Investmentfonds.de
20.01.2021:
J.P. Morgan AM: Die "Vollkasko-Marktwirtschaft"
Köln, den 20.01.2021 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Executive Director,CEFA/CFA,
Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management
Die "Vollkasko-Marktwirtschaft" beeinflusst
zunehmend die Finanzmärkte
Unterstützungsmaßnahmen der Notenbanken mit
jeder Krise umfangreicher
Staatliche Hilfen setzen falsche Anreize
Erosion der Risikoprämien
Frankfurt, 20. Januar 2021 - Die Unterstützungsmaßnahmen
der Notenbanken sind in der Pandemie auf ein beispielloses
Niveau gestiegen. Nach Ansicht von Tilmann Galler,
Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management
in Frankfurt, wird das Prinzip der
"Vollkasko-Marktwirtschaft" immer stärker zum bestimmenden
Wirtschaftsmodell. Das heißt, Staat und Notenbank zeigen
sich in zunehmendem Maße bereit, wirtschaftliche Risiken
des Privatsektors zu tragen, um negative Effekte für die
Gesamtwirtschaft abzufedern. Dies hat nach Überzeugung des
Marktexperten jedoch nicht nur Folgen für den weiteren Weg
der Fiskal- und Geldpolitik, sondern mehr und mehr auch für
die Kapitalanlage und die zu erwartenden Renditen.
Es begann mit dem "Greenspan-Put" - die Pandemie ist der
vorläufige Höhepunkt
Das erste ordnungspolitische Ausrufezeichen in Richtung
"Vollkasko-Marktwirtschaft" war nach Einschätzung von
Tilmann Galler der so genannte Greenspan-Put Ende der
1990er-Jahre: Die US-Notenbank senkte in den turbulenten
Wochen der Asien- und Russlandkrise die Leitzinsen gleich
drei Mal, um die Folgen der spektakulären Pleite des
LTCM-Hedgefonds für die Märkte zu mildern. Zahlreiche
Notenbanken rund um den Globus adaptierten die neue
Geldpolitik in den folgenden Jahren. In den Euro-Raum hielt
der Zentralbank-Put endgültig Einzug mit Mario Draghis
"Whatever it takes"-Rede 2012. In jeder der folgenden Krisen
wurden die Unterstützungsmaßnahmen der Notenbanken
umfangreicher und erreichten dieses Jahr mit der Pandemie
einen neuen Höhepunkt. "Noch nie waren die Leitzinsen so
niedrig und die Zentralbankbilanzen so aufgebläht wie heute",
stellt Tilmann Galler fest. Seit dem Ausbruch der
Corona-Pandemie wurde Liquidität in der Größenordnung von
7,2 Billionen US-Dollar in die Märkte gepumpt - das sind
rund 185 Milliarden US-Dollar pro Woche. "Der Niedrigzins
steigert zusehends auch die Bereitschaft der Fiskalpolitik
für Rettungsmaßnahmen und Risikoübernahme", ergänzt Galler.
Allein für 2020 rechnet der IWF für die Industrieländer mit
einem Haushaltsdefizit von 14 Prozent des BIP, wodurch das
Verhältnis von Gesamtverschuldung zu Wirtschaftsleistung auf
ein neues Allzeithoch von über 125 Prozent steigen werde.
Ausmaß der Pandemiehilfen kritisch zu hinterfragen
Während die Notwendigkeit staatlicher Pandemiehilfen
unzweifelhaft gegeben sei, könne das Ausmaß nach Einschätzung
von Tilmann Galler durchaus kritisch hinterfragt werden.
"Die staatlichen Hilfen für Unternehmen wurden teilweise ohne
Differenzierung vorgenommen, ob die wirtschaftliche Notlage
allein durch Corona eingetreten ist, oder ob eine risikoreiche
Unternehmenspolitik in den Vorjahren ohne Sicherheitsreserven
die Ursache war. Die Folge der massiven Rettungspakete ist
eine aktuell für eine Rezession ungewöhnlich niedrige
Insolvenzquote", erklärt Galler. Das sei auf den ersten Blick
durchaus ein erfreulicher Sachverhalt - doch sollte bedacht
werden, dass eine undifferenzierte Übernahme von Risiken durch
den Staat auch Auswirkungen auf das zukünftige Handeln der
Wirtschaftssubjekte habe. "Wenn übermäßige Risikonahme nicht
mehr bestraft wird, führt das zwangsläufig zu vermehrter
Spekulation, mehr Instabilität und zukünftig noch
umfangreicheren Rettungsmaßnahmen", ist der
Kapitalmarktexperte überzeugt.
Erosion der Risikoprämien schreitet voran
Für Anleger habe die Vollkasko-Marktwirtschaft nach
Beurteilung von Tilmann Galler gravierende Auswirkungen, die
zwar naheliegend seien, aber dennoch gern übersehen würden.
Die Gesamtrendite eines Investments setzt sich aus dem
risikofreien Zins und der Risikoprämie zusammen. "Im Idealfall
gilt: je höher das Risiko, desto höher die Kompensation. Wenn
nun aber Staaten und Notenbanken im Krisenfall dazu übergehen,
immer größere Teile des Risikos durch Interventionen zu
übernehmen, ist es letztendlich nur logisch, dass die
Risikoprämie fällt. Das heißt auch: Die These, dass nach der
starken Wertentwicklung von Unternehmensanleihen der letzten
acht Monate die Risikoaufschläge zu niedrig sind, läuft ins
Leere", sagt Galler. Die Märkte bildeten letztendlich die
neue Realität ab.
Es sei demnach kein Zufall, dass wir seit den 1990er-Jahren
Zeugen einer Erosion der Risikoprämien bei liquiden Anlagen
sind. "In einer Vollkasko-Markwirtschaft steigen Bewertungen
auf breiter Front. Was bei Staatsanleihen begonnen hat,
breitet sich nun immer mehr in andere Anlageklassen aus",
erklärt Tilmann Galler. Für Anleger gebe es trotz dieser
erschwerten Ausgangslage allerdings immer noch Opportunitäten
- als Faustregel gelte dabei: je weiter weg von staatlichen
Eingriffen und Zentralbankkäufen, umso besser. So sind
beispielsweise in den Schwellenländern oder bei alternativen
Anlagen auch heute noch attraktive Risikoprämien zu finden.
Disclaimer
Eine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit
der Angaben können wir nicht übernehmen, und keine
Aussage in diesem Artikel ist als solche Garantie zu
verstehen. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle
Einschätzung des Verfassers/der Verfasser wieder -
und stellen nicht notwendigerweise die Meinung von
(J.P. Morgan AM) oder deren assoziierter Unternehmen dar.
Die in diesem Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen
können sich ohne vorherige Ankündigung ändern. Weder
(J.P. Morgan AM) noch deren assoziierte Unternehmen
übernehmen irgendeine Art von Haftung für die
Verwendung dieses Artikels oder dessen Inhalt.
Wichtiger Hinweis: Alle Angaben und Links in diesem
Dienst wurden sorgfältig nach bestem Wissen und Gewissen
zusammengestellt. Für die Richtigkeit der Informationen und
Inhalte der Links wird jedoch keine Gewähr übernommen. Keine
der Informationsangaben ist als Werbung oder Angebot zu
verstehen. Bitte fordern Sie für jede (Geld-) Anlageentscheidung
den jeweils gültigen Verkaufsprospekt und Geschäftsbericht an
und vereinbaren einen Beratungstermin mit einem professionellen
Anlageberater.
------------- Anzeige -----------------
------------- Anzeige ------------------
Quelle: Investmentfonds.de
|