20.07.2011
Börsen-Zeitung: Es muss wehtun, Kommentar von Bernd Wittkowski zum Kapitalrichtlinienentwurf der EU-Kommission
Frankfurt (ots) - Die im vorigen Jahr in dritter Auflage
vereinbarten Baseler Eigenkapitalregeln für Banken sind über die
jetzt angelaufene Umsetzung in europäisches und danach in nationales
Recht gleichsam das Grundgesetz der Kreditwirtschaft. Dementsprechend
grundsätzlich werden sich Regulierer und Regulierte nun mindestens
ein Jahr lang in die Diskussion der von der EU-Kommission auf den Weg
gebrachten Kapitalrichtlinie hineinknien. Die ersten kritischen
Beiträge der Bankenverbände ließen denn auch nicht lange auf sich
warten. Private und öffentliche Banken sind sich sogar mal im Grunde
einig: "Bedauerlich" findet der BdB, der Verein von Deutscher,
Commerzbank und 200 weiteren privaten Instituten, dass Brüssel auf
eine Revisionsklausel verzichtet, die das Inkrafttreten der Regeln in
der EU davon abhängig macht, dass diese zeitgleich weltweit
eingeführt werden. Der VÖB als Klub der Landes- und Förderbanken hält
die Vorreiterrolle der EU bei der Umsetzung von Basel III gar für
"unverantwortlich".
Einspruch, Euer Ehren! Nach den Erfahrungen der säkularen
Finanzkrise, die zwar bisweilen ihre Erscheinungsform wechselt, aber
mitnichten vorbei ist, kann es kein Vertun geben: Bankenregulierung
im Westentaschenformat hilft nicht weiter, wenn vermieden werden
soll, dass jene, die eben am Rande des Abgrunds standen, bald einen
Schritt weiter sind. Wenn etwa die US-Regierung - entgegen Absprachen
auf G20-Ebene und trotz der Geschehnisse der vergangenen vier Jahre -
meinen sollte, sie könne sich mit "Kapitalregeln light" davonstehlen
und so der Wall Street Wettbewerbsvorteile verschaffen, möge sie das
tun. Die Krise wird sie einholen und für ihre Laxheit bestrafen.
Regulierung muss wehtun. Aber - das ist der Lohn dafür - Finanzplätze
mit strengeren Vorschriften dürften profitieren, weil Investoren und
Kunden den Banken umso mehr vertrauen werden, je höher die
Kapitalanforderungen sind.
Auch der Ruf von Sparkassen und Kreditgenossen nach stärkerer
Differenzierung mit Blick auf nationale Besonderheiten überzeugt
nicht. Sicher, der jüngste Bankenstresstest weckt nicht gerade Lust
auf Harmonisierung. Aber wenn Europa als Binnenmarkt noch Sinn machen
soll und nicht sowieso wegen der außer Kontrolle geratenen
Staatsschulden vor die Hunde geht, führt an einer
länderübergreifenden Annäherung der Regeln tendenziell kein Weg
vorbei. Es müssen freilich, was Basel III ja vorsieht, hinreichend
lange Anpassungsfristen gelten, und während des Übergangs ist - was
beim Stresstest flagrant missachtet wurde - gefälligst geltendes
nationales Recht zu respektieren.
(Börsen-Zeitung, 21.7.2011)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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