Investmentfonds.de
03.05.2021:
J.P. Morgan AM: Ein Frühzyklus mit spätzyklischen Bewertungen
Köln, den 03.05.2021 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan
Asset Management in Frankfurt
Ein Frühzyklus mit spätzyklischen Bewertungen
Aktive Fiskalpolitik löst einen Wachstumsboom aus
Inflation steigt - doch Zentralbanken bleiben ruhig
Bewertungen und Inflationsrisiken sollten im
Portfolio berücksichtigt werden
Frankfurt, 3. Mai 2021 - Die Experten von J.P. Morgan
Asset Management sehen den aktuellen Konjunkturzyklus von
einer besonderen Dynamik geprägt: "Wir befinden uns seit
über 13 Monaten in der Pandemie, die mit einer wirtschaftlichen
Vollbremsung begann. Es folgte eine der schnellsten ökonomischen
Erholungen nach einer Krise mit einem Plus von durchschnittlich
rund 50 Prozent an den Aktienmärkten weltweit", betont
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset
Management in Frankfurt. Trotz der positiven Perspektiven gebe
es unter der Oberfläche jedoch einige Entwicklungen, die
Anlegerinnen und Anleger nicht außer Acht lassen sollten. "Der
aktuelle Frühzyklus zeigt bereits spätzyklische Bewertungen",
stellt der Kapitalmarktexperte fest. Auf der Aktienseite seien
vor allem die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) von Wachstumswerten
stark erhöht, auf der Anleihenseite lägen die Risikoprämien
deutlich unter dem Durchschnitt. Für die Aktien- und auch die
Anleihenanlage bedeute dies, dass die große "Beta-Rally" vorbei
ist und künftig ein selektiveres Vorgehen notwendig wird.
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Außergewöhnlich expansive Fiskalpolitik löst einen
Wachstumsboom aus
Wesentliches Merkmal eines Frühzyklus ist das starke
Wirtschaftswachstum.
Für die USA rechnet Galler im Jahr 2021 mit einer Steigerung
von bis zu 7 Prozent. In China könnte die Wirtschaft sogar
um 8 Prozent wachsen. Das Wachstum in den Industrieländern
weltweit ist jedoch in erster Linie von den geld- und
fiskalpolitischen Maßnahmen getrieben. In den USA etwa
wurde erst kürzlich ein 1,9 Billionen US-Dollar schweres
Konjunktur¬programm auf den Weg gebracht, zusätzlich zu dem
bereits im Dezember beschlossenen über 900 Milliarden großen
Corona-Rettungspaket. Interessant sei daher, die Entwicklungen
in China zu betrachten, da das Land in der Pandemie eine
"First-in-first-out"-Rolle innehat. Früher oder später stellt
sich für jedes Land die Frage, wie die fiskalischen Anreize
zurückgefahren werden können, um die mittel- bis langfristige
makro-ökonomische Stabilität nicht zu gefährden. In China sind
laut Galler bereits die ersten Maßnahmen in dieser Hinsicht
zu beobachten. So solle das Fiskaldefizit in diesem Jahr
nur noch halb so groß sein wie im vergangenen Jahr. Der
Konsolidierungskurs hat gleichwohl bereits zu ersten Rückschlägen
bei chinesischen Aktien geführt.
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In den USA sei ein Zurückfahren der fiskalpolitischen Maßnahmen
bislang nicht absehbar. Im Gegenteil: Im Hinblick auf die
Kongresswahlen Ende 2022 dürfte die Demokratische Partei alles
daran setzen, die Unterstützungsmaßnahmen bis dahin wirken zu
lassen, um mit dem Rückenwind einer robusten Konjunktur in diese
wichtigen Wahlen zu gehen. Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren
ist laut Galler nun zu beobachten, dass Fiskalausgaben gesteigert
würden, selbst wenn die Wirtschaft auf Erholungskurs ist.
"Die fiskalischen Maßnahmen haben ihren stabilisierenden Charakter
verloren zugunsten von politischen Zielen. Die Gefahr ist nun,
dass Fiskalprogamme zu einem Kontinuum werden", erläutert der Ökonom.
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Aufgestauter Konsum führt zu enormer Nachfrage
Trotz der weiterhin positiven wirtschaftlichen Aussichten gerade
in den USA, aber auch in Europa, sieht Tilmann Galler einige
Entwicklungen, die letztendlich negative Auswirkungen auf Unternehmen
haben könnten. Auf der einen Seite sind die Sparquoten der privaten
Haushalte enorm hoch. "Wenn es das Virus zulässt und sich das
öffentliche Leben in den nächsten Monaten sukzessive normalisiert,
findet der bisher aufgestaute Konsum den Weg in die Märkte. Für die
USA rechnen wir mit einer maximal aggregierten überschüssigen
Konsumnachfrage in Höhe von rund zwei Billionen US-Dollar",
erklärt Galler.
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Auf der anderen Seite können viele US-Unternehmen diese steigende
Nachfrage kaum bewältigen - gerade auch, weil Arbeitskräfte
aufgrund der umfassenden staatlichen Unterstützungsmaßnahmen
nicht gewillt sind, freie Stellen im Niedriglohnsektor anzunehmen.
Unternehmen könnten daher gezwungen sein, höhere Löhne zu bieten.
Dies würde die Kosten steigern, den Preisauftrieb verstärken und
sich negativ auf die Margen auswirken. "Aktuell tritt diese
Problematik aufgrund der hohen Umsätze noch kaum in Erscheinung.
Doch sollte sich das Umsatzwachstum in den nächsten Quartalen
wieder etwas normalisieren, wird die Kostenseite relevanter",
stellt der Ökonom fest. Dies dürfte die Unternehmensgewinne in
Zukunft stärker belasten und sich bremsend auf die Aktien-Performance
auswirken.
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Trotz wachsendem Inflationsdruck - die Zentralbanken halten still
Die aktuelle Situation mit steigender Güternachfrage und begrenztem
Angebot hat die Lagerbestände abschmelzen lassen und führt inzwischen
in zahlreichen Bereichen wie Holz, Halbleiter, Frachtraten, Kupfer
und Stahl zu starken Preisreaktionen. Dennoch werden nach Analyse
von Tilmann Galler die Zentralbanken nichts dagegen unternehmen, weil
sie erstens den Inflationsanstieg nur als ein temporäres Phänomen
einschätzen und zweitens nach einem Jahrzehnt des Verfehlens der
eigenen Inflationsziele fest entschlossen sind diese jetzt zu
erreichen. "Die Hinwendung zu einem durchschnittlichen Inflationsziel
erlaubt es den Notenbanken auch, vorerst eine deutlich höhere
Inflation zu tolerieren", erklärt Galler. Frühestens Anfang 2022
dürften sich demnach Zentralbanken mit der Frage beschäftigen, wann
und in welchem Umfang die quantitativen Maßnahmen zurückgeführt
werden und frühestens 2023 könnte es dann zur Zinswende kommen.
Als ersten Staat der G7, der eine Zinserhöhung einleiten könnte,
sieht Galler Kanada, um der Entwicklung der Immobilienpreise
gegenzusteuern.
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Bewertungen und Inflationsrisiken sollten im Portfolio
berücksichtigt werden
Auf der Anleihenseite sind nach Darstellung von Tilmann Galler
steigende Renditen zu erwarten, wobei aufgrund steigender
Inflationserwartungen die Realrenditen weiter negativ zu Buche
schlagen. Ein Schutz gegen steigende Renditen der US-Staatsanleihen
können im festverzinslichen Bereich Hochzinsanleihen bieten. Kräftig
steigende Unternehmensgewinne sollten die Ausfälle im
High-Yield-Segment begrenzen, weshalb die Kouponzahlungen die
Kursverluste durch steigende Marktrenditen mehr als kompensieren
dürften. Wandelanleihen eignen sich aktuell auch sehr gut, um das
Risiko-Rendite-Profil zu verbessern. "Unser aktuelles Szenario mit
moderatem Aufwärts-potential für Aktien, geringem Ausfallrisiko bei
Unternehmen und der Aussicht auf höhere Volatilität an den Märkten
ist ein ideales Umfeld für diese hybride Anlageklasse", sagt Galler.
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Steigende Anleihenrenditen müssen Aktienanleger aus Sicht des
Ökonomen gleichwohl nicht verschrecken. Chancen sieht Galler vor
allem bei Value-Aktien, etwa aus den Bereichen Finanzen, Industrie
und Energie, die üblicherweise in Marktphasen der Reflation
überproportional profitieren. Auch Immobilienaktien (REITs) böten
weiterhin Potenzial. In einem inflationären Umfeld drehen oft die
Korrelationen zwischen Staatsanleihen und Aktien ins Positive, weshalb
die Anleihen für das Portfolio in diesem Umfeld kaum Schutz vor
Rückschlägen liefern können. Makro-Strategien, die weniger abhängig
von der Richtung der Märkte sind, können deshalb in dieser Phase
Mehrwert liefern. Diese hätten bei zuletzt steigenden Märkten zwar
keine sehr starke Performance gezeigt, sie wirken jedoch erwiesenermaßen
in Bärenmärkten stabilisierend und rentieren oft höher als die
Alternative Cash.
Vieles ist nach Einschätzung von Tilmann Galler aber letztlich von der
weiteren Entwicklung der Virusbekämpfung abhängig. "Ob die aktuellen
Bewertungen an den Kapitalmärkten gerechtfertigt sind, entscheidet der
weitere Verlauf der Pandemie." Ein hohes Maß an Marktunsicherheit
bleibe somit weiterhin bestehen.
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Quelle: Investmentfonds.de
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