21.02.2005
für Standort DeutschlandMcKinsey sieht Perspektive für Standort Deutschland
Köln, den 21.02.2005 (Investmentfonds.de) - Die zunehmende
Internationalisierung der deutschen Wirtschaft eröffnet
Chancen für mehr Beschäftigung im Heimatland. Wie aus
einer am Mittwoch gemeinsam von der Unternehmensberatung
McKinsey & Company und der Technischen Universität Darmstadt
veröffentlichten Studie hervorgeht, ist Expansion in ausländische
Wachstumsmärkte, vor allem in den Ländern Asiens, Osteuropas und
Nordamerika, der Schlüssel zur Sicherung von Produktion auch im
Inland. Parallelstudien von McKinsey belegen, dass große mittelständische
Unternehmen mit einer erfolgreichen Internationalisierungsstrategie
auch neue Arbeitsplätze im Inland aufbauen.
"Kein Unternehmen, das neue Jobs schaffen will, kann sich der Tatsache
verschließen, dass Wachstum auf den Märkten Westeuropas in
absehbarer Zukunft nur begrenzt möglich ist und sich dafür in Osteuropa,
Indien oder China neue Chancen eröffnen. Erfolgreiche
Unternehmen sind auf allen relevanten Märkten präsent, nicht nur
mit Vertriebsorganisationen, sondern auch mit Fertigungsstätten",
sagte McKinsey-Director Raimund Diederichs bei der Präsentation
der Studie in Frankfurt. Dies bedeute zwar voraussichtlich den weiteren
Abbau einfacher, arbeitsintensiver Tätigkeiten im Inland. Gleichzeitig
aber würde dies die Entwicklung und Produktion spezialisierter,
höherwertiger Güter vorantreiben. Besonders profitieren können
dabei die Bereiche Forschung und Entwicklung. "Innovationen führen
zu einer Stärkung des Standorts Deutschland", so Diederichs.
"Erfolgsbeispiele zeigen, dass innovative Unternehmen Weltklasseprodukte
auch in Deutschland wettbewerbsfähig fertigen können." Grundlage der Studie
ist eine ausführliche Untersuchung der optimalen
Standortwahl von Unternehmen, die durch Kunden- und Lieferantenbeziehungen
miteinander verbunden sind. Im Rahmen des
Forschungsprojekts wurden Vorstände und Topmanager von mehr
als 50 internationalen Unternehmen in persönlichen Interviews
befragt. Die Automobilzuliefer-, Elektronik- und Maschinenbauindustrien
standen im Mittelpunkt des gemeinsamen Projekts von
McKinsey und der TU Darmstadt.
Internationalisierung und Innovation führen zum Erfolg
Die Studie weist auf erfolgreiche Beispiele von Spezialisierung des
verarbeitenden Gewerbes in Deutschland hin, besonders auf hochwertige
Investitions- und langlebige Gebrauchsgüter wie Werkzeugmaschinen,
Fahrzeuge und Luxusartikel. Allein die Exporte dieser
Produkte nach China haben sich in den vergangenen sechs Jahren
mehr als verdreifacht. Gleichzeitig stieg im selben Zeitraum die Zahl
der Beschäftigten in der deutschen Fahrzeugbauindustrie um rund
zehn Prozent. Anders als die USA exportiert Deutschland mehr Güter
in Niedriglohnländer, als von dort importiert werden. Deutsche
Unternehmen führen vielfach industrielle Vorprodukte ein und stärken
so die Wettbewerbsfähigkeit eigener Exporte.
Gerade die im deutschen Maschinen- und Fahrzeugbau seit Jahrzehnten
gewachsene, enge Verzahnung von Prozess-, Produktentwicklung
und Fertigung ist nach Angaben der Studie einer der zentralen
Standortvorteile Deutschlands. Dagegen büßen andere Stärken
wie der attraktive Heimatmarkt oder die Qualität der Beschäftigten
nach Ansicht der Mehrzahl der befragten Unternehmen in Europa an
Bedeutung ein. Hingegen bleibe der Lohnkostenunterschied zu den
Niedriglohnländern langfristig bestehen. Diese Schere werde sich
trotz des überdurchschnittlich starken Wachstums vor allem in Osteuropa
und China nicht so schnell schließen, wie oft erwartet werde.
"Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben: In manchen Industrien
ist eine Produktion in Deutschland schon jetzt nicht mehr wettbewerbsfähig
und wird es auch nicht mehr werden", sagte Diederichs.
"Je größer der Lohnkostenunterschied und je kleiner unser Produktivitätsvorteil
ist, umso schneller wandern die Fertigungsstätten ab."
Wie niedrig die Lohnkosten in Deutschland sein müssten, um international
wettbewerbsfähig zu bleiben, zeigt die Studie am Beispiel
der Produktion technologisch wenig anspruchsvoller Automobilkomponenten.
Dabei müssten Löhne und Gehälter auf etwa ein Drittel
des heutigen Niveaus gesenkt werden. "Das ist keine Alternative",
sagte Diederichs.
Unternehmen nutzen globale Produktion nicht optimal
"Ein optimiertes globales Produktionsnetzwerk mit einer individuell
zugeschnittenen Standort- und Einkaufsstruktur verschafft Industrieunternehmen
einen entscheidenden strategischen Vorteil", sagte Professor
Eberhard Abele vom Institut für Produktionsmanagement,
Technologie und Werkzeugmaschinen an der TU Darmstadt. Dies
gelinge bisher aber nur wenigen.
Die Untersuchung bemängelt, dass viele etablierte Unternehmen die
Möglichkeiten globaler Produktionsnetzwerke nicht energisch genug
nutzten. Wachstumspotenziale blieben dadurch unausgeschöpft.
"Geht man von den Produktionskosten in Hochlohnländern aus, können
durch die Nutzung der weltweiten spezifischen Standortvorteile
über die gesamte Wertschöpfungskette – also bei Betrachtung aller
Teilelieferanten und Dienstleister – mittel- bis langfristig bis zu
40 Prozent der Fertigungskosten bei typischen industriellen Produkten
gespart werden. Kurzfristig werden Kostenvorteile allerdings
zumeist durch Investitionen und Einmalkosten kompensiert", so
Abele.
Globale Produktion erfolgreich aufzubauen sei eine anspruchsvolle
Aufgabe und Unternehmen fehle oft Erfahrung, Expertise und Managementkapazität.
Entsprechend habe die Mehrheit der befragten
Unternehmen bei Produktionsverlagerungen in den vergangenen drei
Jahren nur zehn Prozent oder weniger gespart.
Oftmals mangele es an der Analyse der Wettbewerbs- und Kostensituation
am neuen Standort und viele Unternehmen unterschätzten
die Kosten für deutsches Management vor Ort. Außerdem würden
vielfach Zulieferer und Abnehmer nicht in die Überlegungen miteinbezogen.
Die Folge seien gleich bleibende Material- und steigende
Logistikkosten. Vor allem etablierte Unternehmen bewegten sich oft
erst sehr spät und setzten Änderungen zu langsam um. Es reiche
nicht aus, einfach nur die Maschinen in ein anderes Land zu verlagern.
Um globale Produktion effektiv zu nutzen, müssten die Unternehmen
auch ihre Fertigungsprozesse und die Produktkonstruktion
überdenken und anpassen.
Quelle: Investmentfonds.de