Investmentfonds.de
11.12.2018:
Investments in Aktien aus Schwellenländern: Eine Krise sollte niemals ungenutzt bleiben
Köln, den 11.12.2018 (Investmentfonds.de) -
Chetan Sehgal, CFA Senior Managing Director, Director of Portfolio Management
Franklin Templeton Emerging Markets Equity
2018 bewegten sich die Weltwirtschaft und die globalen Beziehungen vor dem
Hintergrund steigender geo- und wirtschaftspolitischer Risiken auf unbekanntem
Terrain. Wir sind Zeuge, wie die weltweiten Lieferketten und Handelsbeziehungen,
die für den wachsenden globalen Wohlstand eine zentrale Rolle gespielt haben,
zunehmend unter Druck kommen. Bislang scheinen die Schwellenländer die Hauptlast
der Konsequenzen tragen müssen: eine asymmetrische - und in unseren Augen
überzogene - Marktreaktion, die dazu geführt hat, dass sich die Bewertungen
im November 2018 nahezu auf einem Krisenniveau bewegen. Angesichts der weiterhin
robusten Fundamentaldaten stellen diese Bewertungen aus unserer Sicht jedoch
zunehmend attraktive Kaufgelegenheiten dar.
Was erwarten die Märkte?
2018 gab es eine erhebliche Lücke zwischen der Wertentwicklung von
Schwellenländeraktien und ihren Pendants aus den USA. Und das in einem Ausmaß,
das sich unserer Meinung nach nur schwerlich rechtfertigen lässt. Während die
USA von den einmaligen, kurzfristigen Auswirkungen von Steuersenkungen und der
Rückführung ausländischer Gewinne profitiert haben, dürften diese Effekte im
Laufe der nächsten beiden Jahre sehr schnell abklingen. Prognosen gehen daher
davon aus, dass sich die Schwellenländer im Hinblick auf das Wirtschafts- und
Ertragswachstum sehr viel stärker entwickeln werden. Der Internationale
Währungsfonds erwartet 2019 in den Schwellenländern ein konstantes
Wirtschaftswachstum von 4,7 %. In den Industrieländern hingegen wird mit einer
Abkühlung des Wachstums von 2,4 % im Jahr 2018 auf 2,1 % im Jahr 2019 gerechnet.
Darüber hinaus wird 2019 in den Schwellenländern ein Gewinnwachstum von 10,5 %
erwartet. Dies liegt zwar unter dem für 2018 prognostizierten Wachstum von
15,4 %, ist im Vergleich zu dem in den USA erwarteten Gewinnwachstum von 9,5 %
(ein Rückgang gegenüber 21,2 % im Jahr 2018) jedoch günstig.1 Unserer Ansicht
nach lassen sich die 2018 bei Schwellenmarktwerten verzeichneten Kursrückgänge
bei Berücksichtigung der aktuellen Fundamentaldaten auf zukunftsgerichteter
Basis nicht rechtfertigen.
Die Erwartungen der Anleger könnten sich zwar weiter verschlechtern, aus unserer
Sicht bietet die Lücke zwischen den Fundamentaldaten und den Bewertungen in den
Schwellenländern ausreichenden Spielraum für Performancepotenzial.
Die Schwäche bei Schwellenländeraktien ist vor allem auf Handelsspannungen
zurückzuführen. Exporte stellen zwar nach wie vor einen wesentlichen
Wachstumstreiber für diese Regionen dar, die Waren werden jedoch immer häufiger
in andere Schwellenländer geliefert. Sprich: Die relative Bedeutung der
Industrieländer ist gesunken. Parallel dazu spielen Konsum und Technologie
hinsichtlich des Wirtschaftswachstums eine immer wichtigere Rolle, so dass die
Schwellenländer inzwischen sehr viel stärker auf ihre eigene Binnenwirtschaft
ausgerichtet sind. Die Handelszölle treffen China zwar zweifellos in einer
schwierigen Phase, in der das Land gerade versucht, die Verschuldung seiner
Wirtschaft abzubauen, die Auswirkungen werden jedoch weltweit zu spüren sein,
wie die jüngsten Ergebnismeldungen von US-Unternehmen und die damit einhergehende
Aktienmarktvolatilität belegen. Politiker könnten womöglich doch noch zu dem
Schluss kommen, dass es vielleicht nicht ganz so einfach ist, Handelskriege zu
gewinnen.
Gegenüber Ansteckungsrisiken und Finanzschocks resistent
Die Stimmung in Bezug auf Aktien aus Schwellenländern und die Wertentwicklung
dieser Anlagen wurde zudem verstärkt durch die Wahrnehmung einer Krisenlage
beeinflusst, die vor allem auf die viel beachteten Strapazen kleinerer Nationen
zurückzuführen war. Wir halten ein weitläufiges makroökonomisches Übergreifen
der Schwäche in Märkten wie der Türkei und Argentinien für unwahrscheinlich, da
diese Länder im Hinblick auf ihren Finanzierungsbedarf und ihre unorthodoxe
Politik klar als Ausreißer einzustufen sind. Die Auswirkungen auf die Stimmung
haben jedoch offensichtlich zu einer gewissen Übertragung auf die Aktienmärkte
geführt. Hinzu kommt, dass diese Märkte nur einen kleinen Teil des Schwellen-
und Grenzmarktuniversums ausmachen: Im Oktober 2018 enthielt der MSCI Emerging
Markets Index rund 20 Unternehmen, die für sich alleine genommen schon stärker
gewichtet waren als die Türkei insgesamt. Die Relevanz Argentiniens ist aus
Sicht des Index sogar noch geringer.
Die Stärke des US-Dollars (USD) hat ebenfalls zur Schwäche der Schwellenländer
während des Jahres 2018 beigetragen. Die durch Steuersenkungen erzielte
kurzfristige Steigerung des BIP-Wachstums (Bruttoinlandsprodukt) in den USA übt
Aufwärtsdruck auf die Zinsen aus, während die Kapitalrückführungen aufgrund
regulatorischer Änderungen die Nachfrage nach USD-Anlagen erhöht haben.
Dementsprechend ist das Gewinnwachstum in den Schwellenländern für Anleger aus
den USA recht gering ausgefallen, auch wenn in Lokalwährung zweistellige Zuwächse
verbucht wurden.
Steigende Zinsen üben zwar - naturgemäß - Druck auf die Wachstums- und
Inflationserwartungen aus, dies beschränkt sich jedoch nicht alleine auf die
Schwellenländer. Zudem sind die Schuldenquoten der Industrieländer oft sehr viel
höher. Insgesamt zeichnen sich die Schwellenländer inzwischen durch
Leistungsbilanzüberschüsse, freie Wechselkurse und eine geringere Abhängigkeit
von einer Schuldenfinanzierung in USD aus. Diejenigen Schwellenländer
(und Unternehmen), die jedoch eine weniger umsichtige Politik verfolgen, sind
von den Finanzmärkten heftig abgestraft worden. Anleger scheinen zunehmend
zwischen Gewinnern und Verlierern zu unterscheiden, was Chancen für ein aktives
Management eröffnet.
Technologie und zunehmender Wohlstand
Die kurzfristigen Herausforderungen und die negative Stimmung in Bezug auf
Anlagen aus Schwellenländern haben unserer Einschätzung nach das längerfristige
Bild verschleiert. Dieses ist von Transformation geprägt, da sich die
Volkswirtschaften zunehmend von ihrer Abhängigkeit von Exporten, Rohstoffen und
staatlichen Unternehmen wegbewegen und verstärkt auf belastbarere
Wachstumsquellen setzen. Technologie ist zu einem der wichtigsten treibenden
Faktoren für die Renditen der Schwellenländer geworden, sei es im Rahmen der
inzwischen weltweit erstklassigen Halbleiterfertigung oder in Bereichen wie
Online-Gaming oder Internet-Banking. Gleichzeitig fördern E-Commerce-Plattformen
den florierenden Konsumsektor. Trotz einiger scharfer Aktienkurskorrekturen
während des Jahres 2018 sind wir bezüglich der nachhaltigen Ertragskraft
zahlreicher technologieorientierter Unternehmen aus den Schwellenländern nach
wie vor zuversichtlich.
Der Konsum in den Schwellenländern wird nicht alleine durch eine günstigere
demografische Entwicklung und eine zunehmende Produktdurchdringung bestimmt. Die
wachsende Mittelschicht und der zunehmende Wohlstand dürften auch die
"Premiumisierung" weiter vorantreiben und die Nachfrage nach High-End-Produkten
in den Schwellenländern ankurbeln. Wir sind davon überzeugt, dass stark
positionierte Unternehmen mit Premiummarken und erstklassigen Produkten in den
kommenden Jahren ein nachhaltiges und über dem Branchendurchschnitt liegendes
Wachstum erzielen werden.
Eine Krise sollte niemals ungenutzt bleiben
Die Bewertungen in den Schwellenländern haben sich aufgrund des deutlich
geschwächten Vertrauens (und der enttäuschenden Wertentwicklung) zuletzt ihren
Krisenniveaus angenähert. Gleichzeitig haben sich die Cashflows und Gewinne
jedoch allgemein als belastbar erwiesen. In Kombination mit einer besser
werdenden Corporate Governance, die verstärkt Dividendenausschüttungen und
Rückkäufe fördert, bieten uns diese Bedingungen eine zunehmend attraktive
langfristige Kaufgelegenheit. Viele Währungen waren zuletzt günstig, und als
substanzorientierte, langfristig ausgerichtete Anleger investieren wir auch
weiterhin in Unternehmen, die eine nachhaltige Ertragskraft an den Tag legen und
im Vergleich zu ihrem inneren Wert und anderen am Markt verfügbaren Anlagen zu
einem Abschlag gehandelt werden.
Quelle: Investmentfonds.de
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