Investmentfonds.de
08.10.2021:
DPAM: ÄNGSTLICHE EZB, ZUVERSICHTLICHE FED
Köln, den 08.10.2021 (Investmentfonds.de) -
Peter De Coensel, Member of the Management Board bei DPAM
ÄNGSTLICHE EZB, ZUVERSICHTLICHE FED,
MISSTRAUISCHE SCHWELLENLÄNDER
Der EZB-Rat hat angekündigt, seine Anleihenkäufe
im Rahmen des PEPP (Pandemic Emergency Purchase
Program) auf ein "moderat niedrigeres Tempo"
umzustellen - von bisher monatlich 80 Mrd. Euro
auf 65 bis 70 Mrd. Euro. Marktbeobachter warnen,
dass eine solche Entscheidung im Widerspruch zur
Strategieüberprüfung der EZB vom Juli vergangenen
Jahres steht, in der auf "energische oder
anhaltende" geldpolitische Maßnahmen verwiesen
wurde, um negative Abweichungen vom Inflationsziel
zu vermeiden. Solche Abweichungen sollten sich
nicht verfestigen.
Auf der letzten EZB-Pressekonferenz gab es jedoch
keine Anzeichen, die zum jetzigen Zeitpunkt
Anlass zur Sorge geben könnten. Erstens hat die
EZB ihre Inflationsschätzung für 2023 von 1,4 %
auf 1,5 % angepasst, während sie gleichzeitig
ihre BIP-Wachstumsprognose für 2021 auf 5 %
erhöhte. Zweitens deutete die EZB in den
vergangenen sechs Monaten an, dass sie den
PEPP-Finanzrahmen bis März 2022 voll ausschöpfen
würde. Sie liegt nach wie vor gut auf Kurs.
Drittens ist die Flexibilität, die sie seit
Ausbruch der Pandemie propagiert, immer noch
intakt. Daher komme ich zu dem Schluss, dass der
Weg des geringsten Widerstands dazu führen wird,
dass die EZB das gesamte Programm zum Ankauf von
Vermögenswerten über März 2022 hinaus an die
Bedingungen anpassen wird, die in den
Wintermonaten Ende 2021 und Anfang 2022
herrschen werden.
Die Tatsache, dass sich die EZB nicht zu früh
darauf festlegen will, sich über die Dynamik
der quantitativen Lockerung (QE) der EZB nach
März 2022 zu äußern, ist auf die derzeitige
hohe Intensität ihrer Interventionspolitik
zurückzuführen. Inzwischen ist die implizite
Steuerung der Renditekurve gut etabliert.
Der Markt für Euro-Staats- und Investment-
Grade-Unternehmensanleihen steht quasi unter
der vollständigen Kontrolle des QE-Programms
der EZB. Die Signalfunktion der risikofreien
Zinssätze für den Konjunktur- und Kreditzyklus
ist längst nicht mehr gegeben. Man gewinnt
den Eindruck, dass die gesamte EZB-Kommunikation
eine gewisse Angst verbreitet. Angst vor
einem politischen Fehler in einem europäischen
Konstrukt, das viele Bruchlinien aufweist
(dazu ein dichter politischer Wahlkalender);
Angst aufgrund der verfrühten Veröffentlichung
des geldpolitischen Berichts im Juli.
Die Konturen der Überprüfung ihrer Politik
lassen zu viel Spielraum für Interpretationen.
Die Ungewissheit über die Ergebnisse der
Inflationsanalyse bis 2025 (Modellrisiko der
Einbeziehung der Wohnkosten in den HVPI-Warenkorb)
macht das Ablesen des neuen pauschalen
Inflationsziels von 2 % zu einem äußerst heiklen
Unterfangen. Folglich verlagert sich die Diskussion
unter den Anleihemanagern von der "Höhe der Renditen"
zur "Form der Renditekurve". Die Höhe der
Laufzeitprämien über die verschiedenen Laufzeiten
hinweg steht dabei im Mittelpunkt. Da die offiziellen
Leitzinsen fest bei -0,50 % verankert sind und ein
immer größerer Teil der ausstehenden europäischen
Staats- und Unternehmensanleihen in der Bilanz der
EZB ausgewiesen wird, machen sich die Anleger
weniger Sorgen über die Entwicklung der 10-jährigen
Renditen als vielmehr über die Renditedifferenzen
zwischen 5-, 10- und 30-jährigen Staatsanleihen.
Ungeachtet eines ähnlichen Szenarios stark negativer
Realzinsen in der EU und den USA sind die
Auswirkungen für Sparer, die in der EU mit
negativen Leitzinsen konfrontiert sind, im
Vergleich zu den Nullzinsen in den USA erheblich.
Inzwischen haben die meisten Banken in der EU
beschlossen, das Sparen zu belasten, indem sie
ab einer bestimmten Einlagenhöhe einen Strafzins
erheben. Dies wird immer mehr Haushalte zu
Zwangsinvestitionen in Immobilien und/oder die
Finanzmärkte treiben. Ohne die richtigen
makroprudenziellen Maßnahmen kann dieses Verhalten
zu einer Überhitzung der Immobilienmärkte und zu
mehr Unruhe in bestimmten Bereichen der öffentlichen
Kapitalmärkte führen. In dem Moment, in dem die EZB
beginnt, die vorgenannten Risiken zu erwähnen,
könnte es zu einer Verkettung von Umständen kommen,
die zu einem "Zins-Tantrum" in der EU führen könnten,
das NICHT auf einem EZB-Kurs der geldpolitischen
Drosselung beruht, sondern auf einer früheren Rückkehr
zu einem Einlagenzins von 0,00 %. Die Debatte um die
,Reversal Rate', der Zinssatz, ab dem sich die
unterstützende Geldpolitik ins Gegenteil verkehrt,
hat sich in letzter Zeit abgeschwächt, muss aber wieder
intensiviert werden. Um mittelfristig nachhaltige
Wachstumsraten in der Eurozone zu erreichen, sollte
die EZB über die Vorteile des richtigen Signals
nachdenken, das mit dem Abschied von der
Negativzinspolitik einhergeht.
Wenn die Charakterisierung der EZB als "ängstlich"
ausfällt, dann kommen wir bei der US-Notenbank zu dem
Begriff "zuversichtlich". Die Fed wollte sich nicht
durch einen ,kalenderbasierten' Ansatz für die
Geldpolitik in die Enge treiben lassen und entschied
sich stattdessen für eine Kommunikation auf der
Grundlage der durchschnittlichen Inflation und der
maximalen, umfassenden Beschäftigungsziele. Die
eindeutige Prioritätensetzung der Fed zugunsten der
Erholung des Arbeitsmarktes führte dazu, dass der
Markt für Staatsanleihen sich von einer Reihe hoher
Erzeuger- und Verbraucherinflationsdaten nicht
beeindrucken ließ. Dies schlug sich in niedrigeren
Realrenditen über das gesamte Laufzeitenspektrum
hinweg nieder. Vor allem am kurzen Ende mit realen
1- und 2-Jahres-Renditen bei TIPS von etwa -3,10 %
bzw. -2,70 %.
Die Zentralbanken der Schwellenländer haben den Anstieg
der inländischen Inflation in den vergangenen sechs
Monaten als ein nicht-vorübergehendes Ereignis
interpretiert. Die meisten beschlossen, die Leitzinsen
vorsorglich zu erhöhen. Die Pandemie hat die Verschuldung
erhöht, und die Lebensmittelinflation wirkt sich stark
auf die Kaufkraft der Haushalte aus. Die Impf-Fortschritte
liegen weit hinter denen der entwickelten Märkte zurück.
Aber die Schwellenländer haben einen Vorsprung in
Bezug auf die ‚Corona-Saisonalität‘. Die Erholung
des Wachstums ist intakt. Die Enttäuschung bezieht
sich eher auf mangelndes Tempo als auf mangelnde
Chancen. Die Leistungsbilanzdefizite haben sich
deutlich verringert. Die SFD-Unterstützung
(Sonderziehungsrechte) des IWF schützt die
Staatshaushalte. Diese vorbeugende Geldpolitik hat
die Währungen der Schwellenländer stabilisiert und
gleichzeitig die Renditedifferenzen gegenüber
US-Staatsanleihen auf zyklische Höchststände getrieben.
Der Kontrast zwischen der Situation im Jahr 2013 und
heute ist offensichtlich. Damals führte der
Kommunikationsfehler von Fed-Präsident Ben Bernanke
hinsichtlich des Taperings zu einem mehrjährigen
Konjunktureinbruch in den Schwellenländern und einer
ausgeprägten Baisse bei Schwellenländeranleihen. Die
Kurse der Schwellenländeranleihen erholen sich seit
dem 23. August 2021. Der August 2021 könnte als das
in Erinnerung bleiben, was der März 2021 für die
US-Staatsanleihen war: eine Kaufgelegenheit.
Bleibt abzuwarten, was geschieht.
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