Investmentfonds.de
20.03.2020:
Vontobel: Eine Rezession ist wahrscheinlich
Köln, den 20.03.2020 (Investmentfonds.de) -
Frank Häusler, Chief Strategist bei Vontobel Asset Management
Keine Anzeichen, dass die Krise zu einem strukturellen Problem wird
Konventionelle Feuerkraft der Notenbanken erschöpft
Fiskalpolitische Maßnahmen nötig, um ernsthaftes zyklisches Phänomen zu
vermeiden
Trotz der hoffnungsvollen Anzeichen aus China setzt sich die Verbreitung des
neuen Coronavirus im Rest der Welt unvermindert fort. Da das Wirtschaftsleben
überall zum Stillstand gekommen ist, werden die Eurozone und Japan wahrscheinlich
mindestens in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen eine Rezession erleben.
Die letzten Tage und Wochen haben die Verwundbarkeit eines jahrzehntelangen
Bullenmarktes deutlich gemacht. Den Anlegern blieben bis auf US-Treasuries,
und bis zu einem gewissen Grad deutsche und schweizerische Staatsanleihen, nur
wenige Optionen. Gold kommt auch gerade noch in Frage. Wenn die Regierungen durch
Fiskalausgaben und die Zentralbanken dafür sorgen, dass es nicht zu viele
Zahlungsausfälle gibt und wir alle in drei Monaten noch einen Gehaltsscheck erhalten,
sollte sich die Wirtschaft im späteren Verlauf des Jahres stabilisieren. Sobald die
Märkte an diese Geschichte glauben, wird es Zeit, Aktien zu kaufen.
Die Regierungen müssen sich an die Arbeit machen
Die jüngsten Zinssenkungen haben die "konventionelle" Feuerkraft, die den meisten
großen "westlichen" Zentralbanken verblieben war, deutlich verringert oder gar
ganz beseitigt. Die Zinssenkung der US-Notenbank auf Null war richtig, die Europäische
Zentralbank hat sich hingegen nur langsam bewegt. Die jüngste Äußerung der Präsidentin
der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, dass die EZB "nicht dazu da ist,
um die Spreads zu verengen" kam bei den Märkten schlecht an und war ein klarer Hinweis
darauf, dass die EZB noch nicht im Krisenmodus war. Lagarde sprach hier aus der
Perspektive einer Anwältin. Marktbeobachter wiesen schnell darauf hin, dass dies das
Gegenteil von Mario Draghis berühmtem Zitat "what ever it takes" sei. Vor fast acht
Jahren retteten diese Worte den Euro in einer ähnlichen Krise, die auch Italien betraf.
Am 18. März schien die EZB jedoch den Ernst der Lage anzuerkennen und kündigte ein
Anleihenkaufprogramm in Höhe von 750 Milliarden Euro an, um die Märkte mit Liquidität
zu versorgen.
Eine der Optionen, die den Zentralbanken noch zur Verfügung stehen, sind unkonven-
tionelle Maßnahmen, wie zum Beispiel negative Zinssätze in den USA - ein Szenario, das
die Fed wiederholt abgelehnt hat. Darüber hinaus hat die New Yorker Fed begonnen,
eine Zweckgesellschaft einzusetzen, die zuletzt während der Finanzkrise in Aktion trat,
um Unternehmen direkt mit Liquidität zu versorgen.
Da den Zentralbanken offenbar die Hände gebunden sind, wird nun von den Regierungen
erwartet, dass sie handeln. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass die
Zahl der Zahlungsausfälle von Unternehmen so gering wie möglich ist und dass die
Arbeitnehmer auch in drei Monaten noch bezahlt werden. Zu solchen Maßnahmen könnten
Steuererleichterungen, Steuersenkungen und direkte oder indirekte finanzielle
Unterstützung für bestimmte Branchen gehören, die vorübergehend Personal entlassen
müssen oder denen ein sofortiger Konkurs droht. In dieser Hinsicht wurde schon viel auf
den Weg gebracht, aber die Maßnahmen müssen nun zügig umgesetzt werden.
Andernfalls werden wir ein Problem haben.
*Stay away and buy after May*?
Eine Rezession ist in Japan und höchstwahrscheinlich auch in der Eurozone unvermeidlich.
Die USA werden für das gesamte Jahr 2020 wahrscheinlich ein Wachstum von fast Null
verzeichnen, während die erwarteten 5% in China einer der wenigen Lichtblicke sind.
Jede globale Erholung wird nur langsam vonstatten gehen und eher einem "U" als einem "V"
gleichen. Erste Anzeichen einer Entspannung werden möglicherweise erst im Laufe des
Sommers auftauchen, abhängig von einer wirtschaftlichen Erholung in Ländern wie China.
Die aktuelle Krise, die immer noch ereignisgesteuert ist, könnte sich zu einem
ernsthafteren zyklischen Phänomen entwickeln, wenn die Zentralbanken und die Regierungen
keine geeigneten Maßnahmen ergreifen. Bisher gibt es jedoch keine Anzeichen dafür, dass die
derzeitige Krise zu einem strukturellen Problem werden könnte, wie es zu Zeiten der Großen
Depression in den 1930er Jahren der Fall war.
Quelle: Investmentfonds.de
|