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01.07.2019:
Vontobel: OPEC-Meeting: Rohöl vor Aufwertung
Köln, den 01.07.2019 (Investmentfonds.de) -
Jon Andersson, Head of Commodities bei Vontobel Asset Management
Die Organisation erdölexportierender Länder, kurz OPEC, hat keine andere Wahl,
als die Kürzung der Ölfördermengen in ihren nächsten Sitzungen am 1. Juli (OPEC)
und 2. Juli (OPEC+) auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Die Produktionskürzungen
sind notwendig, um den Ölpreis zu stützen, der zuletzt aufgrund von globalen
Rezessionsschwankungen und Handelskriegsängsten zwischen den USA und China unter
Druck geraten ist. Die Erwartung, dass weitere Kürzungen der Ölfördermengen
vorgenommen werden, ist jedoch unbegründet. Nur wenn die OPEC davon ausgeht, dass
sich die Rohölnachfrage, wie im Falle eines ausgewachsenen Handelskrieges zwischen
den USA und China, deutlich abschwächen wird, könnten sich die Mitgliedsstaaten
dazu gezwungen sehen, weitere Kürzungen vorzunehmen. Wahrscheinlicher ist jedoch,
dass sich die OPEC auf die Einhaltung der Produktionsquoten konzentrieren wird.
Das bedeutet, den Druck auf den Irak und einige andere Quotenbetrüger zu erhöhen,
damit die vereinbarte Ölfördermenge zumindest in der zweiten Jahreshälfte
eingehalten wird.
Zudem könnten sich nach dem geplanten Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump
mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping auf dem G20-Gipfel in Osaka die
Befürchtungen einer Verschlechterung der Handelsbeziehungen zwischen den USA und
China auflösen und den Ölpreis ankurbeln, der in relativ kurzer Zeit frühere
Höchststände von 75 US-Dollar pro Barrel erreichen könnte.
In der zweiten Jahreshälfte könnte sich außerdem die Ölpreiserholung aufgrund von
drei wichtigen Aufwärtsindikatoren noch verstärken:
Beilegung des Handelsstreits zwischen den USA und China,
Verordnung der internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), die die
Reedereien zwingt, qualitativ hochwertigeren Kraftstoff zu verwenden,
Mögliche Versorgungsunterbrechungen im Nahen Osten aufgrund von schlechter
werdenden Beziehungen zwischen den USA und dem Iran.
Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass Saudi-Arabien es dem Ölpreis erlauben wird,
bis an die Marke von 100 US-Dollar zu steigen. Lieber wird das Land seine Produktion
steigern, um eine weitere Preiserhöhung einzudämmen.
Risikofaktor Iran
OPEC+ wird zwar die Rohölpreise stützen, der Iran könnte sie jedoch massiv in die
Höhe schnellen lassen. Vieles hängt davon ab, ob und wie die USA und der Iran ihre
Streitigkeiten beilegen. USPräsident Donald Trump stehen hierfür zwei Möglichkeiten
zur Verfügung, wie er auf die angeblichen Tanker- und Drohnenangriffe in der Straße
von Hormuz reagieren kann: Einen militärischen Gegenangriff oder die Verhängung
weiterer Sanktionen. Beide Möglichkeiten sind jedoch für Donald Trump problematisch;
für den Rohölpreis dagegen förderlich. Eine militärische Reaktion von Seiten der
USA würde für ihn bedeuten, eines seiner Wahlversprechen "America First" zu brechen.
Darüber hinaus ist es eher unwahrscheinlich, dass eine militärische Antwort den Iran
an den Verhandlungstisch bringen wird.
Das kleinere Übel der beiden Möglichkeiten und die wahrscheinlichere Alternative
ist die Verhängung zusätzlicher Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Wie wirksam
diese sein werden, ist jedoch fraglich, da der wirtschaftliche Druck auf den Iran
durch US-Sanktionen fast schon ein Maximum erreicht hat. Im Vergleich zu einem
offenen militärischen Konflikt bietet diese Strategie jedoch zumindest die Chance,
dass der Iran die Verhandlungen wieder aufnimmt, wenn auch nur in begrenztem Rahmen.
Infolgedessen ist das wahrscheinlichere Ergebnis, dass wir in nächster Zeit öfter
störende Ereignisse rund um die Straße von Hormuz sehen werden, die schließlich eine
militärische Reaktion der USA erzwingen. Bei all diesen Szenarien ist das bestmögliche
Ergebnis, auf das der Iran derzeit hoffen kann, dass wiederholte Unterbrechungen
der Rohölversorgung für die Welt zu kostspielig werden, sodass sich die USA zum
Rückzug gezwungen sehen oder China, Europa und andere Länder sich dazu genötigt
fühlen, die US-Sanktionen zu umgehen, indem sie die eigenen Rohölimporte aus dem
Iran erhöhen. In diesem Zusammenhang gibt es einige wichtige Daten und Fakten zu
beachten, die einen großen Einfluss darauf haben werden, welche Schritte der Iran
als nächstes unternimmt:
28. und 29. Juni, G20-Gipfel: Der Iran hat in China erhebliche Mengen an
Rohöllagerbeständen aufgebaut, die relativ einfach an China verkauft werden könnten,
wenn China die USSanktionen (und damit das Euro-Dollar/SWIFT-Zahlungssystem) umgehen
will. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, hängt vom Ergebnis der Verhandlungen
zwischen den USA und China ab. Eine Eskalation des Handelsstreites zwischen beiden
Ländern würde sicherlich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Chinesen das
Euro-Dollar/SWIFTZahlungssystem umgehen, indem sie einen alternativen
Transaktionsmechanismus einführen.
Wir erwarten jedoch, dass auf dem G20-Gipfel eine freundliche Begegnung zwischen
Donald Trump und Xi Jinping stattfindet, die eine Eskalation des Handelskrieges vorerst
unwahrscheinlich macht.
7. Juli, Iran-Frist: Der Iran gab der EU eine Frist, um eine Antwort auf den
Rückzug der USA aus dem iranischen Atomabkommen zu finden. Sollte sich die EU in
Schweigen hüllen, könnte sich der Iran versucht fühlen, die Erdölverschiffung über die
Straße von Hormuz weiter zu unterbrechen. Selbst wenn eine Möglichkeit zur Umgehung des
Euro-Dollar/SWIFTZahlungssystems gefunden wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass die
EU den Iran ausreichend in wirtschaftlicher Hinsicht unterstützen kann. Sollten die
Angriffe in der Straße von Hormuz im Juli fortgesetzt werden, würde dies ein klares
Signal an die Reeder senden, dass die Sicherheit beim Passieren der Straße von Hormuz
nicht gewährleistet werden kann, solange die iranischen Ölexporte begrenzt sind.
Quelle: Investmentfonds.de
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