Investmentfonds.de
28.05.2021:
Carmignac: Rückkehr der Inflation ein Hirngespinst?
Köln, den 28.05.2021 (Investmentfonds.de) -
Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomitees
bei Carmignac
Carmignac:
Rückkehr der Inflation ein Hirngespinst?
Paris, den 28. Mai 2021.
Vorhersagen der Inflationsentwicklung sind wie Vorhersagen
von Devisenkursen schwierig für Volkswirte. Es sind so viele
Kriterien im Spiel, die sich gegenseitig beeinflussen und
im Laufe der Zeit verändern. Bei diesen Themen sind
Vorhersagen der künftigen Entwicklung häufig eine
zweischneidige Angelegenheit.
Einen kräftigen Inflationsanstieg erwartete man
beispielsweise in den Monaten nach der Finanzkrise von 2008.
Aus damaliger Sicht waren die von den Zentralbanken weltweit
aufgelegten Hilfsprogramme für den Aufkauf von Finanzanlagen
gigantisch. Die meisten Volkswirte waren seinerzeit der
Ansicht, dass das Anwerfen der Gelddruckmaschinen zu einem
beträchtlichen Inflationsrisiko führe. Dieses Szenario hat
sich in den vergangenen zehn Jahren nicht bewahrheitet, im
Gegenteil: Keine Preissteigerungen und das schleppende
Wirtschaftswachstum bildeten die Norm. Überschuldete
Volkswirtschaften wurden so abgestraft und Unternehmen
konnten ihre Preise nicht erhöhen. Alle Gründe dieser
anhaltenden Deflation im Detail darzustellen, würde den
Rahmen dieses kurzen Kommentars sprengen. Aber eine ganz
wichtige Tatsache, der man sich bewusst sein muss, ist,
dass der Großteil dieser "Geldschöpfung" nie in der
Realwirtschaft ankam. Einerseits waren die Banken kaum
bereit, das Risiko einzugehen, ihren Kunden Darlehen
einzuräumen. Diese Zurückhaltung wurde durch die
Verschärfung der Regulierung nach der Krise von 2008
noch gefördert. Und andererseits waren Privatpersonen und
Unternehmen ebenfalls vorsichtig, weshalb die von den
Zentralbanken bereitgestellten Gelder weder den Konsum
noch die Investitionen ankurbelten. Im Grunde blieb diese
Liquidität im Finanzsystem hängen. So waren es Aktien und
Anleihen, die ziemlich dramatisch anstiegen und nicht die
Preise der Konsumgüter. Die großen Gewinner der
vergangenen zwölf Jahre waren die Anleger.
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Das Gespenst einer Inflationswelle wird zwölf Jahre später
erneut heraufbeschworen. Gemessen am vergangenen Jahr liegt
es klar auf der Hand, dass das Phänomen kurzfristig unabwendbar
ist: Die Verbraucherpreise werden in den kommenden Wochen
höher sein als im Frühjahr 2020, als viele Konsumenten das
Haus nicht verlassen durften. Zudem könnte das Phänomen
verstärkt und länger anhalten. Der Grund? In dem Moment, in
dem sich die Nachfrage erholt, ist das Angebot der Unternehmen
nach wie vor durch die Lockdown-Vorschriften eingeschränkt,
die sich seit einem Jahr auf die Produktion ausgewirkt haben.
Der weltweit spürbare Preisanstieg bestimmter Rohstoffe in den
vergangenen zwölf Monaten, wie Kupfer oder Halbleiter, ruft das
eiserne Gesetz von Angebot und Nachfrage für Preise von Waren
und Dienstleistungen ins Gedächtnis. In den USA ist die
Wirtschaft bereits weitestgehend geöffnet und das Phänomen ist
sichtbar. Der Preisindex für April hat alle Prognosen der
Volkswirte übertroffen.
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Die wichtigste Frage bleibt jedoch, wie sich die Inflation über
den kurzfristigen Zeitraum hinaus entwickelt. Könnte die
größtenteils überschätzte Tendenz der Inflationsentwicklung der
Volkswirte zu Beginn des vorigen Jahres dieses Mal zu einer
Unterschätzung für die Zukunft führen? Für Sparer ist diese
Fragestellung von größter Bedeutung, da sich zwischen der
Handhabung der Krise von 2008 und der von 2020 etwas
grundlegend geändert hat.
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Dieses Mal hat man aus dem "Fehler" von 2009 gelernt. Damit die
Krise der Realwirtschaft zugutekommt, und nicht nur den
Finanzwerten, und dadurch Ungleichheiten entstehen, haben die
Staaten Verantwortung übernommen. Dieses Mal wurden fast
durchgängig Hilfspakete geschnürt, die gewährleisteten, dass
die "Geldschöpfung" (Zuschüsse, garantierte Kredite, Subventionen,
öffentliche Investitionen usw.) Einzelpersonen und Unternehmen zur
Verfügung stand. Die Zentralbanken sind nicht mehr die Einzigen,
die das Sagen haben. In den USA übertraf Größe und Umfang des
Engagements der Biden-Administration Roosevelts Konjunkturpaket
in den 1930er-Jahren. Es ist fast so, als ob Joe Biden die
liberale Wirtschaftsideologie der vergangenen vierzig Jahre
umstößt. In den USA rief Ronald Reagan diese Politik ins Leben,
die von Margaret Thatcher in Europa unterstützt wurde und weniger
Staat, Regulierung, Steuern und mehr Globalisierung zum Ziel hatte.
Der Verdacht ist daher berechtigt, dass der lang anhaltende Trend
der Deflation der letzten Jahrzehnte unterminiert werden könnte.
Die fehlende Inflation führte noch bis vor Kurzem zu einem
ununterbrochenen Zinsrückgang.
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Eine Bestätigung hierfür erhalten wir allerdings nicht sofort.
Die Überschuldung des vergangenen Jahrzehnts ist kein unerhebliches
Hindernis für den Anstieg der Inflation und der Zinsen. Das Risiko
ist in Europa weitaus geringer. Hier erscheint aufgrund der
Unterbeschäftigung, der strukturellen Wachstumsbremsen und der
relativ moderaten Konjunkturprogramme eine Änderung der
Inflationsentwicklung weniger wahrscheinlich.
In den kommenden Monaten werden sich die Gemüter wahrscheinlich
infolge der Wiedereröffnung der Wirtschaft und der vielfältigen
Unterbrechungen der Lieferketten auf einen Anstieg der
Inflationsrate gefasst machen müssen. Selbst wenn diese Inflation
zum Teil nur vorübergehend ist, so hat uns die Vergangenheit gelehrt,
dass eine nachhaltige Rückkehr der Inflation von Finanzanlagen hin
zur Realwirtschaft kategorisch mit Vorsicht zu prognostizieren ist.
Dennoch müssen die Märkte diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung
ziehen. Die herkömmlichen Modelle der Volkswirte, anhand denen sie
in einem solchen neuen Zusammenhang die künftige Inflation
antizipieren können, werden dazu sicherlich nicht ausreichen.
Dieses Risiko allein rechtfertigt eine erhöhte Wachsamkeit der Sparer.
Ihre Anlagen, die seit Jahren stillschweigend in niedrig verzinste
Anleihen investiert wurden, würden durch eine Rückkehr der Inflation
deutlich benachteiligt.
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Quelle: Investmentfonds.de
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