Investmentfonds.de
28.05.2019:
LFDE Macroscope: Erst die Politik, dann die Wirtschaft
Köln, den 28.05.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer und Enguerrand Artaz,
Fondsmanager La Financière de L`Echiquier
Mit dem Handelskrieg als Zugpferd zieht die Politik die gesamte Aufmerksamkeit
der Anleger auf sich - und es ist kein Ende in Sicht.
Die Lage im Handelskonflikt bleibt angespannt, da die USA der schwarzen Liste,
auf der seit dem 16. Mai der Telekommunikationsriese Huawei steht, möglicherweise
fünf chinesische Videoüberwachungsfirmen hinzufügen werden. Peking beklagt die
"übertriebene Erwartungshaltung" Washingtons in den Verhandlungen und droht
andeutungsweise mit einem Embargo für seltene Erden.
Dabei ist China der weltweit größte Förderer und Verarbeiter seltener Metalle wie
z. B. Neodym oder Scandium, die in der Elektronikbranche etwa in TV-Bildschirmen,
Radarsystemen oder Abgaskatalysatoren breite Verwendung finden. Die USA decken
80 % ihres Bedarfs an diesen Stoffen aus chinesischen Importen. Von der Anhebung
der Zölle sind seltene Erden im Übrigen nicht betroffen.
Mit diesem strategischen Trumpf verfügt Peking über ein wichtiges Druckmittel
gegenüber Washington. Zum Ende der Woche ließen die Spannungen etwas nach, als
US-Präsident Donald Trump bekräftigte, dass es "gute Chancen" gebe, mit China eine
Einigung zu erzielen, und dass der Status von Huawei Teil dieses Deals sein könnte.
Die Lage bleibt dennoch prekär.
Auf politischer Ebene steht Europa dem in nichts nach. Im Vereinigten Königreich
überzeugte der als letzte Chance betrachtete Plan Theresa Mays, der insbesondere
der Opposition die Möglichkeit eines zweiten Referendums zugestand, weder ihre
eigene noch die Labour-Partei und wurde einmal mehr abgelehnt. Am Freitag kündigte
die britische Premierministerin daher ihren Rückzug an. Ihr Amt wird sie am 7. Juni
niederlegen, doch ihre Nachfolge bleibt weiter ungewiss - auch wenn Boris Johnson
der Favorit zu sein scheint. Auch das Ergebnis der Europawahlen, wenngleich es in
der Vergangenheit keinen bedeutenden Einfluss auf die Märkte hatte, wird aktuell
sorgfältig geprüft. Das erwartete Erstarken populistischer Bewegungen ließ sich
in Deutschland so jedoch nicht beobachten. Dies dürfte vor allem den italienischen
Spitzenpolitiker Matteo Salvini ärgern, der in den vergangenen Tagen mehrfach dazu
aufrief, die Haushaltsregeln der Europäischen Union zu ändern, die er für
wirtschaftsschädigend hält. Anleger sollten nun vor allem auf die Bildung von
Bündnissen zwischen verschiedenen Parteien schauen.
Die vielen Nachrichten aus der Politik sollten jedoch nicht den Blick auf die
ökonomischen Fakten verstellen, denn diese sind nach wie vor trübe. Die vorläufigen
Einkaufsmanagerindizes für Mai überraschten für Frankreich zwar positiv, enttäuschten
jedoch in Deutschland, der Eurozone und Japan und brachen in den USA ein.
Beide Indexkomponenten fielen, und der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex erreichte
mit einem Rückgang von 53,0 auf 50,9 ein Dreijahrestief. Auch wenn die wiederauflebenden
Handelsspannungen das geringere Vertrauen der Unternehmenschefs wahrscheinlich
weitgehend erklären, ist diese neuerliche Verschlechterung der Aktivitätsaussichten
beunruhigend, da sich die USA gegenüber der globalen Verlangsamung bisher wenig anfällig
zeigten. Zwar verfügt die US-Notenbank Fed in dieser Situation über einen erheblichen
Handlungsspielraum, doch die abwartende Haltung, die aus dem Protokoll ihrer letzten
Sitzung hervorgeht, lässt nicht auf ein rasches Handeln schließen. In der Zwischenzeit
könnte die Lage an den Märkten etwas turbulent werden.
Quelle: Investmentfonds.de
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