Investmentfonds.de
15.07.2011:
ING IM - Der Monat an den Kreditmärkten: Das Fixed-Income-Dilemma
Köln, den 15.07.2011 (Investmentfonds.de) - Investoren in einem effizienten
Markt gelten als rational. Aber was, wenn die Marktrahmendaten den Kauf einer
bestimmten Asset-Klasse signalisieren, während Ihr Risikoprofil und die
Benchmark in die andere Richtung weisen? Dieses Allokations-Dilemma beobachten
wir derzeit am Fixed-Income-Markt.
Anleiheinvestoren streuen ihr Portfolio oftmals zwischen verschiedenen Asset-
Klassen im Fixed-Income-Bereich, wie beispielsweise Staatsanleihen (die als
risikolos gelten), ABS, Investment-Grade- und High-Yield-Unternehmensanleihen
sowie diversen Kategorien von Emerging Market Debt. Durch aktive Umschichtung
dieser Anlageklassen wollen sie die Portfolioerträge insgesamt steigern und
das Risikoprofil steuern. Die Allokations-Entscheidungen basieren normalerweise
auf einer qualitativen bzw. quantitativen Analyse der makroökonomischen Faktoren,
fundamentalen Themen und Markttrends. Ändert sich die Einschätzung dieser
Variablen, werden die Allokationen angepasst.
Seit der Erholung von der Finanzkrise haben die meisten Fixed-Income-Investoren
ihre Allokation auf risikoreichere Assets, wie High-Yielder und Schwellenländer-
anleihen, verlagert. Im Gegenzug reduzierten sie die Gewichtung von Staatsanleihen,
um von den sich verbessernden Rahmendaten bei Unternehmen und Schwellenländern
sowie den attraktiven Zinsaufschlägen auf diese Anleihen profitieren zu können.
Da im Vergleich zu Staatsanleihen sowohl Hochverzinsliche als auch EMD attraktive
Erträge abwerfen, hat diese Allokation zu einer Steigerung der Gesamterträge bei
Fixed-Income-Portfolios beigetragen.
In Zeiten der Unsicherheit wird die Gewichtung risikoreicher Anlageklassen er-
wartungsgemäß reduziert. Das war u. a. der Fall nach der Katastrophe, die im März
über Japan hereinbrach. In der Folge bestand eine deutliche Gefahr für das künftige
wirtschaftliche Wachstum in Asien und man stieß Risiko-Assets ab. Bei zunehmender
Stabilisierung der Situation in Japan wandte sich die Anlegerschaft erneut den
risikoreicheren Anlageformen zu und löste damit eine Rally aus, die die voran-
gegangenen Kursrückgänge wettmachte.
Im Juni, als Sorgen um einen unkontrollierten Staatsbankrott Griechenlands und
einen möglichen Dominoeffekt eine Welle der Risikoscheu auslösten, erlebten wir
dies erneut. Sowohl High-Yield-Fonds in Europa als auch das High-Yield-Segment
amerikanischer Publikumsfonds erlebten deutliche Kapitalabflüsse. Hier ist
allerdings ein interessantes Phänomen zu beobachten: Europäische Fixed-Income-
Anleger sorgen sich über die Staatsschuldenkrise in Europa, also senken sie ihr
Risiko, indem sie ihre Gewichtung von hochverzinslichen Unternehmensanleihen
und EM-Staatsanleihen reduzieren, um dann europäische Staatsanleihen anzukaufen!
Diese Allokationsentscheidung erscheint irrational und beruht offensichtlich
nicht auf den Marktrahmendaten. Dies gilt umso mehr, wenn man sich vor Augen
führt, dass die Kreditrahmendaten der Unternehmen hervorragend sind und die
Zahl der Firmenpleiten auf ihrem niedrigsten Stand liegt. Zudem gibt es nur sehr
wenige griechische, portugiesische und irische High-Yield-Unternehmen, und EM-
Staatsschuldner sind nicht von den Verschuldungsproblemen der entwickelten
Nationen geplagt. Warum also gibt es dieses Dilemma?
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Investoren streben nach aktiven Risikopositionen, wenn sie vom Wertpotenzial
überzeugt sind, und vermeiden das Eingehen von Positionen, wenn es ihnen an
Überzeugung mangelt. Unvorhergesehene Ereignisse (wie Erdbeben) und politische
Entscheidungsprozesse (wie im Zusammenhang mit Griechenland) verschärfen Unsicher-
heit und reduzieren damit den Grad der Überzeugung. In der Folge kommt es zu
einem Rückgang des Risikos. Die daraus resultierende Allokations-Logik beruht
auf Benchmark-Denken: Die Reduzierung von Risiko bedeutet eine Annäherung an
die Benchmark, also das Abstoßen von übergewichteten und den Kauf von unter-
gewichteten Positionen, um eine möglichst neutrale Positionierung zu erzielen.
Da die höheren Gewichtungen von High-Yield und EMD vor allem durch die Unter-
gewichtung von Staatsanleihen finanziert wurden, kaufen Anleger, die eine
neutrale Positionierung eingehen wollen, genau das, wovor sie zunächst Angst
hatten: Staatsanleihen mit schwächelnden Rahmendaten. Darunter fallen übrigens
auch die Staatsanleihen AAA-gerateter Länder wie Deutschland und Frankreich,
deren Rahmendaten zwangsläufig durch die Rettungsaktionen an der EWU-Peripherie
geschwächt werden.
Allgemein gilt: bei niedrigen Kursen kaufen, bei hohen Kursen verkaufen. Das
ist auch meine Überzeugung; es ist jedoch leichter gesagt als getan. Doch die
Herdenmentalität, wonach Allokationen sich nach Benchmark-Gewichtungen richten,
auch wenn die Rahmendaten dies nicht hergeben, lässt sich kaum als rationales
Verhalten bezeichnen. Natürlich ergeben sich interessante Gelegenheiten für
geschicktere Investoren, die sich gegenläufig bzw. noch vor dem Markttrend bei
risikoreicheren Anlageformen engagieren. Das sind die Value-Investoren, die
von einer Erleichterungs-Rally profitieren werden. Die durch die Staatsschulden-
krise ausgelöste Volatilität wird uns noch eine Weile begleiten, ebenso wie
die Chancen, die sich aus dem Anlegerverhalten ergeben.
Quelle: Investmentfonds.de
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