Investmentfonds.de
14.06.2021:
DPAM: Überambitionierte Fed löste 1929er Crash aus
Köln, den 14.06.2021 (Investmentfonds.de) -
Peter De Coensel, CIO Fixed Income bei DPAM
DPAM:
DIE 1920ER, DIE FED UND LANGFRISTIGE US-RENDITEN
Schlüsselbotschaften
1. Das vor uns liegende Jahrzehnt sieht vielversprechend
aus, da neue Innovationen in der Wirtschaft und der Arbeitswelt
einen stetigen und vielversprechenden Wachstumspfad ermöglichen
können. Solche Innovationen sollten die Produktivität unterstützen
bzw. erhöhen. Das wird eine wesentliche Komponente sein, um eine
sich selbst verstärkende Inflation zu verhindern.
2. Die Fed wird der Vermögenspreisinflation, die im
letzten Jahr zu beobachten war, nicht entgegenwirken. Sie wird
nicht die Rolle des Schiedsrichters bei Spekulationen an den
Märkten spielen. Die US-Notenbank wird sowohl in der Geldpolitik
als auch in der Aufsicht, als Hüter funktionierender Märkte und
als Kreditgeber der letzten Instanz die Führung übernehmen.
3. Die Reaktionsfunktion der Fed ist für Marktteilnehmer
klar erkennbar und deutet auf ein Leitzinsniveau zwischen 2,25 und
2,50 % bis 2025 hin. Erwarten Sie keine höheren Niveaus, da eine
solche Politik die Märkte so weit verunsichern könnte, dass sie in
eine negative Rückkopplungsschleife mündet. Die Fehler, die zum
Marktcrash von 1929 führten, werden sich nicht wiederholen.
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Die US-Arbeitsmarktstatistik vom vergangenen Freitag ist ein
weiterer Beweis für die Wankelmütigkeit aktueller
Wirtschaftsdaten. Ein Anstieg von 559.000 bei den
"Nonfarm Payrolls" ist ein Rückschlag und kann von
Sell-Side-Strategen nicht als methodischer Rechenfehler abgetan
werden. Wir müssen akzeptieren, dass die meisten Wirtschafts-
indikatoren eine Phase hoher Volatilität verdauen. Weiche
Indikatoren neigen dazu, überoptimistisch zu sein, während harte
Indikatoren mit mehr Unsicherheit behaftet sind. Dies wird bis weit
ins Jahr 2022 andauern. Im gregorianischen Kalender begann dieses
Jahrzehnt Anfang 2021. Steuern wir auf ein Jahrzehnt zu, das den
tosenden 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ähnelt? Jenes
Jahrzehnt war in der Tat ein Blühendes, das von umfangreichen
Innovationen in der Technologie und der Einführung neuer
Geschäftspraktiken geprägt war. Die Pandemie, die unser privates
und berufliches Wohlbefinden beherrscht, trägt Elemente, die
ebenfalls technologische Veränderungen und den Beginn einer
neuen Arbeitskultur vorantreiben. Der Fortschritt des vergangenen
Jahres im medizinischen Bereich ist beeindruckend. Die Erfolge bei
der Kontrolle von Virusausbrüchen dürfen nicht unterschätzt werden.
Um die Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte zu messen, sind wir noch
in einem verfrühten Stadium. Wir spüren jedoch, dass die
Auswirkungen in allen Branchen, sei es im verarbeitenden
Gewerbe oder im Dienstleistungssektor, tiefgreifend sind.
Arbeitsplätze, die einer geringen Qualifizierung bedürfen,
gehören zur Hochrisikokategorie.
Die Automatisierung beschleunigt sich aufgrund einer geringeren
Globalisierung als Folge veränderter geopolitischer Prioritäten.
Gleichzeitig steigt der regulatorische Druck zur Einführung
kürzerer Lieferketten. Der Regulierungseifer umfasst sowohl
die klimabezogene Risikominderung als auch das Bestreben,
weniger Ungleichheit zu erreichen. Die Einigung der G7 auf
einen Mindeststeuersatz für internationale Großkonzerne,
die am vergangenen Wochenende erzielt
wurde, ist ein Beweis dafür.
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Wir können festhalten, dass die Kombination der oben genannten
Regimewechsel die Produktivität vorantreiben und den Anstieg der
Inflationsraten in den Industrieländern tatsächlich abschwächen
kann. Zudem sollten wir die Prämisse, dass erneut "blühende 20er"
vor uns liegen, mit Vorsicht genießen. Wenn überhaupt, dann überwiegt
das Risiko, dass die Ungleichheit kurzfristig zunimmt, gegenüber
dem Potenzial für mehr Gleichheit auf lange Sicht. Es ist diese
Erkenntnis, dieser unsichere Zustand, der die Geldpolitik in den
nächsten drei bis fünf Jahren beeinflussen wird. Die US-Fed ist sich
dessen bewusst und in den schwachen Messwerten der Beschäftigungsrate
eingebettet. Hinter den schwachen Zahlen verbirgt sich eine noch
schwächere Dynamik, die darin besteht, dass die Menschen in Bezug auf
das erforderliche Wissen und die Arbeitsintensität mit den wachsenden
Arbeitsanforderungen, die von der Gesellschaft forciert werden, nicht
Schritt halten können. Das bringt uns zu den Reaktionskurven der
Zentralbanken. Wie sollten sie die Geldpolitik ausrichten, um die
schwierigen Veränderungen in den Bereichen Arbeit, Wirtschaft und
menschliche Faktoren abzumildern? Die Zeiten, in denen sich die
Zentralbanken "nur" auf die Festsetzung der Tagesgeldsätze
konzentrierten und das Kredit- und Wirtschaftswachstum in einem
stabilen Inflationsumfeld auf einen nachhaltigen Pfad lenken mussten,
liegen nun endgültig hinter uns.
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Die Fed wird an der bewährten politischen Strategie des
"Gradualismus" festhalten, ohne ein aggressives Platzen der Blase
erzwingen zu wollen. In den letzten 25 Jahren hat sich die
US-Notenbank, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf eine höhere
Transparenz eingestellt und private (Haushalte & Unternehmen) und
öffentliche Akteure (Regierungen & supranationale Finanzierungs-
organisationen) weit im Voraus auf die mögliche Richtung und das
Tempo der geldpolitischen Lockerung oder Straffung vorbereitet bzw.
informiert. Nach der Großen Finanzkrise von 2008/2009 wurde diese
Aufgabe schwieriger, da die Anzahl der geldpolitischen Instrumente
zunahm. Nichtsdestotrotz hat sich die Erfolgsbilanz als effektiv
erwiesen, um das Einsetzen einer Deflation zu verhindern und den
US-Wachstumspfad auf einem respektablen Weg zu halten. Es ist zu
erwarten, dass die Fed am Mittwoch, den 16. Juni, die breite
Öffentlichkeit darüber informieren wird, dass sie unter der
Voraussetzung einer erfolgreichen Überwindung der Gesundheitskrise
eine Strategie des Ausstiegs aus den quantitativen Maßnahmen ab
Anfang 2022 in Betracht ziehen wird. Wir betonen, dass der Markt
ein solches Ereignis bereits vollständig eingepreist hat.
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Angesichts der Erwartung eines vorübergehenden Anstiegs der
Inflation auf mittlere Sicht wäre es unverantwortlich, wenn sich
die Fed hierzu nicht äußern würde. Nichts zu tun, könnte die
Konsolidierung der US-Langfristrenditen seit Ende März
beeinträchtigen und ungewollt in einen ungeordneten Anstieg der
Langfristrenditen münden. Die Fed wird ein solches Ereignis
verhindern und entsprechende Maßnahmen rechtzeitig ankündigen.
Zu rechnen ist auch mit einer schrittweisen Erhöhung der
Leitzinsen ab dem zweiten Halbjahr 2023 oder Anfang 2024.
Die Diskussion sollte sich auf den Ziel-Leitzins konzentrieren.
Aktuell preist der Markt einen finalen Leitzins im Bereich
zwischen 2,25 und 2,50 % ein. Die Fed sollte dieses Niveau bis
Mitte 2025 oder spätestens 2026 erreichen. Die heimliche Zustimmung
des Marktes zu diesem Pfad erklärt die derzeitige Konsolidierungs-
phase bei den langfristigen US-Treasury-Renditen. Wenn wir die
US-Renditekurve auf 5-Jahres-Sicht betrachten, finden wir eine
Übereinstimmung mit einem End-Leitzins von 2,25 bis 2,50%.
Allerdings gibt es Denkansätze in die Richtung, dass der finale
Leitzins in den Bereich zwischen 3,00 und 3,5% angehoben
werden könnte/sollte, um die Inflation neben der Bildung von
Vermögensblasen nicht zu entfesseln. Dabei steht folgende Frage
im Mittelpunkt: Ist Inflation der Auslöser für Blasen an den
Vermögensmärkten oder führen Blasen an den Vermögensmärkten
zu Inflation?
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Tatsache ist, dass wir innehalten und darüber nachdenken müssen,
wie wahrscheinlich es ist, dass sich eine solche Fed-Reaktions-
funktion herauskristallisiert. Und hier könnte die Geschichte
unser Wegweiser sein. Die Fed hat viele Male erklärt, dass
Geldpolitik auf die Wirtschaft und nicht auf die Vermögensmärkte
abzielt, und darauf hingewiesen, dass Inflation kein kurzfristiges
politisches Anliegen ist, da sie Preissteigerungen als
vorübergehend betrachtet. Die US-Notenbank ist besorgt über die
Qualität der Arbeitsmarkterholung. Diese Botschaften werden immer
und immer wieder wiederholt. Dennoch weisen Sell-Side-Strategen
auf die Möglichkeit hin, dass die Fed von ihrem bewährten
Gradualismus und ihrer Forward Guidance-Politik abweicht. Ich stimme
der Aussage zu, dass es besser ist, es den Marktteilnehmern zu
überlassen, mit dem überschäumenden Zustand der Märkte zurechtzukommen.
Bereits im Jahr 2002 war Ben Bernanke gegen eine Strategie, mit der
sich die Fed-Politik gegen eine Blasenbildung lehnen sollte. Eine
solche Politik würde als Versicherung fungieren und Blasen an den
Vermögensmärkten präventiv abschwächen. Das Hauptargument, mit dem
der damalige Fed-Präsident eine Politik ablehnte, mit der die
Wahrscheinlichkeit erhöht werden sollte, dass Marktteilnehmer bei
einer Straffung der Geldpolitik z.B. zusätzliche 50 Basispunkte über
den aktuellen geschätzten Pfad hinaus erwarten, war, dass der
Kollateralschaden für die Wirtschaft hoch sein könnte. Im Wesentlichen
erklärte Bernanke, dass eine solche Politik gegen solide Praktiken
des Zentralbankwesens mit dem stumpfen Instrument der Geldpolitik
verstoßen würde. Er erklärte, dass die Fed Marktblasen nicht
zuverlässig besser identifizieren könne als professionelle
Marktteilnehmer!
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Die Erinnerung an die politischen Fehler der Fed, die ab 1925 ihren
Anfang nahmen, ist lohnenswert. Benjamin Strong, damaliger Gouverneur
der New Yorker Zentralbank, wehrte sich gegen Versuche, die
Geldpolitik auf den Aktienmarkt auszurichten, und verwies auf
mögliche negative Folgen. Leider starb er Anfang 1928 und die Fed
geriet unter die Kontrolle von "Blasenbekämpfern". Der glühendste
Spekulationsgegner war Board-Gouverneur Adolphe Miller, der mit
dem kurz darauf gewählten Präsidenten Herbert Hoover befreundet war.
Strongs Nachfolger bei der New Yorker Fed, George Harrison, drängte
auf höhere Zinsen, statt auf makro-freundlichere Maßnahmen. Die Fed
erhöhte die Zinsen von 3,5 % im Januar 1928 auf 6 % bis August 1929.
Was folgt, ist in der Tat Geschichte ... eine schlechte Geschichte,
denn der Crash führte zu einer lang anhaltenden Depression. Bernanke
stellte fest, dass die richtige Interpretation der 1920er Jahre nicht
die populäre ist. Die Erzählungen besagen, dass der Aktienmarkt
überbewertete, abstürzte und die Große Depression verursachte. Die
Wahrheit liegt jedoch in einer überambitionierten Fed, die den Anstieg
der Vermögensmärkte stoppen wollte. Ich gehe davon aus, dass die Fed
diesen Fehler nicht wiederholen wird. Das aktuelle Niveau der
US-Langfristrenditen hat bereits eine Anhebung der Leitzins-Politik
auf 2,50 % eingepreist. Eine Anpassung, die in den 20er Jahren vor
etwa einem Jahrhundert stattfand. Ich rechne damit, dass die
finanziellen Bedingungen akkommodierend und korrekt sind mit Blick auf
die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit. Aktuell haben die
langfristigen US-Zinsen eine Reduzierung der quantitativen Maßnahmen
über 2022 und einen allmählichen Straffungspfad zwischen Mitte bis
Ende 2023 und 2025 eingepreist. Gradualismus wird wieder die
bevorzugte Strategie sein. Ob die Fed es jemals schafft, den aktuellen
Zielzins zu erreichen, sollte im Mittelpunkt der heutigen Debatte
stehen. Wie bereits früher erwähnt, sollten wir uns in einem Szenario,
in dem der finale Leitzins bei 1,5 % liegt, auf starke US-Anleihenmärkte
in den kommenden Jahren einstellen.
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Quelle: Investmentfonds.de
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