Investmentfonds.de
17.07.2020:
Handelskonflikt spaltet weltweite Technologiebranche
Köln, den 17.07.2020 (Investmentfonds.de) -
Sumant Wahi, ist Fondsmanager bei Fidelity International
Handelskonflikt spaltet weltweite Technologiebranche
Der Handelsstreit zwischen China und den USA verändert die bisher
so globale Technologiebranche radikal. Gerade beim vielversprechenden
Mobilfunkstandard 5G entstehen zwei zunehmend eigenständige
technologische Systeme - und für Investoren so ein größeres
Anlageuniversum.
Der chinesische Technologieriese Huawei ist ins Zentrum des
Handelskonflikts zwischen den USA und China gerückt. Die amerikanischen
Sanktionen belasten dabei nicht nur Huawei* selbst. Ganze Lieferketten
für Halbleiter und Smartphones sowie der Ausbau der 5G-Netze werden
von dem Streit beeinflusst. Am Ende dieser Entwicklung könnten zwei
grundverschiedene technologische Ökosysteme stehen.
Am 15. Mai entschied das amerikanische Handelsministerium, dass Huawei
kein geistiges Eigentum der USA (also Software oder Maschinen) mehr
nutzen dürfe, um Halbleiter zu produzieren. Huawei ist damit praktisch
von asiatischen Halbleiterfabriken abgeschnitten. Andere Unternehmen
dürfen jedoch weiterhin selbst entwickelte Halbleiter, die sie mit
US-Technologie herstellen, an Huawei verkaufen. Das neue US-Gesetz
ist also relativ eng gefasst und soll Huawei vor allem daran hindern,
im 5G-Bereich Fortschritte zu machen.
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Die US-Regierung unter Donald Trump ist sich bewusst, dass es sich
auszahlen kann, beim nächsten Mobilfunkstandard den Pioniervorteil zu
haben. Die USA waren das erste Land, das das 4G-Netz ausgebaut hat, und
konnten dadurch laut einer Studie von Recon Analytics 2016 ihr
Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent oder 100 Milliarden Dollar steigern.
Mobile Betriebssysteme aus den USA sind inzwischen weltweit führend:
Der Marktanteil von Android und iOS ist zwischen 2009 und 2016 von 17
auf fast 100 Prozent gestiegen.[...]
Beim 5G-Standard will China nun zum Weltmarktführer werden. Derzeit ist
es ein knappes Rennen, bei dem die USA um wenige Monate hinterherhinken.
Der Einfluss des Handelskonflikts
Die drei Bereiche der globalen Lieferketten, die von den US-Sanktionen
am härtesten getroffen werden, sind voraussichtlich Halbleiterchips,
Smartphones und das 5G-Netz. Einige Wettbewerber von Huawei werden
Marktanteile hinzugewinnen können, während Zulieferer von Huawei unter
der Regelung leiden dürften. Bisher hat China nicht direkt zurückgeschlagen,
jedoch könnten in Zukunft Verbote von US-Produkten folgen. Potenzielle
Ziele wären unter anderem Apple* und Qualcomm*.
Halbleiterchips
Chips von Mediatek* werden künftig die hauseigenen Chips in
Huawei-Smartphones ersetzen. Derzeit verkauft Mediatek jährlich
350 Millionen Smartphone-Chips, künftig könnten es 200 Millionen mehr
sein. Wir rechnen außerdem damit, dass japanische Halbleiterunternehmen
wie Murata* langfristig von der Situation profitieren werden. Denn Japan
kann mit allen Seiten frei handeln und nimmt dadurch eine neutrale
Position ein.
Einige Zulieferer mit starken Beziehungen zu den USA müssen sich jetzt
für ein Hauptbezugsland entscheiden und dürften dadurch kurzfristig Umsätze
verlieren. Taiwan Semiconductor Manufacturing Corp. (TSMC)* etwa nimmt
vorerst keine Neubestellungen von Huawei mehr an. Das chinesische
Unternehmen ist hinter Apple der zweitgrößte Kunde von TSMC und macht
15 bis 20 Prozent der jährlichen Umsätze aus. TSMC hat im Mai zudem
angekündigt, eine zwölf Milliarden Dollar teure Chip-Fabrik in Arizona zu
bauen, und erhält dafür auch Subventionen von der US-Regierung.
Smartphones
Im Smartphone-Bereich waren die jüngsten Sanktionen weniger schmerzhaft
als erwartet, weil Huawei seine Smartphones immer noch mit zugekauften
Chips bauen kann. Die dadurch höheren Kosten dürften jedoch den Marktanteil
von Huawei belasten.
Huawei gehört bei Kameratechnologie und der Umsetzung des 5G-Standards zu
den innovativsten Unternehmen in der Branche. Pro Quartal verkauft es
50 Millionen Smartphones und besetzt damit 16 bis 18 Prozent des Weltmarkts.
In China liegt der Marktanteil bei 43 Prozent. Durch die Sanktionen wird sich
das Preis-Leistungsverhältnis von Huawei-Geräten mit der Zeit verschlechtern,
sodass Konkurrenten wie Xiaomi*, Oppo* und Vivo* ihren Marktanteil ausbauen
könnten. Wir glauben, dass der Marktanteil von Huawei in China wieder auf
das Niveau fallen könnte, das vor Beginn des Handelskonflikts zu beobachten
war. Im Ausland könnten Huawei-Smartphones sogar ganz vom Markt verschwinden,
wenn sie dort nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Die US-Sanktionen gegen Huawei sind fatal für dessen Geschäft mit Chipsets für
Basisstationen. Während der 120-tägigen Kulanzfrist, die Mitte September endet,
baut Huawei daher seine Vorräte an 5G-Chips massiv auf. Sollte das Unternehmen
längerfristig Schwierigkeiten haben, Chips einzukaufen, wird sich das auch auf
chinesische Telekomfirmen und Betreiber von Mobilfunkmasten auswirken. Der
Ausbau des 5G-Netzes würde sich damit verlangsamen und die Kapitalkosten würden
steigen.
Europäische Wettbewerber wie Ericsson* und Nokia* könnten davon profitieren.
Die US-Regierung spricht schon davon, sich bei diesen Firmen einzukaufen, was
laut US-Generalstaatsanwalt William Barr das Streben von Huawei nach
Marktdominanz behindern würde.
Lieferketten werden schon entflochten
Die Lieferketten in der Technologiebranche werden nun weiter entflochten,
sodass sich separate technologische Ökosysteme entwickeln dürften.
Fertigungswerke werden von China in die USA oder zu deren wirtschaftlichen
Verbündeten verlegt; in Mexiko und Indien ist das schon jetzt zu beobachten.
Die Covid-19-Krise beschleunigt diesen Trend, da Unternehmen jetzt versuchen,
ihre Lieferketten nachhaltiger, einfacher und kürzer zu gestalten.
Zwar rechnen wir mit noch mehr Säbelrasseln, wir sehen für langfristig
orientierte Anleger jedoch auch Chancen. China ist ein riesiger Markt für
Unterhaltungselektronik und bietet großes Potenzial für lokalisierte und
heimische Technologien. Unternehmen wie Huawei zeigen, dass China in vielen
Innovationsbereichen aufholt oder längst vorne liegt, etwa bei künstlicher
Intelligenz. Allerdings müssen Anleger wählerisch sein.
Das Wettrennen um die 5G-Technologie ist noch nicht zu Ende. Längerfristig
rechnen wir mit zwei unterschiedlichen technologischen Systemen. Für Anleger
entsteht dadurch ein größerer, wenn auch komplizierterer Markt.
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Quelle: Investmentfonds.de
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