Investmentfonds.de
04.12.2020:
Fidelity-Ausblick 2021: Wenn Marktoptimismus auf Wirklichkeit trifft
Köln, den 04.12.2020 (Investmentfonds.de) -
Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei
Fidelity International
Kronberg, 4. Dezember 2020: 2020 erinnert uns daran,
dass Krisen immer möglich sind und jede Krise ihr
Eigenleben entwickelt. Viele Marktteilnehmer gehen
mit Optimismus ins neue Jahr und dafür gibt es gute
Gründe. Trotz zuletzt einiger positiven Nachrichten -
gerade aus der Impfstoffentwicklung - bleibt aber
eine gewisse Vorsicht unerlässlich.
Die Coronavirus-Krise löste den schnellsten
Börsencrash der Geschichte aus - gefolgt von der
schnellsten Erholung. Diese geht nicht zuletzt auf
eine beispiellose geld- und fiskalpolitische Reaktion
zurück. An der Schwelle zum Jahr 2021 steht diese
Erholung der Weltwirtschaft allerdings auf der Kippe.
Bleiben fiskalpolitische Impulse wie bisher moderat,
werden die Notenbanken weiterhin den Löwenanteil
leisten und die Konjunktur unterstützen.
Die Einführung von Impfstoffen rückt bekanntlich näher,
doch der wirtschaftliche Schaden, der durch die
Coronavirus-Krise entstanden ist, wird gleichzeitig
immer deutlicher. Sind die Märkte zu stark vorweg-
gelaufen? Ist der Unterschied zwischen Realwirtschaft
und den Kapitalmärkten zu groß geworden? Riskieren wir
eine höhere Inflation als es uns lieb sein kann? Wenn
es je eine Zeit gab, in der man als Anleger dynamisch
über Regionen und Anlageklassen hinweg diversifiziert
sein sollte, dann wird 2021 die Bewährungsprobe für
einen solchen Ansatz sein.
Sektorrotation voraus
Während Fiskalprogramme "nur" das Wachstum fördern,
können Impfstoffe den Markt förmlich rotieren lassen.
Denn sie sorgen für eine Normalisierung des Lebens wie
wir es kennen. Das spricht für eine weitere Bewegung
der Zykliker, die im November schon begonnen hat und
die aus meiner Sicht noch weiteres, deutliches Aufhol-
potenzial an den Märkten aufweist. Zyklische Werte
schwanken aber stärker und bewegen sich heftiger, daher
wird dies nicht ohne Folgen für die Marktvolatilität
bleiben. Damit dürfte sich die Marktbreite erhöhen und
die Chancen, interessant bewertete Papiere zu kaufen,
die im Verlauf der letzten Monate aus dem Fokus rückten.
Davon ausgenommen sind Banken und Öl, da sie
strukturellen Gegenwind von niedrigen Zinsen und einem
Fokus auf nachhaltigen Anlagestrategien haben.
Die Anführer der bisherigen Marktbewegung werden es
in diesem Umfeld etwas schwerer haben. Die ihnen
zugrundeliegenden Megatrends wie Technologie,
Digitalisierung und Wachstum der Online-Welt sind
damit nicht ad acta gelegt. Aber sie dürften eine
Verschnaufpause einlegen.
Ich glaube also nicht, dass wir in 2021 die Sterne
vom Himmel holen, was die globalen Indexstände betrifft;
die wirklich interessanten Bewegungen werden unter der
Oberfläche stattfinden. Wir werden also eine Rotation
der Sektoren, aber vor allem auch eine Rotation innerhalb
der Sektoren sehen. Aufgrund dessen bleibt ein aktiver
Investmentansatz das Gebot der Stunde. Nur so lässt sich
den sich schnell verändernden Marktbedingungen
Rechnung tragen.
Warum Inflation doch ein Thema bleiben wird
Ein weiteres sehr kontroverses Thema ist Inflation. Das
ist insofern interessant, weil momentan von Inflation
weit und breit keine Spur ist. Genauso wenig wie im
gesamten letzten Jahrzehnt. Warum gibt es dann überhaupt
diese Diskussion? Wir haben eine enorme Ausweitung der
Geldmengen erlebt, die in dieser Form historisch immer
zu einer Inflation geführt haben. Und zweitens dürften
auch die Fiskalprogramme ihr Übriges tun, um inflationäre
Effekte anzufachen. Das alles steht im starken Kontrast
zu den enormen disinflationären säkularen Trends, die wir
seit einigen Jahren sehen: Demografie, Technologie,
Zombifizierung etc. In Kombination mit dem neuen Regime
der FED, kurzfristige Anstiege der Inflationsraten erst
einmal laufen zu lassen, könnte dies gerade für den
Anleihebereich im neuen Jahr interessant werden. Auch
hier sind höhere Schwankungen zu erwarten, gerade für
Papiere mit langer Duration wie z.B. länger laufende
Staatsanleihen.
Die Jagd nach Renditen wird uns ansonsten erhalten bleiben,
daher dürften Unternehmensanleihen weiter gefragt sein,
auch durch den anhaltenden Kaufdruck der Zentralbanken.
Diversifikation ist einmal mehr das Gebot der Stunde.
Sie wird umso notwendiger als die Schwankungen steigen
und die Markttrends sich verkürzen. Klassische Staats-
anleihen weisen nicht mehr die historisch defensiven
Eigenschaften und niedrige Korrelationen auf. Warum nicht
einmal den Blick beispielsweise auf chinesische Bonds
werfen, die genau diesen Anspruch erfüllen können.
Möglichkeiten zur Diversifizierung: Asiens Führungsrolle
Auch auf regionaler Ebene muss klar differenziert werden.
Die "globale Weltwirtschaft" gibt es nicht mehr, weil die
Hilfsprogramme und die Erholungspfade viel zu
unterschiedlich verlaufen. Das hat auch einen Einfluss
auf Währungen und Volatilitäten.
Auf mittlere Sicht erwarten wir, dass die Schwäche des
US-Dollars anhalten wird, solange die US-Notenbank an
einer lockeren Geldpolitik festhält. Das wäre positiv
für die Märkte außerhalb der Vereinigten Staaten,
insbesondere in Asien. China hält seine Geldpolitik
auf eher neutralem Niveau, nachdem es seine Banken zur
Geduld mit Unternehmen aufgefordert hat, deren Geschäft
unter der Coronavirus-Krise leidet. Gleichzeitig treibt
die chinesische Regierung inländische Reformen voran.
Dadurch könnten sich die Erträge im Jahr 2021 stabilisieren,
sodass chinesische Unternehmen globalen Investoren ein
gewisses Maß an Diversifizierung bieten würden.
Asien wird als Konsequenz aus der Krise eine neue
Führungsrolle an den Märkten übernehmen. Das drückt sich
in der schnelleren Erholung und den höheren Wachstums-
erwartungen aus. Neben einem schwächeren US-Dollar sollten
moderate Ölpreise dabei ebenso helfen. Durch die bessere
wirtschaftliche Lage und eher gezielte als breite
Stimulus-Maßnahmen ist die Abweichung der volkswirtschaft-
lichen Lage zu den Kapitalmärkten nicht so ausgeprägt wie
in den USA oder Europa. Das kürzlich bekanntgegebene
Handelsbündnis RCEP dürfte zu einer weiteren Stärkung der
Region im globalen Kontext beitragen.
Fazit: Chancen und Risiken in unsicheren Zeiten
Mehrere Unsicherheitsfaktoren werden die Finanzmärkte
2021 begleiten. Der Zeitpunkt der Bereitstellung von
Impfstoffen, die Auswirkungen der geld- bzw. fiskal-
politischen Anreize und das Gewinnwachstum sind zentrale
Ankerpunkte. Klar ist, wo eine Krise herrscht, entstehen
auch Chancen. Wenn allerdings die Bewertungen an den Märkten
zu sehr vom Prinzip Optimismus getrieben werden, sollten
Anleger wachsam bleiben. Den Realitätscheck müssen die
Märkte erst noch bestehen.
Risikohinweis:
Dieses Material ist nur für professionelle Anleger bestimmt
und sollte von Privatanlegern nicht als Handlungsgrundlage
verwendet werden. Die Anleger werden darauf hingewiesen, dass
die geäußerten Ansichten unter Umständen nicht mehr aktuell
sind und dass darauf möglicherweise bereits reagiert wurde.
Auslandsinvestitionen werden von Wechselkursschwankungen
beeinflusst. Anlagen in Schwellenländern können volatiler
sein als solche in höher entwickelten Märkten.
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Quelle: Investmentfonds.de
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