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12.07.2021:
Euroswitch: "Inflation - temporäres Phänomen oder strukturelles Problem?"
Köln, den 12.07.2021 (Investmentfonds.de) -
Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der
Vermögensmanagement Euroswitch
Euroswitch:
"Inflation - temporäres Phänomen oder strukturelles Problem?"
Die Inflation steigt: gemessene Werte von 3 % in Europa und
5 % in den USA stürzen die Notenbanken potenziell in ein
Dilemma. Die über den eigenen Erwartungen der Notenbanken
liegenden Inflationsanstiege sollen nach deren Deutung nur
vorläufig sein, pandemiebedingt trifft die jetzt wieder
erhöhte Nachfrage auf ein stark verknapptes Angebot. Über
die kommenden Monate erwarten die Notenbanken eine
Normalisierung, weshalb ein die Inflation bremsender
Zinsanstieg vorerst nicht kommen sollte. Negative
strukturelle Entwicklungen können jedoch zu einer weit
hartnäckigeren Inflation führen, als von den
Verantwortlichen derzeit zugegeben wird.
"Die stärksten Einbrüche der weltwirtschaftlichen Aktivität
der letzten 100 Jahre und die folgende - in Ausmaß und
Geschwindigkeit nie dagewesene - Erholung sprechen
grundsätzlich für eine einmalige, temporäre Erscheinung der
Inflation", so Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager
der Vermögensmanagement Euroswitch. Preiserhöhungen in
industriellen Sektoren sind auf Lieferengpässe zurückzuführen,
steigende Preise bei Dienstleistungen dienen der Kompensation
vorheriger Ausfälle und treffen aktuell auf eine
zahlungswillige Kundschaft. "Strukturell wirken die globale
demographische Entwicklung und die nicht aufzuhaltende
Digitalisierung grundsätzlich deflationär. Aber dieses
positive Szenario lässt sich nur halten, wenn Entwicklungen
korrigiert werden, die dauerhaft inflationär wirken", ist
Böckelmann überzeugt. Laut dem Investmentexperten gibt es
vier Entwicklungen, die sich inflationserhöhend auswirken:
1. Handelshemmnisse und Tendenz zur De-Globalisierung
Die sich ohnehin eskalierenden geopolitischen Spannungen
haben sich in der Pandemie teils weiter verschärft.
Erhebung von Zöllen, blockierte Handelswege und
Cyberattacken auf die Infrastruktur treiben die Kosten
nachhaltig in die Höhe. Daneben addieren sich Effekte aus
politischen Entscheidungen, auf die komparativen
Kostenvorteile einer globalen Arbeitsteilung verzichten
zu wollen. Eine tatsächliche Verlagerung von
Arbeitsplätzen aus Schwellenländern zurück in den
industriellen Westen würde auch Alltagsprodukte um
ein Vielfaches verteuern.
2. Umsetzungshemmnisse Digitalisierung
Die Digitalisierung erhöht die Produktivität und damit die
Wertschöpfung. Im Juni haben Demokraten und Republikaner
gemeinsam ein 250 Mrd. USD-Hilfspaket freigegeben, um im
Technologiewettbewerb mit China nicht zurückzufallen.
Dabei verfügen die USA mit Alphabet, Microsoft, Nvidia
und vielen anderen bereits über zahlreiche Weltmarktführer.
Europa hingegen verliert sich unverändert im Klein-Klein,
während zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit schneller
Pragmatismus gefragt ist.
3. Greening als Selbstzweck
Es ist ein realistisches Szenario, dass sowohl der
Ausstieg aus alten Technologien als auch der Einstieg
in neue Technologien zeitgleich inflationär wirken.
So werden bereits Kapazitäten in den Übergangs-
technologien abgebaut, während es noch nicht genügend
Kapazitäten in Ersatztechnologien gibt. Bereits heute
ist der deutsche Strompreis der höchste der Welt,
demnächst dürften auch andere Energieträger und
Rohstoffe weiter im Preis steigen.
Zwar gibt es in Politik und Notenbanken erste
warnende Stimmen, dass man sich auf eine gefährliche
Gratwanderung begibt. Allerdings fehlt der politische
Wille zur sachlichen Auseinandersetzung mit diesem
Szenario, um eine realitätsbezogene und technologie-
offene Langfristplanung vorzunehmen.
4. Überbürokratisierung
Die EU-Kommission selbst hat in einem jüngsten Bericht
die wachsende Bürokratisierung als "Kostentreiber" und
"Wachstumshemmnis" erkannt und regt einen dringenden
Abbau an. Allerdings ist das aktuelle Momentum noch auf
der anderen Seite. Die zunehmende staatliche Verplanung
wirtschaftlicher Aktivität führt zur Einmischung in
zahllosen Branchen. Die Pandemie scheint diese
Entwicklung befördert zu haben, eine Umkehr schwierig.
Jüngstes Beispiel ist das Lieferkettengesetz, welches
viele Unternehmen vor eine unlösbare Aufgabe stellt.
Stimmungskiller Inflation?
Der letzte Monat hat mit ersten Zinsverwerfungen
Eindrücke hinterlassen, wie volatil es an den
Kapitalmärkten werden könnte, falls sich ein
Inflations- und in der Folge Zinssteigerungsszenario
als unvermeidlich entwickelt. "Bereits im Jahr 2018
haben wir an den Kapitalmärkten ein vergleichbares
Szenario erlebt, welches sich dann aber in 2019
schnell in Luft auflöste", sagt Böckelmann. In der
kommenden Quartalsberichterstattung der Unternehmen
dürfte die gestiegene Inflation noch eine Nebenrolle
spielen, im Vordergrund sollte die Freude über die
Reopening-Erfolge nach dem erneuten Abklingen der
Pandemie stehen. Zumindest scheinen selbst die
sportlichsten Erwartungen der Analysten nicht
unrealistisch. "Ob sich die Inflation tatsächlich
zum Party-Crasher entwickeln kann, wird sich erst
in einigen Monaten zeigen. Auch die US Notenbank
FED hat in ihrer letzten Pressekonferenz darauf
verwiesen, dass die kommenden gemessenen Werte
für ihr Handeln weit wichtiger sind als jede
aktuelle Analyse und Prognose", so Böckelmann
abschließend.
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