Investmentfonds.de
27.08.2018:
Principal Global Investors:Die Türkeikrise – Anstoß für einen Flächenbrand der Emerging Markets?
Köln, den 27.08.2018 (Investmentfonds.de) -
Seema Shah, Global Investment Strategist
bei Principal Global Investors
Die internationalen Märkte werden zunehmend von einzelnen
Risikofaktoren beeinflusst. Doch ist die jüngste Krise in
der Türkei lediglich ein weiterer Einzelfall oder ist sie
symptomatisch für die Herausforderungen, denen die
Weltwirtschaft heute gegenübersteht? Könnte die Entwicklung
in der Türkei gar einen Dominoeffekt auslösen?
"Die Krise in der Türkei ist vor allem auf innere
Ungleichgewichte zurückzuführen. Das schnelle
Wirtschaftswachstum wurde durch einen starken Anstieg
des Kreditwachstums und der Staatsausgaben angetrieben
und führte zu einer deutlichen Ausweitung des türkischen
Leistungsbilanzdefizits. Zugleich ist das Land stark von
volatilem kurzfristigen ausländischen Kapital abhängig.
Zu dieser besorgniserregenden Entwicklung gesellen sich
Zweifel an der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der
Zentralbank. Auf die steigende Inflation, die nun bei mehr
als 10 Prozent über ihrem Ziel liegt, hat sie nicht mit
einer Erhöhung des Leitzinses reagiert. Präsident Trump hat
mit seiner Entscheidung, auf die sich verschlechternden
Beziehungen mit der Einführung von Sanktionen und Zöllen
auf türkische Waren zu reagieren, weiteres Öl ins Feuer
gegossen", erklärt Seema Shah, Global Investment Strategist
bei Principal Global Investors.
Schon für sich genommen würden diese spezifischen Probleme
einen starken Vertrauensverlust der Anleger und einen schnellen
Kapitalabfluss bewirken. In Verbindung mit einem zunehmend
schwierigem außenwirtschaftlichen Umfeld, das die Liquiditäts-
und Finanzbedingungen erschwere, sehe sich die Türkei einer
Lage ausgesetzt, die typisch für Krisen in Schwellenländern sei.
Doch haben Investoren Recht, wenn sie befürchten, dass die
jüngste Aufwertung des US-Dollars, die schrumpfende Bilanz
der US-Notenbank und die zunehmenden Spannungen im Handel eine
systemische Emerging-Markets-Krise auslösen können?
"Darauf würde ich mit Nein antworten", so Shah.
"Letztendlich ist die Türkei aufgrund ihrer innenwirtschaftlichen
Probleme besonders von den aktuellen weltwirtschaftlichen
Herausforderungen betroffen. Sie ist das einzige großes
Schwellenland, in dem der private Sektor ein hohes Spardefizit
aufweist und daher stark von Kapitalzuflüssen abhängig ist.
Die Türkei ist auch eines der wenigen Schwellenländer, in
denen die wichtigsten makroökonomischen Stabilitätsindikatoren
überstrapaziert sind."
Im deutlichen Gegensatz zur Türkei und zu den Bedingungen der
Asienkrise Ende der 1990er Jahre wiesen viele Schwellenländer
heute Leistungsbilanzüberschüsse oder nur geringe Defizite aus.
Das Verhältnis von Devisenreserven zur kurzfristigen
Auslandsverschuldung falle in diesen Ländern in der Regel
angemessen hoch aus. Darum seien nur wenige von ihnen für
Zahlungsbilanzkrisen anfällig; die meisten kämen mit
Kapitalabflüssen zurecht. Um eine sich weit ausbreitende
Emerging-Markets-Krise auszulösen, bedürfe es eines massiven
Kapitalabzugs.
Zugegebenermaßen seien mehrere große Schwellenländer erhöhten
politischen Risiken von innen oder außen ausgesetzt – darunter
Argentinien, Brasilien, Mexiko, Russland und Südafrika.
Diese müssen jedoch ebenfalls von schweren wirtschaftlichen
Ungleichgewichten, Abhängigkeit von ausländischem Kapital und
unorthodoxer Politik gezeichnet sein, um verwundbar zu sein.
"Die Aussichten für die meisten Schwellenländer sind für das
nächste Jahr positiver. Die Bewertungen sehen wieder attraktiv
aus. Sollten die Spannungen im Handel nachlassen, ist die Zeit
reif für eine Trendwende in den asiatischen Schwellenländern.
Darüber hinaus deuten verschiedene technische Faktoren darauf
hin, dass der Spielraum für eine weitere Aufwertung des
US-Dollars begrenzt ist – das Hauptargument, warum viele Anleger
Unbehagen bezüglich Schwellenländern haben, wäre somit entkräftet.
Der Türkei hingegen steht eine lange und schmerzhafte
Neuausrichtung bevor - ihre Probleme gehen tiefer und werden
nicht so leicht zu lösen sein", erklärt Shah.
Quelle: Investmentfonds.de
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