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25.10.2022:
Ninety One Macroscope: Energiekrise und Energiewende – was bringt COP27?
Tom Nelson, Co-Portfoliomanager, Global Natural Resources bei Ninety One
Macroscope: Energiekrise und Energiewende – was bringt COP27?
Die zwölf Monate seit der COP26 waren aus vielen, überwiegend negativen, Gründen
turbulent. Aus Anlegersicht stellen sich jetzt zwei wichtige Fragen, sagt Tom Nelson,
Co-Portfoliomanager, Global Natural Resources: Was bedeuten die jüngsten Ereignisse
für die Energiewende? Und welchen Beitrag kann die COP27 dazu leisten, die
Herausforderungen zu bewältigen, mit denen sich die Welt 2022 konfrontiert gesehen hat?
Die Transformation von Energiesystemen ist kompliziert, teuer und bringt kurz- bis
mittelfristige geopolitische Herausforderungen mit sich – selbst wenn das langfristige
Ziel darin besteht, ein weltweites Energiesystem zu schaffen, das einfacher, günstiger
und widerstandsfähiger gegenüber geopolitischen Störfaktoren ist. Auch wenn die
Nachrichten momentan von der Energiekrise in Europa beherrscht werden, darf nicht
vergessen werden: Der Klimawandel ist ein universelles Problem, das eine ganzheitliche
und faire Lösung erfordert – gemäß dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen
Verantwortung (Common But Differentiated Responsibilities, CBDR), wie es in der
Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCC) festgeschrieben ist. Da ist es
auch kein Zufall, dass die diesjährige Klimakonferenz in Afrika stattfindet.
Werfen wir zunächst trotzdem einen Blick auf die Lage in Europa. Die Energiemärkte sind
durch die russische Invasion in der Ukraine im Februar und die anschließenden
Unterbrechungen der Energielieferungen aus der Region erschüttert worden. Die allgemeine
Abkehr von russischem Öl und Gas (Russland lieferte zuvor 40% des europäischen Erdgases
und 10% des weltweiten Öls) stellt die größte strukturelle Verschiebung an den globalen
Energiemärkten seit mehreren Jahrzehnten dar. In der Folge ist Europa zum wichtigsten
Abnehmer von Flüssiggas (LNG) auf dem globalen Spotmarkt geworden. Das hat die Gaspreise
drastisch in die Höhe getrieben und zu einem höheren Kohleverbrauch geführt – nicht nur
in Europa, sondern auch in Asien, wo Kohle in mehreren wichtigen Abnehmerländern
inzwischen wirtschaftlich attraktiver ist als teures importiertes Gas.
Die Invasion und der anhaltende Konflikt an der europäischen Grenze haben auch
gravierende Auswirkungen auf die Finanzierung der Energiewende. Die grassierende
Inflation und steigende Ausgaben für Verteidigung in Europa haben ein fiskal- und
haushaltspolitisches Umfeld geschaffen, in dem höhere Investitionen in die
Erneuerbare-Energie-Infrastruktur politisch schwierig sind. In Verbindung mit stark
steigenden Zinsen und der chaotischen Regierungspolitik in Großbritannien haben hohe
Lebensmittelpreise und steigende Heizkosten kurz vor Beginn des Winters zu einem sehr
angespannten sozioökonomischen Klima geführt, in dem Politiker, Zentralbanken und
Regulierungsbehörden einen äußerst schwierigen Balanceakt vollführen müssen.
Den Konsumenten ist bewusst, wie wichtig Emissionsreduktionen und die Eindämmung der
Erderwärmung sind. Kurzfristig stehen für viele jedoch die hohen Lebenshaltungskosten
und die aktuell schwierige wirtschaftliche Realität im Vordergrund. Lobenswert sind
dagegen die REPowerEU Initiative und der Inflation Reduction Act, mit denen sich die
Europäische Union und die USA viel vorgenommen haben.
Die Ironie dabei ist natürlich, dass die Ereignisse des Jahres 2022 erneuerbare
Energien attraktiver denn je gemacht haben. Durch den Anstieg der Öl-, Gas- und
Kohlepreise hat sich die Wirtschaftlichkeit von Solar- und Windenergie im Vergleich
zu Kohlenwasserstoffen deutlich verbessert. Die Umstellung auf erneuerbare Energien
muss weltweit beschleunigt werden. Länder, die zusammen für weit über 70% der weltweiten
CO2-Emissionen verantwortlich sind, haben sich inzwischen Netto-Null-Ziele gesetzt.
Insgesamt ist das Bewusstsein für die Dringlichkeit des Klimaschutzes und den enormen
damit verbundenen Kapitalbedarf inzwischen viel größer als zuvor. Dazu haben auch der
Bericht des Weltklimarats (IPCC) Anfang dieses Jahres sowie die Arbeit der
Internationalen Energieagentur beigetragen.
Was die zweite Dimension des Energietrilemmas – Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit
und Umweltauswirkungen – angeht, haben die Ereignisse in der Ukraine und die Reaktionen
darauf die historische Abhängigkeit des globalen Energiesystems von geopolitisch
instabilen Regionen verdeutlicht. Mit der Beschleunigung der Energiewende und der
Verdrängung fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energien dürfte auch das Problem der
Versorgungssicherheit abnehmen. Jenseits der aktuellen Marktvolatilität und
Nachrichtenflut zeigt sich, dass es bei der Bewertung der Auswirkungen der Ukraine-Krise
auf die Energiewende auf den Zeithorizont ankommt: Auf absehbare Zeit dominieren die
schlechten Nachrichten, aber für die längerfristige Umstellung der Energiesysteme sind
die aktuellen Entwicklungen sehr förderlich.
Bei der COP27 in Ägypten dürften viele der großen Themen von Glasgow erneut ganz oben
auf der Agenda stehen. Die Schwellenländer und CO2-intensive Sektoren dürften wieder
im Mittelpunkt vieler Diskussionen stehen, da sie den Kern der Emissionsproblematik
bilden. Dieses Problem muss entschlossen angegangen werden. Wir erwarten intensivere
Diskussionen über Transitionsfinanzierung und den Umgang von Regierungen,
Regulierungsbehörden und Investoren mit den fünf Bereichen der Wirtschaft, die derzeit
für 90% der weltweiten Emissionen verantwortlich sind: Energie, Mobilität, Gebäude,
Industrie und Landwirtschaft. Viele der Taxonomien und Investitionsrahmen, die seit
der Pariser Klimakonferenz, COP21, im Jahr 2015 entwickelt worden sind, haben Kapital
aus diesen Bereichen weggelenkt. Das jedoch wird das Problem nicht lösen und könnte es
sogar verschlimmern.
Im Kontext der Energiesysteme und Energieversorgung werden wir auf der COP27 auch mehr
darüber hören, welche Rolle Erdgas auf dem afrikanischen Kontinent spielen könnte.
Ägypten ist Afrikas drittgrößter Erdgasproduzent nach Nigeria und Algerien – und die
Ereignisse des Jahres 2022 haben deutlich gemacht, wie wichtig der Zugang zu Gas aus
nicht-russischer Produktion ist.
Für das Zusammentreffen einer Energiewende mit einem Rohstoff- oder Energieversorgungs-
schock gibt es kein festes Drehbuch. Das erklärt auch einen Teil der außergewöhnlichen
Preisentwicklung und Volatilität, die wir seit Februar an den Märkten beobachten konnten.
Eines aber scheint klar: Auch wenn wir derzeit einen kurzfristig unvermeidbaren
Rückschlag erleben, werden der Klimanotstand und die Erkenntnis, dass wir dringend
unabhängiger von russischer Energie werden müssen, Regierungen, Regulierer und letztlich
auch die Verbraucher dazu zwingen, sich stärker auf eine beschleunigte Umsetzung der
Energiewende zu konzentrieren.
Die COP27 dürfte hier neue Anstöße für gezieltere konzertierte Maßnahmen geben.
Die Aussagen einer bestimmten Person geben deren
persönliche Einschätzung wieder (Ninety One).
Die zur Verfügung gestellten Informationen erheben
keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellen
keine Beratung dar (Ninety One).
Quelle: Investmentfonds.de
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