Investmentfonds.de
12.01.2022:
DPAM Heute schon daran denken, was zu tun ist, wenn Inflation wieder sinkt
Köln, den 12.01.2022 (Investmentfonds.de) -
Peter De Coensel , CEO von DPAM
FORWARD-GUIDANCE
In den letzten fünf Jahren haben die Zentralbanken die Finanzmärkte durch
detaillierte Kommunikation auf äußerst transparente Weise vorbereitet,
informiert und gelenkt. Marktteilnehmer passen ihre Positionierung in dem
Moment an, in dem die geldpolitischen Institutionen neue Tendenzen in Bezug
auf Konjunktur- und Risikoeinschätzungen sowie geänderte Überlegungen zur
Festlegung der Leitzinsen bekannt geben. Die korrekte Einschätzung des
Verlaufs bzw. der Form der Reaktionsfunktion einer Zentralbank ist wie die
Suche nach dem heiligen Gral. Aus dem am 5. Januar veröffentlichten
FED-Protokoll geht hervor, dass 15 von 18 Notenbank-Gouverneuren mit Blick
auf den Kerninflations-Index für persönliche Konsumausgaben ein Aufwärtsrisiko
erwarten. Dieser lag im November bei 4,7 %. Der Dezemberwert wird für den
28. Januar erwartet, zwei Tage nach der nächsten FED-Sitzung.
Klare ,Forward Guidance`, also offene Kommunikation über die künftigen
geldpolitischen Absichten, hat ihren Zweck erfüllt. Richtig umgesetzt führt sie
zu Stabilität auf den Finanzmärkten, nicht zu Instabilität. Spitzen in der
Marktvolatilität im Nachgang der Veröffentlichung von Notenbank-Protokollen
sind auf Gruppen von Marktteilnehmern zurückzuführen, die in Panik geraten,
sofortige Maßnahmen fordern und das Narrativ nähren, dass die
Zentralbanken die Kontrolle verloren haben und zu spät agieren.
Zentralbanken sind jedoch sehr gut informiert, und ihre Veröffentlichungen
zeugen von einer qualitativ hochwertigen Analyse. Die Wahrnehmung
weicht oft von der Realität ab. Im Dezember 2021 wurde deutlich, dass die
Liquiditätsversorgung in Form aktiver quantitativer Maßnahmen Ende des
ersten Quartals 2022 abrupt enden würde. Die US-Renditekurve verschob
sich parallel innerhalb der 5- bis 30-jährigen Laufzeiten um etwa 24 Basispunkte
nach oben. Die 2-jährigen Renditen blieben zurück und stiegen nur um
13 Basispunkte auf 0,86 %. 10-jährige US-Treasuries legten um 25 Basispunkte
zu und stiegen von 1,51 auf 1,76 %. Der 1-Jahres-Forward für diese Papiere
schloss bei 2,00 %. Dies entspricht in etwa dem Konsensniveau von 2,05 %
auf 10-Jahres-Sicht, das von einer breiten Gruppe von Wirtschaftsexperten,
die von Bloomberg befragt wurden, für Ende 2022 genannt wurde.
Der Weg ist frei für die FED, um das umzusetzen, was heute eingepreist ist: eine
Anhebung der Leitzinsen im März, gefolgt von weiteren zwei bzw. drei Erhöhungen
im Laufe des Jahres 2022. Wenn also US-FED-Fonds-Futures drei bis vier
Erhöhungen im Jahr 2022 eingepreist haben, würden zwei davon auf das Jahr 2023
entfallen und diesen Zyklus bei 1,50 bis 1,75% beenden. Der FED-Fahrplan für die
nächsten eineinhalb Jahre steht. Es ist zu erwarten, dass Jerome Powell in dieser
Woche als FED-Vorsitzender wiedergewählt bzw. Lael Brainard als seine
Stellvertreterin ernannt wird, wenn sie diese Erwartungen bei ihren Anhörungen
im Senat bestätigen. Ob die FED im zweiten Halbjahr 2022 mit einer aktiven
quantitativen Straffung beginnt, wird noch zu diskutieren sein.
Die Reduzierung der Notenbank-Bilanzsumme durch die Begrenzung der
monatlichen Reinvestitionen führt schnell zu einer Verschärfung der finanziellen
Bedingungen. Die Bereitschaft der Banken, die Geldmenge durch die
Bereitstellung von Krediten zu erhöhen, könnte diese Verschärfung abfedern,
aber auch zu kurz greifen, wenn die Kundennachfrage nicht mitspielt. In jedem
Fall könnte eine zu frühe Ankündigung einer quantitativen Straffung das Signal
dafür sein, dass der Zielleitzins unter 2,00 % bleiben wird. Die letzte Episode
der quantitativen Straffung aus dem Jahr 2018 sollte überdacht werden!
Der bilanzielle Straffungsprozess hat mehr Gewicht und wirkt sich
schneller auf die finanziellen Bedingungen aus als Zinserhöhungen.
Die oben genannten Ereignisse führten zu einem Anstieg der impliziten
Aktienvolatilität, aber für den aufmerksamen Beobachter auch zu einem
Rückgang der impliziten Anleihenvolatilität! Die Aktienmärkte gerieten in
Aufruhr, als die Realrenditen ebenso stark anstiegen wie die Nominalrenditen.
Das Spiel kann beginnen - mit der Vorhersage, wann wir die erste negative
Inflationsrate im Vergleich zum Vormonat sehen werden. Seien Sie sich
bewusst, dass eine solche Entwicklung die Inflationserwartungen in ihr
Gegenteil verkehrt. Es ist ein bisschen wie bei den Pandemiezahlen, die zu
einem steilen Anstieg führen, gefolgt von einem steilen Rückgang, wenn die
Intensität nachlässt. Inflationswerte werden ein ähnliches Muster aufweisen,
das sich natürlich über Jahre und nicht wie bei Corona-Infektionen über
Monate erstreckt.
Wir müssen heute darüber nachdenken, wie wir uns verhalten werden,
wenn wir sinkende Inflationsraten erreichen.
Schon jetzt ist mit einem stärkeren Aufwärtsdruck auf die (negativen)
Realrenditen als auf die Nominalrenditen zu rechnen. Im zweiten Halbjahr 2022
und 2023 sollten wir nicht überrascht sein, wenn die Inflationserwartungen
unter Abwärtsdruck geraten. Während des Zinserhöhungszyklus der FED von
Dezember 2015 bis Dezember 2018 schwankten die 10-jährigen Inflations-
erwartungen um 2,00 %. Heute haben sich die 10-jährigen US-Inflations-
erwartungen bei 2,50 % eingependelt. Der letzte Zinserhöhungszyklus stieg
final auf 2,5 %, wobei die 10-jährigen Nominalsätze einen Höchststand von
knapp über 3,00 % erreichten. Da sich die Märkte heute auf einen finalen
Leitzins zwischen 1,50 und 1,75 % einstellen, könnten die 10-jährigen
Renditen Höchststände um 2,25 % erreichen. Dies würde stark als
Kaufgelegenheit proklamiert werden. Da die Staatsverschuldung im
Verhältnis zum BIP in den letzten zwei Jahren um etwa 20 Prozentpunkte
gestiegen ist, könnte dies in der Tat ein Niveau sein, auf das man hoffen
kann. Mehr Schulden bedeuten weniger reales Wachstumspotenzial. Das
Credo „Low for longer“ könnte somit in Bezug auf die langfristigen
Renditen noch länger Bestand haben. Das bringt mich zu den Aktienmärkten.
Diese sollten die Realrenditen genau im Auge behalten.
Steigende reale 10-Jahres-US-Renditen, die im Laufe der letzten Woche um
26 Basispunkte auf -0,76 % anstiegen, wirken sich deutlich negativ auf die
Bereiche Informationstechnologie und Gesundheitswesen aus, da diese
Unternehmen häufig Ertragsmodelle mit langer Duration aufweisen. Das
Gegenteil gilt für den Energie- und den Finanzsektor, da höhere Realrenditen
einen vielversprechenden Wachstumszyklus widerspiegeln. Beide Sektoren
haben im Laufe des Jahres 2021 eine solide Wertentwicklung gezeigt und zu
Beginn des Jahres 2022 stark zugelegt, insbesondere britische Bankwerte,
die von einem frühen Straffungszyklus der Bank of England profitieren. Die
EZB sollte dies zur Kenntnis nehmen und dem EU-Bankensektor Hoffnung auf
eine Normalisierung der Leitzinsen im ersten Halbjahr 2023 geben - zurück zur
Null-Zins-Politik, unter Verlassen des Terrains negativer Zinsen. In Bezug auf
die US-Aktienmärkten sollte man sich der dünnen Marktbreite bewusst sein,
deren Umstände zu historischen Indexhöchstständen geführt haben.
Mitte April 2021 wurden 97% der Aktien des S&P 500 über ihrem gleitenden
200-Tage-Durchschnitt gehandelt, während der Index um 4.200 Punkte
pendelte. Anfang Dezember 2021 erreichte dieser Wert mit 54% einen
Tiefstand und stieg bis Jahresende auf etwa 74%. Dennoch erreichte
der US-Leitindex am 3. Januar mit 4.796 Punkten einen neuen Höchststand.
Die Marktbreite ist extrem gering, da immer weniger Aktien die Rallye im
vergangenen Jahr unterstützt haben.
Angesichts des bevorstehenden Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank wird
die Entwicklung der Realrenditen einer der Faktoren sein, die das Verhalten
der US-Aktienmärkte bestimmen werden. Es sei daran erinnert, dass die implizite
Volatilität von Aktien und Anleihen zu Beginn und am Ende von
Zinserhöhungsphasen überdurchschnittlich stark ansteigt.
Entgegen des Marktkonsens sollten wir also davon ausgehen, dass
die Volatilität im Laufe der Zeit ab- und nicht zunimmt, wenn die
Forward Guidance der Zentralbanken mit den Erwartungen der
Finanzmärkte in Einklang gebracht werden. Der oben beschriebene
Zinserhöhungspfad könnte angesichts der hohen Unsicherheit, die
von allen 18 FED-Gouverneuren in den Protokollen der vergangenen
Woche bestätigt wurde, ein „Worst-Case-Szenario“ für die
US-Anleihenmärkte darstellen. In dem Moment, in dem die
Notenbanken in ihrer Entschlossenheit zögern, die Zinsen im
zweiten Halbjahr 2022 oder 2023 anzuheben, können Anleihen
umso attraktiver werden.
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Quelle: Investmentfonds.de
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