Investmentfonds.de
06.11.2020:
Janus Henderson Investors Kommentar: Zeit den Stillstand zu feiern
Köln, den 06.11.2020 (Investmentfonds.de) -
Paul O'Connor, Head of Multi-Asset bei
Janus Henderson Investors
Zeit den Stillstand zu feiern
Der Ausgang der US-Wahl ist noch nicht entschieden,
aber die Märkte haben bereits ihre Schlüsse gezogen,
wie sich die Dinge entwickeln werden. Mit dem
Eingang der ersten Wahlergebnisse hat die
Kursentwicklung bestätigt, dass sich die Investoren
bei der Bewertung auf zwei Themenkomplexe
konzentrieren: die allgemeine finanzpolitische
Ausrichtung der neuen Regierung und die darüber
hinausgehenden spezifischen Regierungsprogramme der
beiden Präsidentschaftskandidaten.
Die wirtschaftliche Kulisse dieser Wahl besteht aus
einer unvollständigen globalen Erholung, die nach
wie vor durch die anhaltende Verbreitung von Corona
in vielen großen Volkswirtschaften sowie durch die
schnell schwindenden fiskalischen Unterstützungs-
maßnahmen bedroht ist. Da die Zinssätze und Anleihe-
renditen bereits sehr niedrig sind, sehen Investoren
nur einen begrenzten Spielraum für die Zentralbanken,
das Wachstum wieder anzukurbeln, wenn die globale
Erholung an Schwung verliert. An den Finanzmärkten
bildet sich der Konsens, dass die Fiskalpolitik jetzt
mehr Verantwortung für die Unterstützung des
globalen Wachstums übernehmen muss, als sie es in den
letzten zehn Jahren getan hat. Deshalb sind die
finanzpolitischen Vorschläge von Donald Trump und
Joe Biden bei dieser Wahl so bedeutend.
Keine "Bonanza"
Natürlich werden die politischen Präferenzen des
Präsidenten nicht der einzige Faktor sein, der das
finanzpolitische Programm der neuen Regierung bestimmt.
Auch die Senatszusammensetzung wird einen großen
Einfluss auf den Umfang und die Art des Maßnahmenpakets
haben, das letztlich geschnürt wird. Durch die geringen
Aussichten auf einen von den Demokraten geführten Senat
wird das Szenario einer "blauen Welle", das viele
erwartet hatten, immer unwahrscheinlicher. Während das
Ergebnis für den Senat noch nicht endgültig feststeht
und es möglicherweise erst im Januar soweit sein wird,
ist Bidens fiskalischer Geldsegen jetzt nur noch
Spekulation, nachdem sie seit dem Wahlabend heiß
diskutiert wurde. Ein Rebound der risikoreichen Assets
vor dem Hintergrund schwindender Aussichten auf ein
reflationäres Konjunkturprogramm in den USA mag
unvereinbar erscheinen. Dennoch haben die Sektoren, die
die Hauptprofiteure von Bidens Konjunkturplänen gewesen
wären, nach den Wahlen einen Dämpfer erlitten, und
die US-Anleiherenditen bewegen sich auf einem niedrigeren
Niveau, was das erwartete Ende des Konjunkturprogramms
widerspiegelt. Bei den wichtigsten US-Aktienindizes
wurden diese Auswirkungen jedoch durch die Erholung der
Gesundheits- und Technologieaktien und anderer Sektoren
in den Schatten gestellt, die zu gerne annahmen, dass
Bidens Pläne für höhere Unternehmenssteuern und
regulatorische Eingriffe durch einen republikanischen
Senat verhindert werden.
Im Großen und Ganzen deutet die Marktreaktion auf die
Wahlnachrichten darauf hin, dass die Finanzmärkte eher
eine eingeschränkte Biden-Präsidentschaft bevorzugen
würden, als eine, die das Mandat hat, die angekündigten
Maßnahmen voll und ganz umzusetzen. Dies ist keine
ungewöhnliche Reaktion. Tatsächlich zeigt uns die
Geschichte, dass geteilte Mehrheiten im Kongress in der
Regel eine bessere Aktienmarktperformance erzielt haben
als geeinte, und die von den Demokraten geführten
Regierungen die besten waren. In diesem Fall würden wir
erwarten, dass das Programm einer Biden-Regierung durch
den Senat abgeschwächt wird. Die Prioritäten würden hin
zu einer Entlastung des Corona-Fiskalhaushalts sowie
einer Erhöhung der Infrastrukturausgaben verschoben
werden und weg von der Umverteilungspolitik und
regulatorischen Eingriffen, die einige der Börsengiganten
erschüttern würden.
Ängste verblassen
Die Aktienmärkte erholen sich in der Regel nach großen
erwarteten Risikoereignissen wie den US-Wahlen. Da vieles
darauf hindeutet, dass sich die meisten Investoren im
Vorfeld eher defensiv positioniert haben, scheint auch
hier eine typische Erholung stattzufinden. Die Investoren
greifen vermehrt auf Kassenbestände zurück und lösen
Absicherungen von vor den Wahlen auf. Die Aussicht auf
eine von Biden geführte Regierung, die die US-Regierung
wieder zu orthodoxeren und multilateralen Ansätzen in den
internationalen Beziehungen zurückführt und auch die
Handelsbeziehungen mit Europa und Japan verbessert, stimmt
Investoren zuversichtlich.
Kein Game-Changer
Wenn man also davon ausgeht, dass das Ergebnis mit einem
von Biden geführten Weißen Haus und einem republikanischen
Senat immer wahrscheinlicher wird, dann haben wir ein
Wahlergebnis, das bei weitem keine so großen Veränderungen
mit sich bringt, wie ein demokratischer "Clean Sweep".
Dies ist eine Kombination, die zweifellos oft zu einem
gesetzgeberischen Stillstand führen wird und die Hoffnungen
auf einen schnellen Wechsel zu einer fiskalischen
Ankurbelung der Konjunktur zunichtemacht. Dementsprechend
hat der Markt bisher die Erwartungen an das Szenario einer
"blauen Welle" bei einigen Assets negativ und die
Erleichterung bei anderen Assets positiv eingepreist.
Auch wenn es durchaus möglich ist, dass es bei dieser
Wahl länger dauert als sonst, bis eine formelle Lösung
gefunden wird, werden die Finanzmärkte dies wie immer
wahrscheinlichkeitstheoretisch angehen. Sie werden nicht
darauf warten, dass jedes Detail formell überprüft wird.
Das Wahlergebnis wird bald eingepreist sein, auch wenn das
Ergebnis noch nicht offiziell feststeht. Die Aufmerksamkeit
wird sich dann wieder auf die Wirtschaft und den anhaltenden
Einfluss von Corona auf die ökonomische Dynamik verlagern.
Aufgrund des jüngsten Anstiegs der Coronafälle in Europa,
haben Ökonomen die Prognosen für das Wachstum im vierten
Quartal gesenkt. Da das Virus auch in den USA an Dynamik
gewinnt, könnten die damit verbundenen kurzfristigen
wirtschaftlichen Risiken mehr Aufmerksamkeit bei den
Investoren finden, sobald die Wahlnachrichten abflauen.
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Quelle: Investmentfonds.de
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