Anleihen, deren
Erlöse grüne Projekte ganz oder teilweise finanzieren, sieht
Tilmann Galler zunehmend Chancen. "Die Zahl der Emissionen
von Green Bonds hat in den letzten Jahren stark zugenommen,
insbesondere in Europa, aber auch in Nordamerika und in der
Region Asien-Pazifik. Für Investoren ergibt sich daraus die
Möglichkeit, das Portfolio zunehmend auch in diesem Segment
zu diversifizieren", analysiert der Marktexperte. Auch sei
davon auszugehen, dass Zentralbanken Greend Bonds bei
Interventionen in Zukunft bevorzugten.
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Quelle: Investmentfonds.de
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