Investmentfonds.de
15.11.2021:
Aegon AM: Weltwirtschaft am Scheideweg - drei mögliche Ergebnisse
Köln, den 15.11.2021 (Investmentfonds.de) -
Jacob Vijverberg, Investment Manager, Multi-Asset Investing
bei Aegon Asset Management
Weltwirtschaft am Scheideweg
15. November 2021 - Die Weltwirtschaft befindet sich
an einem Scheideweg. Sie kann den Aufschwung gemäß
unserem Basisszenario erfolgreich fortsetzen, indem
sie die Inflation in Schach hält und ein stabiles
Wachstum erzielt. Es gibt jedoch auch drei andere
mögliche Ergebnisse: die wilden 20er, eine Inflation
oder die düstere Aussicht auf eine "Japanisierung".
Die wilden 20er
Es gibt zwar keine Fransenkleider und keine Prohibition,
aber es gibt heute Ähnlichkeiten mit den "Roaring 20s",
einem Jahrzehnt mit starkem Wirtschaftswachstum. Bei den
aufgeschobenen Ausgaben besteht ein Nachholbedarf. Da die
Geschäfte und Restaurants geschlossen und die
Urlaubsreisen eingeschränkt waren, wurde weniger
konsumiert (vor allem im Dienstleistungsbereich) und mehr
gespart. Das könnte sich wieder ändern.
Eine schnellere Einführung von Technologien könnte zu einem
höheren Produktivitätswachstum führen. Ebenso könnten die
Unternehmen bereit sein, mehr Geld auszugeben. Viele von
ihnen haben ihre Investitionen vergangenen Jahr reduziert,
um Kapital und Liquidität zu sichern. Jetzt, da sich die
wirtschaftliche Lage verbessert hat, können diese Unternehmen
ihre Investitionsprogramme zur Kapazitätserweiterung wieder
aufnehmen. Insbesondere Unternehmen, deren Lieferkette
unterbrochen wurde, werden wahrscheinlich mehr in inländische
Anlagen investieren, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber
künftigen Schocks zu verbessern.
Eine weitere interessante Parallele zu den Zwanzigern sind
die Infrastrukturausgaben. Vor einem Jahrhundert wurde die
Massenproduktion von Fahrzeugen in der westlichen Welt
alltäglich, was umfangreiche Infrastrukturinvestitionen wie
Straßen und Brücken erforderte. Zur gleichen Zeit führte
die Einführung von Telefonen dazu, dass Telefonleitungen
über Kontinente hinweg verlegt wurden. Heute haben die
Regierungen riesige Budgets zur Unterstützung der Energiewende
und zur Erneuerung der maroden Infrastruktur bereitgestellt.
Ein Szenario der wilden 20er würde eine höhere Inflation und
einen stärkeren Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt mit sich
bringen. Risikoreiche Anlagen wären die bevorzugten
Anlageklassen, während sichere Anlagen - insbesondere
Staatsanleihen - unter Druck geraten könnten.
Inflationstrend
Die weltweite Inflation war in den letzten Jahrzehnten
rückläufig, was auf die Globalisierung, den geringeren
Lohndruck, den technologischen Fortschritt und die
demografische Entwicklung zurückgeführt wird. Seit Anfang
2021 hat sich dieser Trend drastisch umgekehrt. Nun
diskutieren Ökonomen, ob die Inflation für einen längeren
Zeitraum hoch bleiben wird.
Eine strukturell höhere Inflation ist plausibel. Die Nachfrage
hat sich im Allgemeinen als widerstandsfähiger erwiesen als
ursprünglich befürchtet und die Unternehmen waren nicht in
der Lage, die Produktion entsprechend zu steigern. Dies führt
derzeit zu Unterbrechungen der Versorgungskette, zusätzlich
zu den Störungen im Zusammenhang mit Covid-19, was zu
vorübergehenden Engpässen und höheren Preisen führt.
Gleichzeitig haben die Zentralbanken eine lockere Geldpolitik
verfolgt. Wenn die geschaffene Liquidität ihren Weg in die
Realwirtschaft findet, könnte dies zu einer Inflation führen.
Die Lohninflation nimmt aufgrund der angespannten Lage und der
Spannungen auf dem Arbeitsmarkt zu. Auch die Unternehmen sehen
sich mit höheren Kosten konfrontiert: zum einen durch die
Umkehrung der Auslagerung in Niedriglohnländer, da die Pandemie
die Anfälligkeit komplexer und internationaler Lieferketten
offenbart hat, zum anderen aber auch durch groß angelegte
Investitionspläne zur Verbesserung der Infrastruktur und zur
Förderung erneuerbarer Energien.
In einem Inflationsszenario würden wir erwarten, dass
Vermögenswerte mit einer positiven Inflationsbindung, wie
Rohstoffe, gut abschneiden. Wir gehen davon aus, dass die
politischen Entscheidungsträger bei einer anhaltenden Inflation
handeln werden, indem sie die Programme zum Ankauf von
Vermögenswerten zurückfahren und die Leitzinsen anheben. In
diesem Fall würden die Zinssätze für Staatsanleihen steigen,
was zu negativen Renditen für Staatsanleihen führen würde.
Aktien könnten sich kurzfristig als volatil erweisen, sollten
sich aber mittelfristig gut entwickeln.
"Japanisierung"
Das vielleicht düsterste Szenario ist ein schwaches
Wirtschaftswachstum, niedrige Inflation und niedrige Zinssätze,
ähnlich wie in Japan in den 1990er Jahren, als das Land in sein
"verlorenes Jahrzehnt" eintrat. Das Wachstum könnte sich als
enttäuschend erweisen, wenn eine neue impfstoffresistente
Variante auftaucht oder sich die Weltwirtschaft als stärker
angeschlagen erweist als derzeit erwartet. Ein Rückgang des BIP
oder eine langsame Erholung dürfte sich disinflationär auswirken,
da die Arbeitslosigkeit höher und die Kapazitätsauslastung geringer
sein wird. Da die Zinssätze bereits niedrig sind, werden die
Zentralbanken nur begrenzte Möglichkeiten haben, um die Inflation
wieder auf ihre Ziele zu bringen.
Obwohl Japans Geschichte einzigartig ist, gibt es zwei Faktoren,
in denen sich die westliche Welt und Japan ähneln: die hohe Staats
verschuldung und die schwache Demografie. Auch wenn die
"Japanisierung" eine unwahrscheinliche Option bleibt, ist sie
dennoch möglich.
In einem Szenario wie in Japan werden die Zentralbanken die
Leitzinsen niedrig halten, um die Inflation und das Wirtschafts-
wachstum zu stützen. In diesem Szenario werden die Realzinsen -
trotz der niedrigen Inflation - niedrig oder sogar negativ
bleiben. Vermögenswerte, die von niedrigen Zinsen profitieren,
wie z. B. Staatsanleihen mit langer Laufzeit, dürften sich gut
entwickeln. Aktien hingegen hätten mit Gegenwind zu kämpfen.
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Quelle: Investmentfonds.de
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