Investmentfonds.de
10.09.2019:
Kommentar von Franck Dixmier zur EZB-Sitzung am 12. September 2019
Köln, den 10.09.2019 (Investmentfonds.de) -
Franck Dixmier, Global Head of Fixed Income bei Allianz Global Investors
Wie erwartet bestätigte die EZB auf ihrer Sitzung am 25. Juli den von Präsident
Mario Draghi einen Monat zuvor im portugiesischen Sintra dargelegten Ansatz:
Die EZB ist bereit, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Wachstum zu
erhalten und ihrem Inflationsziel von 2 Prozent näher zu kommen. Innerhalb der EZB
wurden daraufhin alle monetären Optionen geprüft, einschließlich der Wiederaufnahme
des Anleihekaufprogramms.
Seitdem hat sich das politische und wirtschaftliche Umfeld verschlechtert:
die Eurozone - insbesondere Deutschland - befindet sich klar in einer
wirtschaftlichen Abschwächung
die Inflation in der Eurozone ist nach wie vor anämisch, mit einer
Verbraucherpreisinflation von 1 Prozent und einer Kernrate von 0,9 Prozent im August
politische und geopolitische Risiken haben zugenommen, etwa in Form der
Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China und angesichts des immer greifbarer
werdenden Risikos eines harten Brexit
die Inflationserwartungen nähern sich wieder ihren Tiefstständen: der Forward-Swap
für 5-jährige Anlagen in 5 Jahren lag Anfang September bei 1,2 Prozent; dies zeigt, dass
die Märkte Zweifel an der Fähigkeit der EZB haben, die Inflation nach oben zu treiben
die US-Notenbank hat im Juli ihre Leizinsen gesenkt.
Wir erwarten daher, dass die EZB am 12. September ihre Geldpolitik weiter lockert.
Konkret prognostizieren wir einen Rückgang des Einlagesatzes um 10 Basispunkte, die
Einführung einer mehrstufigen Einlagenfazilität (die die überschüssigen Reserven der
Banken ab einem für jedes Institut spezifischen Schwellenwert quasi besteuert) und eine
stärkere Forward Guidance mit der ausdrücklichen Zusage, dass die Leitzinsen für lange
Zeit niedrig bleiben werden.
Wir halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass die EZB zum jetzigen Zeitpunkt die
Wiederaufnahme ihres Anleihekaufprogramms ankündigen wird. Jüngste Kommentare von
Zentralbankmitgliedern deuten darauf hin, dass es keinen Konsens darüber gibt, ob eine
neue Runde der quantitativen Lockerung (QE) notwendig ist, auch wenn diese Option auf
dem Tisch bleibt. Darüber hinaus will sich die EZB möglicherweise einen gewissen
Handlungsspielraum bewahren, um einer stärkeren Verschlechterung des wirtschaftlichen
und politischen Umfelds begegnen zu können - und ihrem nächsten Präsidenten ein hilfreiches
Instrument an die Hand zu geben. Und schließlich könnte der EZB daran gelegen sein, sich
wieder etwas aus den Erwartungsfesseln der Märkte zu befreien.
Die Finanzmärkte, die ein größeres Stimulierungspaket erwarten, könnten daher enttäuscht
werden - einer Zinssenkung um 20 Basispunkte wird eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent
beigemessen, außerdem wird von einem Neustart von QE ausgegangen. Anlegern würde dies
die Möglichkeit bieten, mögliche Zins- und Spread-Erhöhungen zu nutzen und zu tieferen
Kursen einzusteigen - insbesondere durch eine Erhöhung der Duration von Staatsanleihen
und durch Eingang eines höheren Kreditrisikos.
Quelle: Investmentfonds.de
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