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14.01.2022:
DPAM | Ausblick Anleihen: Es ist unwahrscheinlich, dass Zentralbanken die Zinsen so stark anheben können wie in früheren Zyklen
Köln, den 14.01.2022 (Investmentfonds.de) -
Sam Vereecke, CIO Fixed Income bei DPAM
Was kommt nach der kurzfristigen Unsicherheit?
Ein Blick über die kurzfristige Ungewissheit hinaus
und auf potenziell lohnende Anlagechancen für den
aktiven und anspruchsvollen Anleger im Jahr 2022
Die Beurteilung der Auswirkungen der Coronakrise auf die
Wirtschaft ist eine komplexe Angelegenheit. Verschiedenste
Faktoren wirken sich auf die Volkswirtschaften in der
ganzen Welt aus: Lockdowns, Wiederöffnungen, veränderte
Nachfragemuster, Unterbrechungen der Lieferketten,
fiskalische und geldpolitische Anreize usw. Einige dieser
Phänomene haben ein deutlich größeres Ausmaß als in den
Jahrzehnten vor COVID. Folglich ist es wahrscheinlich,
dass sich die Wirtschaft als dynamisches System nicht
nach den bekannten Mustern verhält. Wirtschaftsmodelle
sind nicht auf das aktuelle Umfeld und auf zweitrangige
Effekte kalibriert, die man zwar ansonsten ignorieren
könnte, die aber zu unerwarteten Ergebnissen führen
können. Es kommt u.a. zu schwer erklärbaren Veränderungen
des Arbeitskräfteangebotes, und die Inflation wird von
zusätzlichen Faktoren beeinflusst, die sie vorläufig
resistenter macht. Dies erschwert die Vorhersage von
Wirtschaftsvariablen sehr und führt zu größeren
Abweichungen bei den Schätzungen und damit zu größeren
Überraschungen (nach oben und nach unten) und zu mehr
Volatilität.
In den Industrieländern ist dieses Phänomen beispielsweise
seit Oktober zu beobachten, als die ,Bank of England' und
die ,Reserve Bank of Australia' den Markt überraschten und
die Volatilität deutlich erhöhten. Dasselbe geschah vor
kurzem, als US-Notenbankchef Powell die Verwendung des
Begriffs "vorübergehend" zur Beschreibung der Inflation
änderte. Zentralbanken und die Investorengemeinschaft
blicken auf ähnliche Daten und dürften ebenso ratlos sein.
Unsere wichtigste Botschaft ist in diesem Zusammenhang,
dass es schwierig ist, kurzfristige Prognosen abzugeben.
Vielmehr sollten wir uns jedoch auf den allgemeinen Kurs
konzentrieren, den die verschiedenen Faktoren auf den
Zinsmärkten einzuschlagen scheinen:
- Die langfristige Inflationsdynamik hat sich nicht
grundlegend geändert. Die meisten langfristigen
Inflationstreiber sind nach wie vor intakt (selbst die
zusätzlichen fiskalischen Anreize dürften sich
längerfristig normalisieren). Wir gehen daher davon
aus, dass sich die Inflation normalisieren wird, und
tatsächlich werden ab einem gewissen Punkt Basiseffekte
zum Tragen kommen, sobald sich einige Preise normalisieren,
was zu negativen Beiträgen von diesen Komponenten des
Inflationskorbs führen wird.
- Auch das Wachstumspotenzial dürfte sich nicht
grundlegend von dem vor der COVID-Krise unterscheiden
(jede Produktivitätssteigerung wird durch die geringere
Erwerbsbeteiligung und die Alterungsdynamik kompensiert
werden). Auch das Wachstum wird sich zwangsläufig wieder
auf den Vor-COVID-Niveaus ,normalisieren'.
Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Zentralbanken die
Zinsen so stark anheben können wie in früheren Zyklen.
Das lange Ende des Anleihenmarktes bestätigt dies bislang,
da es zu keinen Ausverkäufen kam, als das kürzere Ende zu
Beginn des 4. Quartals 2021 weitere Zinserhöhungen
einpreiste. Angesichts der gewaltigen, noch immer steigenden
Staatsverschuldung in Verbindung mit einer alternden
Gesellschaft, in der sich die Produktivität nicht
nennenswert verbessert, würde jede Zinserhöhung eine
stärkere geldpolitische Straffung nach sich ziehen als
üblich. Dies dürfte den Spielraum für den kommenden
Zinserhöhungszyklus eindämmen. Wir halten die derzeitige
Anzahl von eingepreisten Leitzinsanhebungen für angemessen.
Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Fed ihren
angestrebten Zielwert von 2,5 % erreichen wird. Wenn
überhaupt, würden wir steigende Renditen als Chance zum
Kauf sehen. Allerdings gibt es einige Vorbehalte. Die
COVID-bedingte Volatilität könnte durch eine Reihe
schwelender geopolitischer Themen wie Ukraine, die
Beziehungen zwischen den USA und China usw. noch
verschärft werden, aber das entspricht nicht unserem
Basisszenario. Ein weiteres, die Volatilität verstärkendes
Szenario ist, dass sich die Inflation tatsächlich als
hartnäckiger erweist und über einen deutlich längeren
Zeitraum auf hohem Niveau verharrt. In einem solchen
Fall müssten die Zentralbanken deutlich aggressiver
vorgehen.
Andererseits sind die realen Renditen von Staatsanleihen
der Schwellenländer sehr attraktiv. Hinzu kommt, dass
ihr Spread gegenüber US-Staatsanleihen recht großzügig
ausfällt, selbst im Vergleich zu den Niveaus des
,Taper Tantrum' von 2013. Allmählich mangelt es den
Schwellenländern nicht mehr an Attraktivität. Doch trotz
mehrfacher Leitzinsanhebungen in vielen Schwellenländern
ist der reale Leitzins aufgrund der hohen Inflation immer
noch negativ. Sobald sich die Inflation zu normalisieren
beginnt, dürften die steigenden realen Leitzinsen die
Währungen stützen, was der Währungskomponente mehr
Attraktivität verleihen würde. Daher warten wir noch etwas
ab und nehmen im späteren Verlauf des Jahres 2022 eine
Übergewichtung vor, wenn uns die Bewertungen noch
attraktiver erscheinen.
Die Spreads von Unternehmensanleihen dürften von der
derzeitigen Volatilität weniger betroffen sein als die
von Staatsanleihen, auch wenn sie dagegen nicht gefeit
sind. Wir gehen davon aus, dass Investment-Grade-Anleihen
(IG) unverändert durch mehrere Faktoren gestützt werden.
Erstens erwarten wir eine Fortsetzung des Anleihekauf-
programms der EZB, wenn auch in einem reduzierten Tempo.
Und zweitens waren Endanleger, die "echtes" Geld
investieren, überzeugte Käufer und dürften dies auch
bleiben, da IG-Unternehmensanleihen immer noch einen
angemessenen Spread gegenüber Staatsanleihen aufweisen.
Schließlich verfügen viele Unternehmen über beträchtliche
Liquiditätspuffer und werden daher im nächsten Jahr wohl
kaum rekordverdächtige Emissionen tätigen. Bei IG-Anleihen
sind wir neutral gewichtet. Im Falle einer deutlichen
Spread-Ausweitung könnten wir eine Übergewichtung ins Auge
fassen, allerdings mit einer gewissen Vorsicht.
Auch die Spreads bei Hochzinsanleihen sind gut unterstützt,
könnten sich aber bei anhaltender Volatilität etwas
ausweiten. Hier spielen wiederum mehrere Faktoren eine
Rolle: Die Unternehmen haben ihren Fremdkapitalanteil
verringert und halten erhebliche Liquiditätsreserven.
Darüber hinaus wurden Fälligkeiten in das Jahr 2023
hinein verlängert. Ein großes Risiko besteht darin,
dass einige Hochzins-Emittenten einen Teil ihrer
Liquidität für Fusionen und Übernahmen, Sonderdividenden
oder Aktienrückkäufe einsetzen werden. Dieses aktionärs-
freundliche Verhalten könnte die Spreads ausweiten lassen.
Jedoch ist ein solches Verhalten eher typisch für
CCC-Emittenten, und wir lassen in dieser Kategorie nach
wie vor Vorsicht walten.
Unter diesem Gesichtspunkt geben Wandelanleihen fast das
Spiegelbild von Hochzinsanleihen ab. Das aktionärs-
freundliche Verhalten käme dem in Wandelanleihen
enthaltenen Aufwärtspotenzial von Aktien zugute.
Ein Vorbehalt, den man jedoch bei Wandelanleihen beachten
sollte, ist ihre spezielle Branchenallokation (angesichts
der begrenzten Anzahl von Emittenten aus dem Banken-,
Versicherungs- und Materialensektor). Da sich der
Aufwärtstrend bei Aktien nicht immer direkt in einen
Aufwärtstrend bei Wandelanleihen übertragen lässt, bleiben
wir gegenüber dieser Anlageklasse vorerst neutral
eingestellt.
Abschließend möchten wir auf das schnell wachsende
Universum von nachhaltigen Anleihen hinweisen. Das
gestiegene Bewusstsein hinsichtlich der notwendigen
Unterstützung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen
hat sowohl die Nachfrage der Anleger angetrieben als auch
regulatorische Änderungen nach sich gezogen. Dies
wiederum hat dazu geführt, dass immer mehr Regierungen
und Unternehmen "grüne" Anleihen in Rekordhöhe emittieren.
Diversifizierungsmöglichkeiten im Hinblick auf den
Emittententyp, das Kreditrating, die geografische Lage und
Art der Nachhaltigkeitsanleihen (grüne Anleihen, soziale
Anleihen usw.) sind reichlich vorhanden. Wir gehen davon
aus, dass die Anzahl der Emissionen im Jahr 2022 weiter
steigen wird. Mit Blick auf das neue Jahr, das zweifellos
einige Überraschungen bereithalten wird, werden sich die
bewährten ESG- und fundamentalen Analyseprozesse von
DPAM sowie die aktive Anleihenauswahl als unschätzbar
wertvoll erweisen.
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Quelle: Investmentfonds.de
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