Investmentfonds.de
03.11.2020:
Lazard AM: Amerika am Scheideweg
Köln, den 03.11.2020 (Investmentfonds.de) -
Experten, von Lazard Asset Management LLC
Amerika am Scheideweg
Eine Reihe von Experten bei Lazard Asset Management
teilen ihre Sichtweisen zu den bevorstehenden
Präsidentschaftswahlen. Dabei gehen sie auch auf
die Auswirkungen auf die Kapitalanlage nach der
Wahl in Bezug auf fiskalpolitische Anreize,
Steuerpolitik, Handelsbeziehungen und viele andere
Bereiche ein, die alle davon abhängen, wer am
3. November die Wahl gewinnt.
Die Bedeutung des Wahlergebnisses
Ron Temple, Head of US Equities und Co-Head
von Multi-Asset: "Die Einschätzung der kurzfristigen
Reaktion auf jede Wahl ist sehr schwierig und
letztlich nicht so wichtig. Was wirklich zählt,
ist, wie die längerfristigen Aussichten für
Unternehmen sind, Gewinne zu erzielen? Das wichtigste
Szenario, das es zu berücksichtigen gilt, ist die
Möglichkeit einer ,blue wave', bei der die Demokraten
die Mehrheit im Repräsentantenhaus, dem Senat und
dem Weißen Haus gewinnen.
Ich glaube, dass eine ,blue wave' der Beginn einer
großen strukturellen Verschiebung der Märkte sein
könnte. Wenn die Demokraten Investitionen in
Infrastruktur und Klimaziele in Höhe von 2 bis
3 Billionen US-Dollar frühzeitig Priorität einräumen
würden, könnten wir einen fiskalischen Impuls erleben,
der bespiellos für die Ära nach dem Zweiten Weltkrieg
wäre. In diesem Szenario dürften die Wachstums- und
Inflationserwartungen steigen und zu einer steileren
US-Zinskurve führen. Wenn sich das Wachstum beschleunigt,
wird sich die Erholung auf weitere Wirtschaftssektoren
ausdehnen und den Anlegern eine größere Auswahl an Aktien
bieten, die Erträge und Gewinne steigern können.
Gleichzeitig implizieren höhere langfristige Zinsen
höhere Diskontsätze auf künftige Cashflows, was die
Bewertung von Unternehmen, deren Aktien von langfristig
erwarteten Cashflows angetrieben werden, im Vergleich zu
Unternehmen mit kurzfristigen Cashflows drücken könnte.
Dies könnte zu einer größeren Rotation von Growth-Titeln,
die in der Zukunft möglicherweise hohe Erträge
erwirtschaften, in Aktien von Unternehmen führen, die
bereits hohe Erträge erwirtschaften. Dieses Szenario ist
jedoch keine beschlossene Sache."
Schwellenländer
Arif Joshi, Portfolio Manager/Analyst im Emerging
Markets Debt-Team: "Ich bin der Meinung, dass die
unmittelbare Reaktion auf einen Sieg von Donald Trump in
der Tat positiv für die US-amerikanischen Aktienbewertungen
ist, begünstigt von der Erwartung eines höheren Wachstums
aufgrund der fortgesetzten Deregulierung, einer Fortsetzung
der Steuersenkungen und zusätzlicher fiskalpolitischer
Anreize. Bei einem Biden-Sieg ist es genau das Gegenteil.
Ich dem Fall würde ich erwarten, dass die US-Aktien aufgrund
von absehbar höheren Steuern, stärkerer Regulierung und
geringeren Erträgen von Unternehmen nachgeben würden. Aber
das ist nur die unmittelbare Reaktion. Sowohl unter Trump
als auch unter Biden erwarten wir, dass das US-Wachstum
im nächsten Jahr deutlich zunehmen wird, irgendwo zwischen
4 und 5 Prozent, angeführt von monetären und fiskalischen
Stimuli. Folglich gehen wir ebenfalls davon aus, dass die
US-Risikoaktiva in den nächsten 3 bis 6 Monaten entweder
unter einer Biden- oder einer Trump-Administration steigen
werden.
Bei Schwellenländerinvestments ist die Situation gespaltener.
Man kann grundsätzlich sagen, dass eine Biden-Administration
gut für die Emerging Markets wäre und eine Trump-
Administration schlecht.
Es ist wichtig zu beachten, dass Biden nicht Bernie Sanders
oder Alexandria Ocasio-Cortez ist. Dies ist nicht die
extreme Linke gegen die extreme Rechte; dies ist der
moderateste Demokrat gegen einen rechtsgerichteten
Präsidenten. Die Märkte wissen, dass sowohl die
Wettanbieterquoten als auch quantitative Modelle eine
signifikante Wahrscheinlichkeit für einen Sieg Bidens
sprechen, und dennoch fällt der S&P nicht.
Die 10-Jahres-Prognose steigt nicht in die Höhe. Damit will
der Markt sagen, dass er im Allgemeinen mit beiden Seiten
zufrieden ist."
Unterschiede
Yvette Klevan, Portfoliomanagerin/Analystin im Global
Fixed Income-Team: "Ich bin sehr gespannt auf das Potenzial
einiger der vorgeschlagenen Infrastrukturinvestitionen,
insbesondere auf einige der von den Demokraten geförderten
grünen Infrastrukturprogramme. Da so viel Geld ausgegeben wird
und die Zinssätze gleich Null sind, gab es nie einen besseren
Zeitpunkt, um die Entwicklung kostengünstiger erneuerbarer
Energiekapazitäten voranzutreiben und Umweltprobleme auf
andere Weise anzugehen, z.B. durch energieeffizientere Gebäude.
Mit all den Kündigungen und Entlassungen, die das Land erlebt
hat, ist es eine riesige Chance, neue Beschäftigungszweige
aufzubauen, eine neue einheimische Industrie zu formen, die
sich auf erneuerbare Energien konzentriert, viele Menschen
umzuschulen und Arbeitsplätze in die USA zurückzubringen."
John Senesac, Portfoliomanager/Analyst im US Fixed
Income-Team: "Ich denke, es gibt zwei Schlüsselbereiche
innerhalb der öffentlichen Finanzen, auf die man sich
konzentrieren sollte: Infrastruktur und Gesundheitswesen.
Wir hinken mehr als ein Jahrzehnt bei der Finanzierung der
Infrastruktur hinterher, und das ist etwas, das auf die eine
oder andere Weise angegangen werden muss. Ich glaube, dass
die Infrastrukturausgaben in diesem Szenario von Umweltbelangen
geleitet und daher von Nachhaltigkeit geprägt sein werden.
Das Gesundheitswesen ist der zweite Bereich, der angegangen
werden sollte und obwohl es schwierig ist, Vorhersagen zu
treffen, könnte man argumentieren, dass eine demokratische
Führung bestimmten Krankenhäusern an der Peripherie helfen
könnte."
China
Nick Bratt, Portfolio Manager/Analyst im Global
Thematic Equity-Team: "Meiner Meinung nach ist Chinas Stellung
in der Welt die wichtigste existenzielle Frage, vor der die
Entwicklungsländer in den nächsten 50 Jahren stehen. Zudem
glaube ich, dass wir uns bereits in einem neuen Kalten Krieg
befinden. Einer der wenigen Bereiche, in denen zwischen den
beiden Parteien Übereinkunft herrscht, ist die Bedrohung,
die China für die liberaldemokratische Welt darstellt, nicht
nur für die USA, sondern auch für Japan, Indien, Australien
und andere kapitalistische liberale Demokratien.
Ich habe den Eindruck, dass eine Biden-Regierung versuchen
wird, friedliche Vereinbarungen auszuhandeln. Das bedeutet
einerseits Verträge mit anderen Nationen zu schließen und
andererseits zu erkennen, wo wir einen vernünftigen Modus
operandi zur Lösung von Streitigkeiten ausarbeiten können.
Wenn Trump wiedergewählt werden sollte, werden wir eine
Fortsetzung seiner aggressiven Vorgehensweise haben."
Multilaterales Engagement
Ron Temple: "Unter Biden würden sich die USA wahrscheinlich
wieder mit Verbündeten zusammenschließen, um sich stärker
an multilateralen Institutionen wie der NATO, dem Pariser
Klimaabkommen, der Weltgesundheitsorganisation und der
Welthandelsorganisation zu beteiligen. Die Frage des
multilateralen Engagements ist jedoch für Investoren nur
schwer zu erfassen. Wenn es die Welthandelsorganisation
morgen nicht mehr gäbe, könnte ich Ihnen dann sagen, wie hoch
die Gewinne eines bestimmten Unternehmens sinken würden? Nein.
Was ich Ihnen jedoch sagen kann, ist, dass das Spektrum der
globalen multilateralen Institutionen sehr wichtig für die
Schaffung eines globalen Handelsrahmens, für die Erhaltung
des Friedens über Generationen hinweg und für die Bewältigung
der globalen Herausforderungen im Gesundheits- und Klimabereich
ist. Diese Institutionen haben einen stabileren, berechenbareren
Hintergrund geschaffen, vor dem Unternehmen und Verbraucher
wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffen können. Ohne
Frage haben sie eine Rolle bei der Senkung der Kapitalkosten
und Diskontsätze in den USA und im Ausland gespielt. Die
Bedeutung dieser Institutionen zu bekräftigen und in einigen
Fällen zu reformieren, könnte sich bei richtiger Handhabung
positiv auf Wachstum und Investoren auswirken."
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Quelle: Investmentfonds.de
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