Investmentfonds.de
12.07.2022:
Janus Henderson Investors: Multi-Asset-Ausblick Q2 2022
Köln, den 12.07.2022 (Investmentfonds.de) -
Paul O’Connor, Head of Multi-Asset | Portfolio Manager
bei Janus Henderson Investors
Multi-Asset-Ausblick Q2 2022
Das wird weh tun
- Die weltweite Inflation hat einen Zins- und letztlich einen
Bewertungsschock an den Finanzmärkten ausgelöst, der sich in
höheren Renditen bei Staatsanleihen, größeren Spreads an den
Kreditmärkten und niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnissen bei
Aktien widerspiegelt.
- In der Vergangenheit endeten Straffungszyklen der Zentralbanken
häufig in Rezessionen. Angesichts der erwarteten Zinserhöhungen durch
die Zentralbanken und des historisch niedrigen Niveaus des Verbraucher-
vertrauens ist dies sehr bezeichnend.
- Obwohl die meisten Risikoanlagen viel günstiger scheinen als zu
Jahresbeginn, dürfte es noch zu früh sein, um Positionen deutlich
aufzustocken. Sie werden wahrscheinlich weiterhin unter Bewertungsdruck
durch steigende Realrenditen und negativen Einfluss durch die Wachstums-
abschwächung stehen.
Das globale Umfeld war auch im zweiten Quartal herausfordernd für Anleger:
Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, der Corona-Ausbruch in China und der
weltweite Inflationsanstieg waren nur schwer einzupreisen. Doch wie schon
zu Jahresbeginn war das bestimmende Marktthema in den letzten Monaten die
Anpassung der globalen Zinserwartungen, die die Stimmung und die
Performance aller Anlageklassen dominierte.
Inflations-, Zins-, Bewertungsschock
Der weltweite Inflationsschock hat einen Zinsschock und letztlich einen
Bewertungsschock an den Finanzmärkten ausgelöst, der sich in höheren
Renditen bei Staatsanleihen, größeren Spreads an den Kreditmärkten und
niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnissen bei Aktien niederschlägt. Anleger
mussten in diesem Jahr zweistellige Kursverluste bei Aktien, Unternehmens-
anleihen, Schwellenländeranleihen, Staatsanleihen und Gold hinnehmen. In
diesem destruktiven Marktumfeld mit hoher Volatilität und hoher Korrelation
gab es nur sehr wenige sichere Häfen.
Der Umfang der diesjährigen Marktbewegungen könnte zwar den Eindruck
erwecken, dass die Neuausrichtung der weltweiten Zinserwartungen bereits
weit fortgeschritten ist, doch weder die Wirtschaftsdaten noch die
Botschaften der Zentralbanken stützen diese Ansicht deutlich. Obwohl die
Inflation in den großen Volkswirtschaften kurz vor ihrem Höchststand
scheint, dürfte dies allein nicht ausreichen, um den Aufwärtstrend bei
den Zinserwartungen umzukehren. Da sich die Inflation in den meisten
Volkswirtschaften auf einem jahrzehntelangen Höchststand befindet, das
Lohnniveau stark ansteigt und die Arbeitslosigkeit einen zyklischen
Tiefstand erreicht hat, dürfte eine deutliche Trendwende in der Wirtschaft
notwendig sein, um den Standpunkt zu untermauern, dass die Zinserwartungen
hoch genug sind. Um die Zinssituation nachhaltig zu entspannen, ist
wahrscheinlich ein deutlicher Abbau der Ungleichgewichte auf dem
Arbeitsmarkt erforderlich, damit die derzeitige Entwicklung der Löhne und
der Inflation im Dienstleistungssektor gestoppt werden kann.
Die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Umdenkens bei den Zinssätzen sind
bemerkenswert. Während die Finanzmärkte im September letzten Jahres noch
nicht mit einer Zinserhöhung der Federal Reserve (Fed) in diesem Jahr
rechneten, gehen sie nun davon aus, dass die Zinsen 2022 um mehr als 3 %
steigen werden.1 Die Zinsänderung in der Eurozone ist zwar aktueller,
aber auch unvermittelt. Anfang März rechnete man kaum damit, dass die
Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen in diesem Jahr anheben würde;
heute gehen die Märkte davon aus, dass die Zinsen bis Dezember um etwa
1,75 % steigen werden und dass es darüber hinaus weitere Anhebungen geben
wird. Da sich die Zinspolitik geändert hat, haben die meisten Zentralbanken
außerhalb Japans ihre Programme zur quantitativen Lockerung beendet und
gehen zu einer quantitativen Straffung über. Dadurch dürften in den nächsten
18 Monaten2 etwa 3 Billionen US-Dollar aus den globalen Märkten abgezogen
werden, was die geldpolitische Straffung durch die Zinsen verstärken wird.
Zinserwartungen der Märkte für Ende 2022
Quelle: Janus Henderson Investors, Bloomberg, Stand: 14. Juni 2022
Das wird weh tun
Es ist kaum verwunderlich, dass die Finanzmärkte angesichts einer so
raschen Änderung der geldpolitischen Rahmenbedingungen in Turbulenzen
geraten sind. Während die Geldpolitik der Zentralbanken in den großen
Volkswirtschaften seit der globalen Finanzkrise bewusst marktfreundlich
war, hat sich der Schwerpunkt nun eindeutig auf die Inflationsbekämpfung
verlagert. Mit der Verschärfung steigt auch das Risiko, dass die Reaktion
der Währungshüter Kollateralschäden in der Realwirtschaft oder auf den
Finanzmärkten verursacht.
Natürlich zeigt die Geschichte, dass viele Straffungszyklen der Zentralbanken
in Rezessionen gipfelten. Die grundlegenden Daten zeigen, dass fast 80 % der
US-Straffungszyklen seit dem Zweiten Weltkrieg so endeten. Allerdings waren
viele dieser Konjunkturabschwächungen kurz und gering, und nicht alle gelten
als durch Zentralbankmaßnahmen verursacht. In einigen Fällen waren
wahrscheinlich Ölschocks oder fiskalische Straffungen die Hauptursachen für
die Abschwächung; für die Rezession im Jahr 2020 gilt die Pandemie als
Auslöser.
Historische Rezessionswahrscheinlichkeit nach Ende der Zinserhöhungszyklen (%)
Quelle: Janus Henderson Investors, Goldman Sachs, Stand: 17. April 2022
Anmerkung: Die Daten basieren auf allen Rezessionen seit 1945
Optimisten können betonen, dass außerhalb der USA weniger Rezessionen auf
die Straffungszyklen der Zentralbanken folgten. Sie könnten auch anmerken,
dass weiche Landungen in den letzten Jahren häufiger geworden sind. Dies
dürfte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass die
Rezessionswahrscheinlichkeit offenbar von den wirtschaftlichen Bedingungen
abhängt, die zu Beginn des Zinszyklus herrschen. Während niedrige
Inflationsraten, wie in den letzten Jahrzehnten, in der Regel mit harmlosen
Konjunkturabschwächungen einhergingen, warnt die Geschichte davor, dass
härtere Landungen wahrscheinlicher sind, wenn die Zinszyklen mit überhitzten
Volkswirtschaften beginnen. Als die Kerninflation in den USA und den meisten
anderen Ländern so hoch war wie heute, folgte auf 80 % der Straffungszyklen
in den G10-Ländern eine Rezession. Die Arbeitsmarktstatistiken sind ebenfalls
besorgniserregend. Seit 1955 hat die US-Wirtschaft immer innerhalb von zwei
Jahren nach jedem Quartal, in dem die Lohninflation wie heute über 5 % und
die Arbeitslosigkeit unter 5 % lag, eine Rezession erlebt.3
Alles deutet also darauf hin, dass das Rezessionsrisiko im nächsten Jahr
hoch ist. Während die solide Finanzlage der Verbraucher und Unternehmen in
den meisten Volkswirtschaften Hoffnung auf die Vermeidung eines tiefen
Einbruchs macht, könnten die künftigen Entwicklungen in Russland, China und
auf den Rohstoffmärkten die Wahrscheinlichkeiten verringern. Zumindest ist
mit einer deutlichen Verlangsamung zu rechnen, da die Zinserhöhungen den
derzeitigen Druck auf die Realeinkommen der Verbraucher noch verstärken.
Es ist bedenklich, dass einige Indikatoren für das Verbrauchervertrauen in
Großbritannien und in den USA auf den niedrigsten Stand seit Beginn der
Aufzeichnungen gesunken sind, d. h. unter die Werte der sechs Rezessionen
seit 1980.
Messungen zum Verbrauchervertrauen
Quelle: Janus Henderson Investors, Bloomberg, Stand: 14. Juni 2022
Rezession nur teilweise eingepreist
Aufgrund dieser Bedenken sind die weltweiten Aktienkurse seit ihrem Höchststand
im Januar um mehr als 20 % gefallen. Dies ist ein beträchtlicher Verlust für
einen Kursrückgang außerhalb einer Rezession und nicht allzu weit von dem
durchschnittlichen Rückgang von 24 % entfernt, der in vergangenen Rezessionen
zu verzeichnen war.4,5 Während Abschwünge außerhalb von Rezessionen in der
Regel drei Monate dauern, geht der aktuelle Rückgang bereits in den fünften
Monat. Das Gefühl, dass die Aktien nun viele schlechte Nachrichten eingepreist
haben, sollte jedoch durch die Tatsache relativiert werden, dass der Rückgang
mit ungewöhnlich hohen Bewertungen begann, insbesondere bei den amerikanischen
Mega-Cap-Wachstumswerten. Bei Letzteren sind die Bewertungen immer noch hoch,
andere Aktienmärkte scheinen jetzt für eine Abschwächung, nicht aber für eine
Rezession bewertet zu sein. An den Märkten für Unternehmensanleihen vermitteln
die Credit Spreads eine ähnliche Botschaft. Aus einer Cross-Asset-Perspektive
sehen wir, dass die Aktienbewertungen mit den Realrenditen von Staatsanleihen
übereinstimmen. Dies verspricht zwar, dass der Aktienabschwung beendet sein
wird, sobald der Straffungszyklus der Zentralbank vollständig eingepreist ist,
deutet aber auch darauf hin, dass Aktien wahrscheinlich unter Druck bleiben
werden, bis dieser Punkt erreicht ist.
Während sich die Aktienbewertungen zumindest teilweise an das schwierige
wirtschaftliche und politische Umfeld in diesem Jahr angepasst haben, sehen
wir weniger Anzeichen dafür, dass die Gewinnprognosen und die Positionierung
der Anleger noch hinterherhinken. Die Konsensschätzungen der Analysten für die
Unternehmensgewinne 2022 und 2023 sind in den letzten Monaten sogar gestiegen,
obwohl die Ökonomen ihre Prognosen für das BIP-Wachstum immer wieder nach unten
korrigiert haben. In Rezessionen geht das Gewinnwachstum in der Regel um über
20 % zurück.6 Selbst wenn dies vermieden wird, erscheinen die aktuellen
Schätzungen eines weltweiten Gewinnwachstums von 8 % für 2022 und 2023
optimistisch, sollte sich die Weltwirtschaft wie von uns erwartet abkühlen.
Vollständig investierte Bären
Indikatoren für die Positionierung und Stimmung der Anleger sind eine weitere
Möglichkeit, um zu beurteilen, was von den Märkten berücksichtigt wurde. Für
Aktien sehen wir hier gemischte Signale. Viele Indikatoren deuten darauf hin,
dass die allgemeine Aktienstimmung jetzt auf einem Niveau ist, das wir
normalerweise als konträres Kaufsignal betrachten würden. Ein Blick auf die
Positionierung der Anleger zeigt jedoch ein anderes Bild. Die Anleger sind
mit hohem Aktienexposure in dieses Jahr gestartet und haben weiter gekauft.
Weltweit haben Anleger in diesem Jahr 220 Mrd. US-Dollar netto aus
Geldmarktfonds abgezogen und fast 200 Mrd. US-Dollar netto in Aktien
investiert.7
Es ist kompliziert
Auch wenn Aktien, Kredite und die meisten anderen Risikoanlagen jetzt günstiger
sind als zu Jahresbeginn, scheint es noch zu früh zu sein, um Positionen
deutlich aufzustocken. Eine nachhaltige Erholung der Risikobereitschaft und
der Risikoanlagen lässt sich nur schwer begründen, solange es keine Anzeichen
dafür gibt, dass die Inflation ihren Höhepunkt überschritten hat, die
Arbeitsmärkte sich abkühlen und die Zentralbanken in einer Weise reagieren,
die hoffen lässt, dass sie den Widrigkeiten trotzen und eine weiche Landung
herbeiführen können. Bis dahin dürften Risikoanlagen weiterhin unter
Bewertungsdruck durch steigende Realrenditen und negativen Einfluss durch die
Wachstumsabschwächung stehen.
Trotz der Turbulenzen der letzten Monate sind wir gegenüber chinesischen Aktien,
die bereits eine große Baisse, einen erheblichen Bewertungsabschlag und die
Kapitulation der Wholesale-Anleger erlebt haben, positiver gestimmt. Wir sehen
uns durch die zunehmenden Anzeichen ermutigt, dass das umfassende regulatorische
Eingreifen im vergangenen Jahr nun weitgehend beendet ist. Wir sind weniger
pessimistisch gegenüber Staatsanleihen, da sich die Renditen nach oben bewegen
und wir der Ansicht sind, dass sie mit der Verlangsamung des Wachstums einen
Teil ihrer risikoabsichernden Eigenschaften wiedererlangen sollten.
Alles, was den Aufwärtsdruck auf die Zinsen verstärkt, dürfte ein Abwärtsrisiko
für die Märkte darstellen. Je höher die Zinssätze steigen müssen, desto größer
ist das Risiko einer Rezession oder einer Art von Finanzkrise. Die Entwicklungen
in Russland und auf den Rohstoffmärkten geben nach wie vor Anlass zur Sorge.
Im Großen und Ganzen gibt es wahrscheinlich zwei Wege zu einem optimistischeren
Investitionsumfeld. Der steinigere Weg wäre, wenn die Märkte so weit abverkaufen,
dass die meisten plausiblen negativen wirtschaftlichen Ergebnisse vollständig
eingepreist werden. Der konstruktivere Weg wäre, wenn der Inflationsdruck
überraschend schnell nachlässt, sodass die Anleger zu dem Schluss kommen, dass
der Zinszyklus vollständig eingepreist ist. Eine Entspannung auf den
Rohstoffmärkten könnte zu einem solchen Ergebnis führen. Auch eine deutliche
Zunahme des Arbeitskräfteangebots könnte den Druck von den Zentralbanken und
Finanzmärkten nehmen.
Fußnoten
1 Janus Henderson, Bloomberg Finance; Stand: 12. Juni 2022. US0AFR Index
(WIRP Implied Overnight Rate) Fed Ende 2022
2 BofA Global Research, 2. Juni 2022
3 National Bureau of Economic Research, Stand: 14. Juni 2022
4 Bloomberg. Globale Aktien abgebildet durch den MSCI World Index.
Rückgang vom 31. Dezember 2021 bis 13. Juni 2022.
5 Deutsche Bank Research, Stand: 14. Juni 2022
6 Deutsche Bank Research, Stand: 14. Juni 2022
7 BofA Global Research, EPFR Global, Stand: 8. Juni 2022
Die Aussagen einer bestimmten Person geben deren
persönliche Einschätzung wieder (Janus Henderson Investors).
Die zur Verfügung gestellten Informationen erheben
keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellen
keine Beratung dar (Janus Henderson Investors)
Quelle: Investmentfonds.de
|