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16.01.2012:
Börsen-Zeitung: Zwischen Hoffen und Bangen, Kommentar zu den Auswirkungen der Rating-Herabstufung Frankreichs auf den Wahlkampf, von Gerhard Bläske.
Frankfurt (ots) - Der Verlust des französischen Triple-A-Ratings
konnte niemanden in Paris überraschen. Premierminister François
Fillon beeilte sich, den Eindruck zu vermitteln, es habe sich nicht
allzu viel verändert. Man solle die Herabstufung "nicht
unterbewerten", dürfe sie aber auch "nicht dramatisieren". Ein neues
Sparprogramm ist nach Ansicht von Wirtschaftsminister François Baroin
nicht notwendig.
Ganz so einfach ist es nicht. Die Ankündigung von Standard &
Poor's ist ein Schock für die Regierung, die vor einem Scherbenhaufen
steht. Alle wichtigen Kennzahlen haben sich in Sarkozys Amtszeit
verschlechtert, und nun ist auch der Nimbus von Präsident Nicolas
Sarkozy als erfolgreicher Krisenmanager weg. Noch schlimmer aber ist
für Paris, dass Musterschüler Deutschland seinen Status behält.
Bundeskanzlerin Angela Merkel kann künftig noch selbstbewusster
auftreten und die von Paris und anderen gewünschten Kompromisse bei
der Umsetzung der Politik der Entschuldung und Konsolidierung
verweigern.
Drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen steckt Sarkozy damit in
einer Sackgasse. Er muss auf die Allianz mit Deutschland setzen, um
ökonomisch glaubwürdig zu bleiben, denn im schlimmsten Fall könnte
mitten im Wahlkampf auch Moody's das Rating des Landes herabsetzen.
Panisch versucht er seinen Umfrage-Rückstand in letzter Minute
aufzuholen, will die Finanzierung des teuren
Sozialversicherungssystems auf eine breitere Grundlage stellen und
eine Finanztransaktionssteuer einführen.
Die Situation ist gefährlich für ihn selbst - wie auch für Europa,
denn die Spaltung des Landes wächst. Der Sozialist François Hollande
bekennt sich zwar zu einem Sparkurs, akzeptiert aber keine
Schuldenbremse, plant neue Beschäftigungsprogramme und will die
Konjunktur stimulieren. Die Rechtsradikale Marine Le Pen setzt auf
die Globalisierungsängste vieler Franzosen und auf Protektionismus
sowie die Rückkehr zum Franc. Und in der Mitte macht Sarkozy der
Zentrumsmann François Bayrou zu schaffen, der zwar für eine
Schuldenreduzierung eintritt, aber keine konkreten Vorschläge
vorlegt.
Ein zerrissenes Frankreich ist gefährlich für Europa und für
Deutschland. Wenn die beiden Kernländer Europas weiter
auseinanderdriften, dann droht die Explosion der Eurozone. Bleibt zu
hoffen, dass die Herabstufung nicht den radikalen Kräften in die
Hände arbeitet, sondern einen heilsamen Schock auslöst. Es wäre eine
Chance, die lange versäumten, schmerzhaften Reformen umzusetzen.
(Börsen-Zeitung, 17.1.2012)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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