Investmentfonds.de
03.03.2021:
Aegon AM: Deutsche Inflation übersteigt das-US Niveau
Köln, den 03.03.2021 (Investmentfonds.de) -
Hendrik Tuch, Head of Fixed Income NL bei
Aegon Asset Management
Deutsche Inflation übersteigt das-US Niveau
Vor zwei Wochen veröffentlichte das Bureau of
Labor Statistics die US-Inflationszahlen.
Mit 1,4 % für die jährliche Gesamtinflation
lagen sie leicht unter dem Erwartungswert und
blieben damit im Wesentlichen unverändert
gegenüber dem Vormonat. Dies steht im krassen
Gegensatz zu den jüngsten Inflationszahlen für
Deutschland und die EU, die Ende Januar
veröffentlicht wurden. Die deutsche Jahres-
inflation stieg auf 1,6% (gegenüber 0,5% erwartet)
und die europäische Kerninflation auf 1,4%
(gegenüber 0,9% erwartet). Solche Inflationswerte
liegen recht nahe an der Zielmarke der EZB. In
früheren Zinszyklen hätten wir uns auf die ersten
Anzeichen einer Straffung der Geldpolitik eingestellt.
Es ist auch recht selten, dass die deutsche Inflation
das US-Niveau übersteigt. In den letzten 25 Jahren lag
die US-Inflation im Durchschnitt etwa 0,75 % höher als
der deutsche Wert. Es wird also Zeit, einen genaueren
Blick auf diese Zahlen zu werfen und zu prüfen, ob wir
anfangen müssen, uns darüber Sorgen zu machen, ob die
EZB oder die Fed ihre Unterstützung reduzieren wird.
Die US-Daten zeigen eine Wirtschaft, in der die
Preissetzungsmacht des Dienstleistungssektors immer
noch in der Flaute steckt. Das ist auch nicht anders zu
erwarten, da ein Großteil des Dienstleistungs- und
Tourismussektors geschlossen ist. Die Stabilität der
Kerninflation wird auch durch den langsamen Anstieg der
Wohnungsmieten begünstigt, und selbst der Anstieg der
Studiengebühren ist sehr gedämpft. Die Gesamtinflation
wird in den kommenden Monaten weiter ansteigen, vor
allem aufgrund des steigenden Ölpreises und des
schwächeren Dollars. Die Fed dürfte nicht mit der
Wimper zucken, wenn sie einen Anstieg der Inflation in
Richtung oder sogar über 2 % sieht. Powell und seine
Kollegen haben deutlich gemacht, dass sie ein
vorübergehendes Überschießen der Inflation zulassen
werden, um die schwachen Inflationszahlen der
vergangenen Jahre auszugleichen. Darüber hinaus liegt
der Fokus der Fed vor allem darauf, weitere
Beschäftigungszuwächse zu erzielen, damit die Vorteile
des Wirtschaftswachstums auf die gesamte US-Gesellschaft
verteilt werden können. Die jüngste Rede von Powell
bestätigt, dass die Fed bereit ist, die Wirtschaft
"auf Hochtouren" zu bringen, um Vollbeschäftigung zu
erreichen, die laut der Fed bei bis zu 3 % liegen könnte.
Die Anleger haben auf diese Politik der Fed reagiert,
indem sie ihre Erwartungen für die künftige Inflation in
den letzten Quartalen nach oben geschraubt haben, wobei
die implizite 30-Jahres-Inflation jetzt bei 2,4 % liegt,
was dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre entspricht.
Die nominalen Renditen steigen auch am hinteren Ende der
Kurve weiter an, wobei der 30-jährige Zinswert nun bei
2 % liegt.
Der plötzliche Anstieg der deutschen Inflationszahlen
sollte keine Überraschung für den Markt gewesen sein.
Der wichtigste Faktor, der dazu beigetragen hat, ist die
Erhöhung der deutschen Mehrwertsteuer auf 19 % zu Beginn
dieses Jahres, wodurch die vorübergehende Senkung von 3 %,
die seit Juli 2020 galt, aufgehoben wurde. Ökonomen
unterschätzten die Bereitschaft der Unternehmen, diese
Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes sofort an die Verbraucher
weiterzugeben. Ein weiterer Faktor, der die Inflation in
die Höhe trieb, war die Einführung einer neuen Kohlenstoff-
steuer in Deutschland, die die Energiepreise in die Höhe
getrieben hat. Der dritte Faktor ist die jährliche Anpassung
des von Eurostat zur Messung der Inflation verwendeten
Warenkorbs, bei der die Ausgaben für Supermärkte ein
stärkeres Gewicht erhielten und die Ausgaben für
Dienstleistungen zurückgingen. Andere europäische Länder
verzeichneten im Januar ebenfalls einen starken Anstieg der
Inflation, wobei ähnliche temporäre Faktoren zu diesem
Anstieg beigetragen haben. In den vergangenen Monaten haben
die Mitglieder des EZB-Direktoriums bereits davor gewarnt,
dass die Inflationszahlen im Jahr 2021 in die Höhe
schnellen würden, da sich die Faktoren, die die Inflation
im vergangenen Jahr gedrückt haben, im Jahr 2021 umkehren
würden. Sie stellten fest, dass die Kerninflation in den
kommenden Jahren sehr verhalten ausfallen wird und dass
die Geldpolitik sehr entgegenkommend ausgerichtet bleiben
muss. Die EZB warnte sogar, dass eine weitere Zinssenkung
immer noch nicht vom Tisch ist, da sie sich um die
anhaltende Stärke des Euro sorgt. Wir können mit Sicherheit
davon ausgehen, dass die EZB aufgrund des jüngsten Anstiegs
der Inflation nicht bereit ist, ihre Politik zu straffen.
Ähnlich wie in den USA beginnt also auch der europäische
Anleihenmarkt, eine höhere erwartete Inflation einzupreisen,
wenn auch auf einem viel niedrigeren Niveau mit einer
impliziten 30-jährigen Inflationsrate von 1,6 %. Die
europäischen Nominalzinskurven haben außerdem begonnen,
steiler zu werden, was sicherlich durch die anhaltende
Emission neuer langlaufender Staatsanleihen in den
Anleihemärkten des Kerns und der Peripherie begünstigt wird.
Der Trend steilerer Kurven und höherer Inflationserwartungen
kann sich fortsetzen, solange die Risikostimmung am Markt
positiv bleibt und die globale Impfkampagne beschleunigt wird.
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Quelle: Investmentfonds.de
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